AboAbonnieren

Larry Fink in KölnReichtum ist keine Sünde, aber ein Unglück für alle

Lesezeit 4 Minuten
Zwei junge Frauen sprechen mit einem älteren Mann.

Larry Finks Aufnahme „Second Hungarian Ball, Hotel Pierre, NYC 1978“ ist derzeit als Vintage-Print in der Kölner Galerie Julian Sander zu sehen

Die Kölner Galerie Sander zeigt Aufnahmen aus Larry Finks klassischer Bilderserie „Social Graces“. Sie sind immer noch ein Ereignis.

„Ohne die Fotografie“, sagte Larry Fink einmal, „säße ich im Gefängnis. Ich möchte alles berühren. Mit der Kamera verwandle ich mein Begehren in Bilder.“ Fink wäre nicht der erste berühmte Fotograf, der seinen Zeitgenossen wie ein Triebtäter nachgestellt hätte – ein heimlicher Bilderdieb, der nicht um Erlaubnis fragt, wenn er die schützende Nacht mit seinem Blitz erhellt. Allerdings hatte Fink dieses „private eye“ für die bessere Gesellschaft von New York und Hollywood reserviert. Seine Aufnahmen einfacher Leute, von Beatniks, Boxern, Arbeitern und ihren Familien zeigen einen anderen Blick. Sie suchen das Einverständnis, sind Ausdruck seines Begehrens, zu berühren und dazuzugehören.

Der besseren Gesellschaft lauerte Larry Fink auf ihren Partys, Bällen und Eröffnungen auf

Was läge näher, als die beiden Welten seines Werks zusammenzuführen? 1984 gab Fink sein Fotobuch „Social Graces“ heraus und stellte die Umgangsformen in den New Yorker Clubs der Reichen denen des ländlichen Amerikas gegenüber. Die einfachen Leute fand er in der eigenen Nachbarschaft, der besseren Gesellschaft lauerte er auf ihren Partys, Bällen und Eröffnungen auf. Wäre Fink ein schlechterer Fotograf gewesen, würde man sofort erkennen, wem seine Sympathien gehörten (im Vorwort sprach er von den „üppigen Falten und unerfüllten Leben“ der Oberklasse). Stattdessen legte er eine überraschende Sensibilität in alle seine Aufnahmen. Mit Polemik sei niemandem geholfen, fand er. Man muss die Reichen als soziale Norm verstehen und zeigen, damit die (für Fink skandalösen) Klassenunterschiede sichtbar werden.

Eine junge Frau lacht, im Hintergrund sitzt ein Kind.

Larry Finks „Oslin's Graduation Party, Martins Creek, Pennsylvania“ (1977)

Julian Sander zeigt in seiner Kölner Galerie jetzt eine Auswahl der für die „Social Graces“ entstandenen Aufnahmen – nicht alle davon gelangten in das mittlerweile als moderner Klassiker gehandelte Buch. Am Eingang begrüßt uns Finks Nachbarin, Jeanne Sabatine, in gelöster Feierstimmung (es ist Silvester), mit gelüpftem Hut und als Verkörperung bescheidener Freuden. Es folgen Gruppenporträts aus New York, Männer in Anzügen und Frauen in Abendkleidern, die Fink mit einem Handblitzgerät aus der Schwärze hob, um sie in einen engen Bildrahmen zu zwängen. Ganz bewusst verzichtete er darauf, das Hässliche und Dekadente am Schönen zu betonen. Stattdessen begnüge er sich damit, sich selbst (und damit die Betrachter) als Außenseiter zu inszenieren.

Es liegt eine nicht geringe soziale Sprengkraft darin, etwas als unerreichbar darzustellen – es macht wütend, so vorgeführt zu bekommen, dass man nicht dazugehört. Dabei haben die Partygänger auf Finks Aufnahmen oft einfach nur Spaß, wobei dieser scheinbar unschuldige (und von sozialen Nöten unbelastete) Spaß stets eine Spur Schamlosigkeit enthält. Die Reichen auf Finks Bildern können es uns nicht recht machen, denn dazu müssten sie aufhören, reich zu sein. Das ist so subtil eingefangen, dass man beinahe erschrickt, wenn Fink eine geballte Faust zeigt oder eine kopflose Frau, die Halskette und Dekolletee als Insignien einer vom „wahren“ Leben entfremdeten Gesellschaft trägt.

Rein formal macht Larry Fink keine Unterschiede zwischen Arm und Reich

Als Bindeglied zwischen der Frau, die beim Empfang der russischen Botschaft in Larry Fink den ungebetenen Eindringling erkennt, und den Sabatines von nebenan dient bei Sander die Aufnahme zweier Kellnerinnen; sie verfolgen das (unsichtbare) Treiben auf einem anderen russischen Ball mit einem wunderbar entgeisterten Zwillingsblick. Die normalen Leute wissen dagegen gar nicht, was ihnen entgeht. Sie leben einfach ihr Leben, und nie käme es ihnen in den Sinn, im Reichtum der anderen den Grund für die eigene Armut zu sehen. Für Fink, der aus einem bürgerlichen, marxistisch geprägten Haushalt kam, lag darin vermutlich das eigentliche Problem. Aber es seinen Nachbarn dafür heimzuzahlen, kam ihm trotzdem nicht in den Sinn.

Viel lieber zeigte er das alltägliche Chaos einer kinderreichen Familie oder das ungezwungene Lachen einer jungen Frau auf einer ländlichen Abschlussfeier. Rein formal macht Fink keine Unterschiede zwischen Arm und Reich: Auch die Sabatines sind eingezwängt in Vierecke. Aber man spürt die Dankbarkeit, dass sie ihn in ihr Leben gelassen haben. Diese Bilder sind beinahe privat, bei der New Yorker Oberschicht bleibt Fink dagegen heimlicher Gast halböffentlicher Veranstaltungen. Es ist nicht schwer, zu erraten, wo Larry Fink lieber dazugehörte.


„Larry Fink – Tough Cookie. Early Prints from the Gerd Sander Collection“, Galerie Julian Sander, Bonner Str. 82, Köln, Mi.-Fr. 10-18 Uhr, Sa. 12-16 Uhr, bis 30. November 2024.