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lit.Cologne 2025Was den Mythos der Tour de France ausmacht

Lesezeit 3 Minuten
André Greipel (links) und Stephan Klemm im Gespräch bei der lit.Cologne

André Greipel (links) und Stephan Klemm im Gespräch bei der lit.Cologne

Ex-Profi-Rennfahrer André Greipel und Journalist Stephan Klemm sprachen über die großen Geschichten der Tour de France.

Wer schon einmal über Paris Richtung Lyon in den Frankreich-Urlaub gefahren ist, der weiß, wie lang sich diese Strecke ziehen kann. 467 Kilometer, das ist selbst mit dem Auto nicht ohne. Bereits 1903 gab es aber ein paar Hartgesottene, die sich den Ritt auf zwei, statt auf vier Rädern angetan haben, ohne Gangschaltung, nachts, auf Schotter. Es war die Geburtsstunde der Tour de France, die erste Etappe des wichtigsten Radrennens weltweit. 

1903 wurde die erste Etappe der Tour de France zwischen einem Pariser Vorort und Lyon ausgerichtet

122 Jahre später ranken sich Mythen und Legenden um das drittgrößte Sportereignis des Planeten. Einige davon, wie die historischen Anfänge des Events, beleuchteten Sportjournalist Stephan Klemm sowie Ex-Radprofi und Sprintstar André Greipel bei der lit.Cologne im Comedia-Theater. 

Da mag sich der ein oder andere fragen, was Klemms Buch „Tour de France: Kein Berg zu hoch, kein Weg zu weit“ (2024), ein „Standardwerk zur härtesten Radrundfahrt der Welt“, bei einem Literaturfestival zu suchen habe. Schnell wird klar: Die Tour de France ist eine „Geschichten-Maschine“, eine „moderne Odyssee“ in 21 Kapiteln beziehungsweise Etappen. Die jährliche Neuauflage begeistert jeden Sommer Millionen, 2025 bereits in der 112. Ausgabe.

Du wirst dort gefeiert wie ein Rockstar, aber um ehrlich zu sein, ist es dir ab Tag zehn scheißegal
André Greipel, ehemaliger Radprofi

Einige dieser Radfans saßen am Donnerstagabend im Kölner Südstadt-Theater, es war ausverkauft – und es gab sogar eine Zusatzveranstaltung. Sie nickten wissend, manchmal erstaunt und lachten über Greipels Anekdoten: „Du wirst dort gefeiert wie ein Rockstar, aber um ehrlich zu sein, ist es dir ab Tag zehn scheißegal“, erzählt der elfmalige Etappensieger über die glorreichen Zeremonien nach zehrenden Rennen. Da werde man abgebrüht, manchmal bleibe dann auch das Adrenalin für den letzten Kick am Berg aus.  

Eigentlich hätte auch Sprintkollege Marcel Kittel für einen Blick hinter die Kulissen der Tour sorgen sollen. Er fiel krankheitsbedingt aus. Stattdessen lotsten Klemm und Greipel zu zweit durch die Tour-Kapitel, die tatsächlich klangen wie aus einem Helden-Roman.

Da war zum Beispiel von „Les géants“ („die Riesen“) und dem Mont Ventoux, einem „Gott des Bösen“, die Rede. Das sind die sagenumwobenen Berge, an denen sich die Fahrer Jahr für Jahr abquälen. Auch die Doping-Sünder, als „blinde Passagiere“ bezeichnete Klemm sie, waren kurz Thema. Obwohl die Tour seit 2013 offiziell als sauber gilt, sagte Greipel: „Es gibt mit Sicherheit auch heute noch schwarze Schafe.“ In 17 Profi-Jahren habe er sich selbst bewiesen, dass es auch ohne gehe.

Wie paradox der Hype um die Tour sein kann, auch darum ging es. Während in Frankreichs Straßenverkehr alles dafür getan werde, dass Autos möglichst langsam fahren, solle es auf dem Fahrrad immer schneller und spektakulärer werden. Da werden in den französischen Städtchen auch mal Verkehrsinseln und Kreisel umgebaut, erzählt Klemm – für ein einziges Rennen im Jahr.