David Sedaris stellte für die lit.Cologne Spezial am 12.09. in der Kölner Kulturkirche seine Bücher „Bitte lächeln!“ und „Kleine Happen“ vor. Der Autor entlockte seinem Publikum dabei mehr als ein Lächeln.
lit.Cologne Spezial mit David SedarisSo schreibt ein wahrer Menschenfreund
Wenn man sich ein Buch signieren lässt, bekommt man normalerweise ein Autogramm und ein paar liebe Worte. Nicht so eine alte Dame, die eine Lesung mit David Sedaris in Kalifornien besuchte. Weil sie sich nicht in der Schlange anstellen wollte, beschimpfte sie Sedaris als altenfeindlich und drohte sogar mit einer Klage. In ihrem Exemplar stand später: „Sie sind ein furchtbarer Mensch.“ Sie hielt es für einen Scherz und lachte.
Es ist eine Anekdote aus dem Buch „Bitte lächeln!“, eine Essay-Sammlung mit Geschichten aus seinem Leben. Für die lit.Cologne Spezial las der US-amerikanische Autor zusammen mit dem Kabarettisten Frank Goosen am Dienstagabend in der Kulturkirche in Köln daraus vor. Sie lasen auch aus „Kleine Happen“, in dem Sedaris sein Tagebuch literarisch verarbeitet.
lit.spezial mit David Sedaris in der Kölner Kulturkirche
Italienische Journalisten hätten „Bitte lächeln!“ immer wieder als fiktive Geschichte wahrgenommen, so berichtet Sedaris belustigt in Köln. Doch die Verwechslung ist dabei gar nicht so verwunderlich, das Buch ist szenisch und liest sich wie ein episodischer Roman. Seine Geschichten beobachten auf humorvolle Weise den Alltag. Dazu gehören auch die kleinen Freuden, etwa wenn Männer im Stehen zu Pinkeln als Ermächtigung wahrnehmen oder wenn Frauen nach einem Arbeitstag schon auf der Busfahrt nach Hause ihren BH ausziehen.
Im Buch stellt er auch private Momente seines Lebens wie in einem Schaufenster aus. Ist das ein Anflug von Mario-Barth-Humor, wenn er von Reibereien zwischen seiner Familie und seinem Partner Hugh erzählt? Oder von kindischen Momenten, wenn Hugh aus Frust seinen Partner aus der Wohnung aussperrt? Na ja, nicht wirklich. Auch wenn Hugh dabei nicht immer gut wegkommt: Sedaris stellt sich zusammen mit ihm ins Schaufenster, mit einer gehörigen Prise Selbstironie. Zum Beispiel hatte er schon immer Probleme mit seinen Zähnen. „Als die Pandemie anfing, hatte ich meine Zähne seit 40 Jahren nicht vom nahen gesehen. Auf Bildern lächele ich breit, aber mit geschlossenen Lippen, wie ein Peanuts-Charakter.“
„Bitte lächeln!“ ist ein autofiktionales Buch
Und der Schlusspunkt bleibt immer die gegenseitige Wertschätzung. Ein Beispiel: Hugh entdeckt wieder das Klavierspielen für sich. Seine Misstöne verteidigt er erst mit: „Ich kann nicht spielen, wenn du im Raum bist.“ Dann mit: „Ich kann nicht spielen, wenn du in der Wohnung bist.“ Am Ende kaufen sie das Apartment, das ein Stockwerk über ihrem liegt. Er muss ihn nicht jeden Moment um sich haben, erzählt Sedaris, und legt sich doch, ein Stockwerk von Hugh entfernt, auf den Boden, hält sein Ohr hin, um Hugh unter ihm spielen zu hören.
„Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich ihn liebe“, gesteht er bei seinem Auftritt. „Ich meine, natürlich tue ich es. Aber… ich brauche ihn.“ Er legt die Schwächen offen, die man als Liebhaber manchmal gerne verstecken würde. Erzählt von seinem Bruder Paul, der unter die Verschwörungsgläubigen ging und dort zum ersten Mal hörte, dass er klug sei. Oder kommentiert den Tod seines Vaters damit, dass Trump nun eine Stimme weniger bekomme. Trotz der ironischen Distanz und des Humors traut sich Sedaris auch an Empfindsamkeit, und glänzt dabei mit einer Ehrlichkeit, die wehtut und unterhält.
Der US-amerikanische Autor zeigt sich in Köln als Menschenfreund
Später eröffnet er dem Publikum die Chance, Fragen zu stellen – und schaut dabei mit einer freudigen Erwartung, die signalisiert, dass er sich ernsthaft für sein Publikum interessiert. Jemand fragt, ob einer der Personen schon mal wegen eines Auftritts in seinem Buch beleidigt war. In Wahrheit sei es umgekehrt und Leute hätten sich schon beschwert, weil sie nicht darin vorkamen.
„Ein gehöriges Maß an Misanthropie“ attestiert die lit.Cologne Sedaris' Buch auf ihrer Website. Das mag sich wahr anfühlen, wenn er in seinem Auftritt bei Bill Maher vorschlägt, dass, wenn Eltern schon nicht ihre Kinder schlagen wollen, es anderen erlaubt sein sollte, das zu tun.
In der ironischen Distanz zu sich selbst und dem Rest der Menschheit steckt viel Kritik. Doch wer mit derselben Schonungslosigkeit, die er gegenüber der Gegenwart aufbringt, seine eigene Geschichte erzählt, und mit ihr sein Publikum zum Lachen bringen kann, ist kein Misanthrop. Er ist ein Menschenfreund.
Zum Buch
David Sedaris: Bitte lächeln! (Originaltitel: Happy-Go-Lucky), aus dem Englischen von Georg Deggerich, Karl Blessing Verlag, 288 Seiten, 24 Euro.