Nach zehn Jahren endet „Land in Sicht“. In der Zeit hat sich die Szene in Köln sehr positiv entwickelt - auch dank der Literatur-Reihe, findet André Patten.
Lesereihe „Land in Sicht“Pioniere der Kölner Literaturszene
„Land in Sicht!“ - das ist seit zehn Jahren eine gute Nachricht für Literatur-Entdecker. Die Kölner Lese-Reihe präsentiert Texte jenseits von Bestsellerlisten und hat viele Schreibende bei ihren ersten Schritten in den Literaturbetrieb begleitet. Doch jetzt, nach insgesamt 55 Veranstaltungen ist Schluss: Am 17. Oktober gibt es die letzte Chance Land zu sehen – exakt zehn Jahre und einen Tag nach dem allerersten Mal.
André Patten ist zusammen mit Kevin Kader und Mario Frank noch vom ursprünglichen Gründungsteam übriggeblieben. Warum sie eine so erfolgreiche Marke aufgeben, die für junge Literatur in entspanntem Rahmen steht? „Natürlich hätten wir das auch einfach immer so weiterlaufen lassen können“, sagt der 38-Jährige. Aber bekanntlich soll man ja aufhören, wenn es am Schönsten ist: „Wir fanden es besser, das jetzt zu beenden, wo wir an einem Punkt sind, wo es wirklich eine tolle Sache ist und es uns und dem Publikum richtig gut gefällt.“
Außerdem, sagt er, sei so langsam einfach die Zeit vorbei, wo er und das Team noch nah an der ganz jungen Zielgruppe sind. Denn das war von Beginn an die Idee: Veranstaltungen aus der Szene für die Szene zu machen. Das war auch deswegen praktisch, weil sich viele Kontakte zu Nachwuchs-Autoren und -autorinnen fast von selbst ergeben haben – zum Beispiel in der Zeit als André Patten am Literaturinstitut in Leipzig studierte. Natürlich hat das Team auch vor zehn Jahren schon nach spannenden neuen Stimmen in Anthologien und Magazine gesucht. „Aber jetzt müssen wir einfach viel mehr investieren, um genau diese Leute zu finden, die wir für diese Reihe wollen.“
Über Geld hätten sie damals gar nicht nachgedacht: „Da sind wir erstmal total naiv rangegangen“. Schließlich hätten sie dann aber doch beim Kulturamt vorgesprochen, erzählt André Patten: „Die waren wirklich sehr zugewandt und sind dieser Reihe als Unterstützer immer treu geblieben. Ich glaube, man hat dort auch erkannt, dass diese Reihe auch ein guter Impulsgeber für die hiesige Kulturszene war.“
Als Location fand sich für die ersten Jahre das Café Fleur, das schon bei der ersten Veranstaltung „voll bis in die letzte Ecke“ war. „Wir waren sehr aufgeregt: Klappt das mit der Technik? Kriegen wir die Moderation hin? Und vor allem: Kommt da überhaupt jemand?!“ Danach seien alle glückselig gewesen: „Besser hätte es nicht laufen können.“
Ein bisschen Abschiedsschmerz und Nostalgie ist natürlich schon dabei – insgesamt aber blickt André Patten sehr zuversichtlich auf Köln als Literaturstadt. Damals, erzählt er, haben sie die Reihe aus der Not heraus gegründet - weil so etwas in Köln einfach fehlte: „Wir haben uns irgendwann mal darüber unterhalten, dass es toll wäre, wenn es hier in Köln ein Format gäbe, das sich auf jüngere Schreibende konzentriert.“ Ein Format, das Treffpunkt ist für Leute, die schreiben wollen oder sich einfach für Texte aus ihrer Generation interessieren - und „offen für alle möglichen Leute und unterschiedliche Textsorten.“ Das Publikum sollte einen Abend voller Vielfalt erleben und mit jedem Text „wieder in eine ganz neue Welt eintauchen“.
Die Idee, dass sie ja auch selbst so eine Lese-Reihe veranstalten könnten, hatten sie erst später. In Berlin habe es so etwas vor zehn Jahren schon gegeben, Köln habe zu der Zeit noch sehr unter dem Wegzug der Kreativen Richtung Hauptstadt gelitten. „Wir haben gefühlt, dass sich junge Schreibende eigentlich anderswohin gesehnt haben, und wir wollten dem auch ein bisschen entgegenwirken. Das hört sich jetzt groß an für so eine kleine Reihe, aber wir wollten denen einen Raum geben, mit Menschen, die so ähnlich ticken.“
Heute, findet André Patten, hat sich das Blatt gewendet: „Jetzt ist die Literaturveranstaltungs-Szene in Köln mindestens genauso vielfältig wie in Berlin - das ist eine Riesenüberraschung, eine solche Entwicklung hätte ich 2014 niemals erwartet.“
Ein bisschen sieht sich das „Land in Sicht“-Team auch als Wegbereiter für diese Entwicklung: „Ich glaube, dass das vielen geholfen hat, zu sehen: Hier ist etwas möglich, ich kann hier so etwas aufbauen – das geht nicht nur in Berlin oder Leipzig.“
Ganz wichtig seien aber auch die Impulse, die von zwei neuen Studiengängen ausgehen: Seit 2017 kann man an der Kunsthochschule für Medien den Studienschwerpunkt „Literarisches Schreiben“ wählen, seit 2018 gibt es an der Universität den Studiengang „Theorien und Praktiken professionellen Schreibens“.
„Das hört sich jetzt fast schon so väterlich an - aber es ist, glaube ich, gut, wenn jetzt neue Lese-Reihen wie die „Auswärtslesungen“ und „[in klammern]“ aus diesen Studiengängen heraus entstehen und der Nachwuchs seine eigenen Räume findet.“
Die Reihe „Land in Sicht“ hat also ihre Mission erfüllt. Trotzdem hält das Team weiterhin die Augen offen nach interessanten literarischen Stimmen – denn inzwischen hat sich der Verein „Land in Sicht“ gegründet. Ob „Short Story Night“, „Street Art Lesungen“ oder die Reihe „Zwischen den Klassen“ - es ist noch sehr viel Neuland in Sicht.
Am 17. Oktober feiert „Land in Sicht“ zehnjähriges Bestehen und gleichzeitig Abschied im Kulturraum 405 in Ehrenfeld (Venloer Straße 405). Mit dabei sind Martin Piekar, Leyla Bektas, Mirjam Kay Mashkour und Patrik Peyn. Start ist um 20 Uhr, Einlass ab 19.30 Uhr.
André Patten, geboren in Neuss, lebt in Köln und arbeitet freiberuflich als Literaturveranstalter, Literaturvermittler, Autor und Dozent sowie angestellt für die Deutsche Unesco-Kommission. Seit 2023 gehört er dem geschäftsführenden Vorstand der Literaturszene Köln an, seit September 2024 ist er zudem Sprecher der Sektion Literatur im Kulturnetz Köln. Für seine literarischen Arbeiten erhielt er verschiedene Preise und Stipendien.