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Lieblingsbücher 2024Persönliche Empfehlungen von prominenten Kölnern

Lesezeit 6 Minuten
So viele Bücher - aber welche sind gut?!

So viele Bücher - aber welche sind gut?!

Sie leben in Köln und lieben Literatur: Tarkan Bagci, Bettina Böttinger, Anne Gesthuysen, Volker Kutscher, Melanie Raabe und Christine Westermann erzählen, welche Bücher sie in diesem Jahr begeistert haben.

Fernsehmoderator, Podcaster und Autor Tarkan Bagci

Fernsehmoderator, Podcaster und Autor Tarkan Bagci

Dieses Buch hätte Tarkan Bagci gerne selbst geschrieben

Wenn's nach meinem Onkel ginge, müsste ich Ihnen mein eigenes Buch empfehlen. Er rät mir nämlich ständig, mich schamlos selbst zu „promoten“. Die Buchbranche sei hart, und jeder müsse sehen, wo er bleibt. Aber ich bin weder schamlos, noch war die Buchbranche bisher hart zu mir. Deshalb mein Kompromiss: Ich empfehle Ihnen kein Buch, das ich selbst geschrieben habe, sondern eines, das ich gern geschrieben hätte: „Wenn ich keinen Urlaub mache, dann macht es jemand anderes“ von Giulia Becker. Sie plant darin unter anderem ihre Beerdigung, erzählt von ihrem gescheiterten Flohmarktstand, oder gibt eine Anleitung fürs Wandern. Die Kurzgeschichten sind lustig, clever, originell und vor allem: poetisch. Aber nicht auf die anstrengende, eigennützige Art, sondern die angenehme, natürliche. Die Art, die man spürt, wenn man einen Sonnenuntergang sieht, oder faltige Hände, oder eine Katze, die einen Laserpointer jagt. Wer sich diese Dinge gerne anguckt, der wird auch das Buch mögen. Das ist mein Tipp! Auch wenn mein Onkel jetzt sicher schimpfen wird. Aber was weiß der schon? Er ist nur eine fiktive Figur, die ich für einen originellen Einstieg erfunden habe.

Tarkan Bagci ist Fernsehmoderator (unter anderem von „Wissen macht Ah!“), Podcaster („Gefühlte Fakten“) und (Comedy-)Autor. Zuletzt erschien von ihm „Heartbreak“ (dtv).

Giulia Becker: „Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes“, Rowohlt, 224 Seiten, 22 Euro.


Christine Westermann

Moderatorin, Podcasterin und Autorin Christine Westermann

Oben auf Christine Westermanns persönlicher Bestseller-Liste

Seit Tagen suchen sie Huberts Zähne. Alle machen ein Drama daraus, dabei haben sie in den vergangenen Monaten vier oder fünfmal seine Zähne gesucht. Und immer gefunden. Hubert ist 86 und war zeitlebens Bademeister. An sein Leben aber erinnert er sich nicht mehr. Gäbe es eine Note für Demente, wäre Hubert Klassenbester, glaubt Linda. Sie ist 15, betreut Hubert nachmittags. Vielleicht versteht sie sich so gut mit ihm, weil auch sie nichts mehr vom Leben will, sie plant, vor ein Auto zu laufen. Ein Buch über einen alten dementen Mann und eine junge Frau, die sich das Leben nehmen will. Warum soll man eine so rabenschwarze Geschichte lesen? Weil sie auf jeder der 317 Seiten hell und leuchtend daherkommt, getragen wird von einer zarten Fröhlichkeit, von witzigen Dialogen, bei denen man in sich hineinlacht. Die großen und kleinen Dramen im Leben von Menschen beschreibt. Leicht, aber nie leichthin. Auf meiner persönlichen Bestsellerliste 2024 steht der Roman ganz oben.

Christine Westermann ist Moderatorin, Buchkritikerin, Podcasterin („Zwei Seiten“) und Autorin.

Petra Pellini: „Der Bademeister ohne Himmel“, Kindler, 320 Seiten, 23 Euro.


Bettina Böttinger

Moderatorin und Produzentin Bettina Böttinger

Bettina Böttinger empfiehlt einen Roman und ein Sachbuch

In diesem Jahr muss ich meinen Buchtipp aufteilen. Mit Begeisterung habe ich den neuen Roman der Kölner Autorin Husch Josten gelesen. Sie erzählt so klug, so hintersinnig und humorvoll über Leben und Sterben. Und die Liebe natürlich... Eines meiner neuen Lieblingswörter: „Liebeskümmerlich“. Den Zumutungen des Lebens kann man nach dieser Lektüre gelassen entgegensehen. Es könnte schlimmer kommen!

Das Sachbuch „Die Achse der Autokraten“ der amerikanischen Journalistin und Historikerin Anne Applebaum macht deutlich, wie sehr Diktatoren auf dem Vormarsch sind, sich vernetzen, die Demokratie bekämpfen und eine neue Weltordnung anstreben. Wer die Welt in ihrem jetzigen Zustand verstehen will, sollte dieses erhellende Buch der Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels unbedingt lesen.

Bettina Böttinger ist Moderatorin (unter anderem bis 2023 „Kölner Treff“) und Produzentin.

Husch Josten: „Die Gleichzeitigkeit der Dinge“, Berlin Verlag, 224 Seiten, 22 Euro. Anne Applebaum: „Die Achse der Autokraten“, Siedler Verlag, 208 Seiten, 26 Euro.


Melanie Raabe

Autorin und Podcasterin Melanie Raabe

Für Melanie Raabe „eines der aufregendsten Bücher des Jahres“

Vor einigen Jahren habe ich diese junge Kollegin in Berlin kennengelernt und war sofort wahnsinnig angetan von ihrer Art, zu schreiben. Dementsprechend gespannt war ich auf ihren Debütroman, der dieses Jahr bei Rowohlt erschien. Darin folgen wir der Titelheldin Adikou, wie sie zwischen Paris, verschiedenen Orten in Togo und Ghana, New York und New Orleans umherreist, auf der Suche nach einer Identität. Sie begibt sich auf die Spuren ihres Vaters und dessen Familie – unbekannte Verwandte, die wie Geister über der Geschichte schweben. Raphaëlle Red erzählt so besonders und ihre Sprache ist so, zart, so kraftvoll, so eigen. Für mich ist „Adikou“ eines der aufregendsten Bücher das Jahres.

Melanie Raabe ist Autorin und Podcasterin („Raabe & Kampf“). Zuletzt erschien von ihr „Der längste Schlaf“ (btb).

Raphaëlle Red: „Adikou“, Rowohlt, 224 Seiten, 24 Euro.


Volker Kutscher

Volker Kutscher wurde mit seinen Rath-Romanen bekannt

Eine Kurzgeschichte in diesem Buch hat Volker Kutscher umgehauen

Ich bin, immer mal wieder, ein großer Fan von Stephen King. Er schreibt nicht immer gut, aber er schreibt viel, und wenn ihm eine Geschichte dann gelingt, haut sie einen regelrecht um. Das ist mir mit „Misery“ so gegangen, ebenso mit „The Green Mile“ und nun, ganz frisch mit seiner jüngsten Kurzgeschichtensammlung „Ihr wollt es dunkler“. Es sind sehr unterschiedliche Storys, alle haben ihren Reiz, aber eine überstrahlt alle: „Der Antwortmann“, ganz am Ende. Von allen Geschichten, die ich im Jahr 2024 gelesen habe, hat mich diese am meisten berührt. Wer King als Horror- oder Fantasy-Autor abtut und schubladisiert, hat ihn nicht verstanden. Er erzählt mehr über das Leben als die meisten seiner Kollegen (und Kolleginnen). Also: Verschenkt dieses Buch! Oder lasst es euch schenken. Allein schon der Antwortmann ist es wert.

Volker Kutscher wurde bekannt mit seiner Krimiserie um Kommissar Gereon Rath im Berlin der Dreißigerjahre. Die Reihe ist die Vorlage für die internationale TV-Serie „Babylon Berlin“. Gerade erschien der zehnte und letzte Rath-Roman.

Stephen King: „Ihr wollt es dunkler“, Heyne, 736 Seiten, 28 Euro.


Anne Gesthuysen

Anne Gesthuysen ist Autorin und Moderatorin

Anne Gesthuysen ist fasziniert von einem Gedankenexperiment

„Die Anomalie“ von Hervé Le Tellier ist schon vor ein paar Jahren erschienen, aber ich habe es in diesem Sommer gelesen und schon total vielen Menschen weiterempfohlen. Es geht um ein Flugzeug, das besetzt ist mit Menschen, die wir vorher in Form von kurzen Episoden kennengelernt haben. Dieses Flugzeug fliegt auf dem Weg von Paris nach New York durch einen elektromagnetischen Wirbelsturm mit heftigen Turbulenzen. Als alle wieder heile am Boden sind, wollen manche Passagiere nach dieser Grenzerfahrung sogar ein neues Leben beginnen. Doch dann landet drei Monate später dieselbe Boeing mit denselben Passagieren ein zweites Mal! Das heißt: Wir haben jetzt zwei Flugzeuge mit zwei Flugzeugbesatzungen und mit zweimal Passagieren – exakt dieselben Menschen.

Nicht nur der Secret Service in den USA ist völlig irritiert. Und in der Zwischenzeit ist bei denen, die drei Monate Vorsprung vor ihren Doppelgängern haben, natürlich auch schon etwas passiert: Manche haben sich getrennt, andere sind schwanger... Und dann stellt sich natürlich die Frage: Wer ist denn jetzt der Vater?! Passagier eins oder Passagier zwei?

In einer sehr skurrilen Szene werden Vertreter aller großen Religionen gefragt, bekannte Philosophen bis hin zu Wissenschaftlern und IT-Experten. Doch keiner weiß, wie so etwas passieren konnte. Und man kommt zu dem Schluss: Möglicherweise sind wir alle nur eine Computersimulation. Das scheint eigentlich die einzige sinnvolle Erklärung zu sein. Ich finde dieses Gedankenexperiment extrem spannend, mochte den Stil aber auch sehr gerne, wie liebevoll die Figuren gezeichnet werden. Es sind so tolle Typen, zu denen man sofort eine Beziehung hat – das ist sensationell.

Anne Gesthuysen ist Moderatorin und Autorin. Gerade ist von ihr „Vielleicht hat das Leben Besseres vor“ (Kiepenheuer & Witsch) erschienen.

Hervé Le Tellier: „Die Anomalie“, Rowohlt, 352 Seiten, 22/14 Euro (Taschenbuch).