Der britische Superstar ist auf Abschiedstournee. Am Dienstagabend spielte er das erste von drei Konzerten in der Kölner Lanxess-Arena.
Elton John in KölnSo war das erste von drei Konzerten in der Lanxess-Arena
Der Mann mit dem Perlenohrring hämmert Staccato-Akkorde in die Tasten, es klirrt mehr als dass es klingt, doch das soll so sein, und die Akkorde erkennt hier in der Kölner Arena jeder. Sie kündigen die zweitberühmteste fiktive Band der Popgeschichte an, gleich nach Sgt. Pepper‘s Kapelle der einsamen Herzen. Besser gesagt: sie fiebern ihr entgegen.
Es sind Bennie and the Jets, mit ihren elektrischen Schuhen und Mohair-Anzügen. Aber wer sind die schon gegen Elton John, den Mann mit dem Perlenohrring und dem strassfunkelnden Frack? Der scheint die Lyrics des Songs eher zu bellen als zu singen – das hat er als junger Kerl von Little Richard gelernt.
Elton John spielt vor 16.000 Menschen in der Kölner Lanxess-Arena
Und am Klavier, da ist er immer noch jung, da fallen seine 76 Jahre von ihm ab, fordern die frühen Exzesse keinen Tribut, ist die Hüfte noch im Originalzustand. Da kann man es kaum fassen, dass Elton John heute Abend Abschied nehmen will. Noch drei letzte, ausverkaufte Konzerte in Köln und am 8. Juli in Stockholm dann schon die allerletzte Show dieser allerletzten Tour. Die hat er „Farewell, Yellow Brick Road“ getauft, nach seinem erfolgreichsten Album (in einer ganzen Reihe fast ebenso erfolgreicher Alben aus der ersten Hälfte der 1970er).
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Die hart angeschlagenen Akkorde, die immer noch machtvolle Stimme, die bis zur letzten Reihe des Oberrangs reichen will: Wenn sich Elton John verabschieden will, dann bestimmt nicht heimlich, still und leise. Davon kündet auch seine Band aus langjährigen Begleitern, die ist mit zwei Schlagzeugern und einem Perkussionisten (und Gitarre, Bass, Keyboard) auf maximalen Wumms angelegt.
„Wir sind endlich hier, tut uns leid, dass es so lange gedauert hat“, grüßt Elton John ein paar Stücke weiter die Fans, es sind 16.000 und genauso viele werden es auch an den nächsten beiden Tagen sein. Nach dem dynamischen Anfang tritt er für den „Border Song“ zum ersten Mal etwas auf die Bremse. Erzählt, wie stolz und glücklich er damals war, im Jahr 1972, als die große Aretha Franklin seine Ballade 1972 coverte, und widmet ihr die folgende Performance.
Aus der großen LED-Wand ergießt sich nahtlos der zweistöckige Bühnenaufbau, mit Johns Flügel ganz vorne an der geschwungenen Bühne. Den „Border Song“ begleiten Aufnahmen von Alltagsmenschen neben Bildern berühmter Vorbildern, Nina Simone ist dabei und natürlich auch Aretha, und, reichlich bizarr, Harry und Meghan.
Überhaupt diese Einspieler! Wir sehen Fotografien trister Seebad-Besucher, vom Leben gezeichneter Menschen, die ziellos durch Los Angeles streunen oder glattere Exemplare, die in bunten Einteilern sporteln. Sie alle wirken wie generisches Archivmaterial, mit dem der glamouröse, berüchtigt zickige John eine emotionale Verbindung zu uns Normalos behauptet, die doch längst durch seine Songs existiert.
Der erste Höhepunkt ist „Rocket Man“, episch, schwerelos, und dennoch zupackend: Plötzlich sieht man die ganze Arena schaukeln, wippen, taumeln. John singt im Duett mit seinem eigenen Echo, ein zweifelnder Astronaut auf dem Weg zum Mars. Sein Solo spannt eine Parabel von stratosphärischen Debussy-Klängen bis zu den Blues-Standards, die er als 15-Jähriger von Donnerstags- bis Sonntagsnacht im Northwood Hills Hotel zur Bierbegleitung spielte. Lange hat man sich nicht mehr so leicht gefühlt.
Mit „Someone Saved My Life Tonight“ wird es noch persönlicher, der Song erzählt von einem Tiefpunkt im Leben des jungen Musikers, als er sich per Suizid einer drohenden Heirat entziehen wollte. Beach-Boys-Harmonie und Phil-Spector-Pauken ziehen ihn wieder ins Leben zurück. Wie es hätte enden können, davon erzählt bekanntlich auch „Candle in the Wind“, die Leinwand zeigt Bilder einer angetrunkenen, dem Zusammenbruch nahen Marilyn, aber die steht zweifellos für Elton Johns dunkelste Momente.
Nach einem kurzen Wetterleuchten von der Bühne kehrt John mit neuer Brille und neuem Jackett zurück. Dessen schwarz-weiß-rote Musterung erinnert an den Joker aus dem Kartenstapel und die Songs, die er jetzt spielt, künden vom fröhlichen Weiterleben, vom ausgespielten Extratrumpf: „The Bitch Is Back“ (damit meint er sich selbst), „I’m Still Standing“, „Don’t Let the Sun Go Down On Me“ – und selbst „Sad Songs (Say So Much)“ ist ja eine ausgesprochen fröhliche Hymne an traurige Lieder.
Zur Zugabe erscheint der Star im rosa Morgenmantel, lässt es zuerst zu „Cold Heart“ vom Band bollern. Wir hören das vom australischen DJ-Duo Pnau gemixte Mash-Up mit Dua Lipa nur, weil es vor zwei Jahren seine letzte Nummer-Eins war, sehr viel berührender ist freilich sein allererster Hit, „Your Song“, zu dem John noch einmal die relevanten statistischen Daten vorträgt: Es war sein neuntes Konzert in Köln, sein viertes in der Arena. Nummer zehn und elf werden folgen, der Rest ist Abschiedsschmerz.
Noch einmal nimmt der seinen Abschied von der „Yellow Brick Road“, dann legt Elton John seinen Morgenmantel ab – darunter trägt er die fallschirmseidene Lieblingsbekleidung von Menschen, die das Haus nur noch zum Zigaretten holen verlassen – und fährt in einem Plexiglas-Gefährt in einer Mischung aus Treppenlift und „Truman Show“ dem Nachthimmel entgegen. Eine Tür öffnet sich am Firmament, der Künstler verschwindet, eine Apotheose des geglückten Ruhestandes. Auch das ist Rock’n’Roll. Goodbye, Sir Elton.