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Gespräch über „Die drei ???“Andreas Fröhlich ist Detektiv „Bob Andrews“

Lesezeit 12 Minuten
Die Drei Fragezeichen

Nicht nur Kinder sind Fans der  „drei ???“, sondern auch Erwachsene hören ihre Geschichte gern.

  1. Andreas Fröhlich (52) bezeichnet sich selbst als Hörspieler. Er synchronisiert, spricht den dritten Detektiv in den „Drei ???“ und ist Leser von Hörbüchern.
  2. Als solcher erhält er am Dienstag den Deutschen Hörbuchpreis als bester Interpret.

KölnHerr Fröhlich, Sie bezeichnen sich als Hörspieler, sprechen auch Hörbücher und synchronisieren. Was fasziniert Sie daran, nur mit der Stimme zu arbeiten?

Ich verstecke mich sehr gerne. Ich bin nicht gerne unter Beobachtung. Eine solche Arbeit zu haben, erschien mir genau richtig. Ich finde es toll, mit nur einem Sinn, dem Hören, zu arbeiten. Ich kann da ja auch in unterschiedliche Rollen schlüpfen. Ich bin ein Geschichtenerzähler, das war schon in der Schule so, ich hab alle möglichen Figuren nachgemacht, war großer Loriot- und Otto-Imitator. Das kam an, das konnte ich gut. Ich fühlte mich immer wohl beim Erzählen.

Und natürlich hatte ich das große Glück, dass ich „Die drei ???“ machen konnte. Das ist eine Konstante, gleichzeitig konnten wir uns aber unglaublich ausprobieren. Wenn ich mir heute die ersten Folgen anhöre, bin ich entsetzt, wie unsicher und unverbraucht wir da klingen. Es gibt jetzt fast 200 Folgen „Die drei ???“, da kann ich eine akustische Biografie verfolgen.

Sie waren auch Schauspieler. Nun sind Sie ausschließlich Hörspieler. Haben Sie die Schauspielerei bewusst aufgegeben?

Ja, das war eine sehr bewusste Entscheidung. Ich bin da sehr früh reingerutscht, schon als Kind. Ich habe nicht nach dem Abitur entschieden, ich möchte jetzt auf eine Schauspielschule gehen und diesen Beruf lernen. Es war für mich immer selbstverständlich, auch Schauspiel zu machen. Aber ich habe das immer nur nebenbei gemacht. Schauspielerei war nie mein Traum.

Als ich in die Pubertät kam, wollte ich eigentlich Meeresbiologe werden. Als ich dann merkte, das klappt nicht so richtig, das ist nicht nur Tauchen und im Meer schwimmen, sondern man muss auch knallhart studieren, hab’ ich dann das Studium schnell wieder abgebrochen und mich gefragt, was kann ich denn eigentlich?

Fröhlich lässt lieber von sich hören

Und dann haben Sie es doch mit der Schauspielerei versucht?

Zu der Zeit konnte ich ein bisschen Synchron und ein bisschen Hörspiel. Dann hab ich erst doch mal Schauspiel versucht, aber ich habe schnell gemerkt, das ist gut, aber ich war nie der Vollblutschauspieler. Ich war nie der Mensch, der dachte, ich muss auf der Bühne stehen und das Publikum wartet nur auf mich. Ich habe mich immer am wohlsten gefühlt, wenn ich gelesen habe. Und ich habe viele Hörspiele gehört. Da dachte ich, Synchron hab’ ich schon mal gemacht, eigentlich ist das toll. Man sieht mich nicht, ich kann Filme gucken und muss nur sprechen, wenn die anderen die Lippen bewegen. Dabei habe ich mich sehr wohlgefühlt und das hat sich bis heute nicht geändert. Ich finde das wunderbar.

Andreas Fröhlich (52) bezeichnet sich selbst als Hörspieler.

Sie haben mit Hörspielen begonnen, sprechen heute aber auch viele Hörbücher. Wie unterscheidet sich diese Arbeit?

Es ist ein völlig anderes Arbeiten. Beim Hörspiel wird man für eine Rolle besetzt und muss sie dann zum Leben erwecken. Man ist nicht allein, ist Teil des Ensembles. Die Regie hat klare Vorstellungen, wie sich die Geschichte aufbaut. Man hat gar nicht so viel Einfluss. Man spricht mit dem Regisseur, bastelt an der Rolle, macht manche Szenen vielleicht sechsmal, wenn er nicht zufrieden ist. Und dann kommen die anderen Schauspieler dazu. Es gibt Musik, den Schnitt, das ist etwas völlig anderes, als allein ein Buch von vorne bis hinten mit wörtlicher Rede vorzulesen.

Wenn da plötzlich eine Frau spricht, kann man nicht sagen, das liest eine Frau. Man muss das ganze Buch klanglich so zum Leben erwecken, dass der Hörer dranbleibt und sagt, eigentlich könnte ich das selbst lesen, aber es macht mehr Spaß, sich das Hörbuch anzuhören. Ich versuche beim Hörbuch-Lesen die Geschichten nicht nur vorzulesen, sondern so zu erzählen, dass der Erzähler des Buches auch eine Rolle einnimmt.

Eine Stimme für viele Bücher

Muss man für jedes Buch einen eigenen Ton finden?

Das kommt drauf an. Wenn der Sprecher vom Autor die Möglichkeit erhält, die Haltung des Erzählers auch wirklich einzunehmen, dann hoffe ich, dass ich nicht immer gleich klinge. Als Hörspieler liegen mir die Geschichten, die in der ersten Person geschrieben sind, mehr, weil man sich da noch mehr einbringen und entwickeln kann. Es ist gut, nicht immer gleich zu klingen. Wenn ein Buch nicht so gut ist, oder die Übersetzung schlecht, dann rückt man davon ab und neigt irgendwann dazu, nur vorzulesen und nicht zu erzählen.

Sie erhalten den Deutschen Hörbuchpreis als bester Interpret für Ihre Lesung von Walter Moers’ „Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr“. Was gefällt Ihnen an seinen Büchern?

Dass sie eine totale Herausforderung sind. In erster Linie liebe ich ihn für seine unglaubliche Fantasie, mit der er seine Figuren durch seine Geschichten schickt. Es ist sehr anspruchsvoll für einen Sprecher, sich durch diese Sprachgebilde zu arbeiten. Passagen, die so geschrieben sind, dass man gar nicht weiß, wie man das aussprechen soll. Genau das ist das Tolle, man versucht, in dieses Buch einzusteigen. Ich muss mir einen solchen Text anziehen wie einen Anzug. Wenn ich dann merke, es passt, ich habe den Ton, ich habe einen Zugang, sehe die Figuren, macht es wahnsinnig Spaß. Auch wenn die Sätze ellenlang sind oder über Seiten Mondkrater aufgezählt werden. Man liest es nicht einfach runter, man ackert sich durch. Deshalb freue ich mich auch so über diesen Preis.

Deutsche Sprache, harte Sprache?

Es gibt viele Menschen, die sagen, der Klang der deutschen Sprache sei sehr hart. Empfinden Sie das auch so?

Nein, ich bin ein großer Fan der deutschen Sprache. Und ich bin ein absoluter Stimmenfan. Sie faszinieren mich. Ich achte bei Leuten, mit denen ich mich unterhalte, immer auf die Stimme. Ich habe die Angewohnheit, anderen nicht zuerst in die Augen zu gucken, sondern auf den Mund. Die Stimme ist für mich der erste Kontakt zu einem Menschen. Ich kann mich an Stimmen erinnern, kann sie mir vorstellen. Ich spiele Stimmen in meinem Kopf durch und kann sagen, ob sie auf eine Figur oder einen Schauspieler beim Synchronisieren passen. Ich bin vernarrt in Stimmen.

Wenn die Stimme für Sie so wichtig ist, um eine Person wahrzunehmen, wie gehen Sie dann damit um, dass beim Synchronisieren genau dieser Aspekt verloren geht?

Mittlerweile synchronisiere ich nicht mehr so viel. Ich habe zwei Schauspieler – Edward Norton und John Cusack – die ich synchronisiere, die machen aber gerade gar nicht so viel. Diese Arbeit hat sich mittlerweile sehr verändert, weil man nicht mehr so genau arbeiten kann wie früher. Der Zeitfaktor spielt eine große Rolle, weil Filme nicht mehr erst ein halbes Jahr nach dem Start in den USA bei uns laufen. Sie starten fast zeitgleich. Wenn früher Leute zu mir sagten: „Ich mag Synchronisation nicht, ihr beraubt den Schauspieler seiner Stimme. Außerdem sieht man immer, dass das nicht ganz lippensynchron ist, das lenkt ab. Ich will mich ganz auf den Film einlassen“, fand ich das immer blöd, weil ja meine Arbeit kritisiert wurde. Heute gucke ich selbst nicht mehr viele synchronisierte Filme.

Wobei in Deutschland doch eigentlich meist gut synchronisiert wird.

Das stimmt, aber ich bin in den 70er Jahren aufgewachsen, und die Synchronsprecher damals waren alle Schauspieler, häufig vom Theater, sie waren ausgebildet. Und daran fehlt es heute vielen Sprechern. Da entsteht nicht mehr die Illusion, dass der Film auf Deutsch gedreht wurde. Eine gute Synchronisation ist immer die, die nicht auffällt. Wenn der Zuschauer nicht darüber nachdenkt, ob die Stimme passt und er sich nur auf das Spiel der Schauspieler einlässt, dann habe ich einen guten Job macht. Da geht es übrigens eben auch wieder um das Verstecken.

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Sie haben jetzt schon zweimal gesagt, dass Sie sich gerne verstecken. Aber mit den „Drei ???“ treten Sie seit einiger Zeit vor Tausenden Fans auf. Wie passt das zusammen?

Das ist der Preis, den man zahlen muss, wenn man sich die ganze Zeit versteckt hat. Im Ernst: Es ist fantastisch und großartig. Man hat die ganze Zeit Hörspiel gemacht und dann erhält man die Möglichkeit, das vor Publikum aufzuführen. Aber ich muss nicht auf einmal den ganzen Text auswendig lernen. Bei den „Drei ???“ können wir den Text ablesen und wenn wir uns verlesen, kriegen wir Szenenapplaus. Wenn ich auf der Theaterbühne stehe und weiß meinen Text nicht, dann würden die Leute mich ausbuhen.

Die Einzigartigkeit der drei ???

Haben Sie eine Erklärung, warum das gerade in Deutschland so erfolgreich geworden ist, dass Sie heute ganze Stadien füllen?

Es gab damals nichts Vergleichbares. Wir waren zur rechten Zeit am rechten Ort. Die hätten auch andere Sprecher nehmen können, wir spielten am Anfang überhaupt keine Rolle. Wir klangen ganz nett und waren authentisch. Und unsere Stimmen waren unterschiedlich, man konnte uns gut unterscheiden. Dann hat sich das entwickelt. Und wurde irgendwann ein Selbstläufer. Auch weil eine so große Kontinuität bestand. Man hätte die Stimmen natürlich schon ab Folge 50 umbesetzen müssen, weil wir da schon viel zu alt waren. Weil wir das jetzt immer noch machen, ist es eine solche Konstante, dass man es immer noch hört. Es ist zudem immer noch dasselbe Team, dieselbe Regisseurin, dasselbe Studio. Und wir haben alle drei keinen anderen Berufsweg eingeschlagen, deshalb standen wir immer zur Verfügung. Es hat anscheinend irgendwie so sein sollen.

Sind Sie denn froh, dass sie Bob Andrews geworden sind? Passt er am besten zu Ihnen?

Der Witz ist, dass ich ursprünglich gar nicht Bob sein sollte. Ich sollte Peter sein. Wir kamen 1978 ins Studio für die allererste Folge, also vor genau 40 Jahren. Erschienen ist sie allerdings erst im Oktober 1979. Ich war damals zwölf Jahre alt, ich habe mich da nicht wirklich vorbereitet. Man hat im Studio den Text bekommen und hat das dann gelesen. Oliver Rohrbeck, den ich auch schon kannte, sollte Justus sein. Und Jens Wawrczeck sollte Bob sprechen. Es war nur leider so, dass ich wirklich nicht besonders gut lesen konnte. Ich konnte leise lesen, aber fürs laut lesen brauchte ich noch etwas. Ich war nicht so begabt wie die beiden anderen, die die Situation vom Blatt gleich mitgespielt haben. Und die Regisseurin Heikedine Körting, die mich extra aus Berlin hatte einfliegen lassen, dachte sich, dass sie jetzt diesen Typen an der Backe hat, der nicht in der Lage war, einen geraden Satz zu sagen. Und dann entschied sie spontan, dass Jens Peter sein sollte und ich Bob.

Warum?

Der taucht in der ersten Folge erst nach gefühlten 30 Minuten auf, weil er sich das Bein gebrochen hat, der durfte gar nicht mitermitteln. Ich sagte dann also meinen ersten Satz. War ich halt Bob. Wir haben an einem Tag zwei Folgen aufgenommen, an dem Wochenende die ersten vier Folgen und dann haben die die erstmal auf den Markt geworfen. Niemand hat damit gerechnet, dass sich das so entwickelt – es gab ja nicht mal ein Casting. Dann ging es aber weiter und es war klar, ich bin Bob. Und wenn ich mir jetzt vorstelle, ich wäre Peter, ist das völlig unmöglich. Ich bin Bob und bin es schon immer gewesen. Und ich bin auch insgeheim der Meinung, er ist der Beste. Was nichts mit mir zu tun hat.

Man nennt ihn auch Bob Andrews

Sie machen beruflich so viele unterschiedliche Dinge. Stört es Sie, dass die meisten Leute Sie vor allem als Bob Andrews wahrnehmen?

Die „Drei ???“ sind etwas Fantastisches. Es ist auch überhaupt nicht so, dass ich nicht gerne danach gefragt werde. Ich mag das total. Ich freue mich, dass das immer noch funktioniert und vor allem immer noch passiert. Da kommen Leute, die mit uns ihre Kindheit verbracht haben. Die freuen sich, dass wir das immer noch machen. Und ich freue mich, dass die das immer noch hören.

Wie ist es, wenn man weiß, dass so viele mit der eigenen Stimme im Ohr einschlafen?

Das ist total schön. Die steigen mit uns jede Nacht ins Bett, um sich in den Schlaf quatschen zu lassen. Es gibt Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan, die aus dem Gefecht kommen, sich mit zitternden Händen hinlegen und runterkommen wollen und dazu „Drei ???“ hören. Es hilft, einfach weil man damit emotional nach Hause kommt. Ich hörte auch mal eine Geschichte, wo ein Kind ins Koma gefallen ist und der Vater am Krankenbett stand und sich fragte, was er machen kann. Die Krankenschwester sagte ihm, er könne nichts machen, aber es bekomme mit, dass er da sei. Ob das Kind denn Hörspiele möge? Und er antwortete: „Ja, »Die drei ???«“. Dann hat er ihm jeden Abend eine Folge vorgespielt. Monate später ist der Junge aus dem Koma erwacht und wusste, dass er die ganze Zeit in Rocky Beach war. Ich habe eine Gänsehaut bekommen, als ich das hörte. Allein schon diese Geschichte zeigt mir, dass wir irgendwo da draußen sind und mit den „Drei ???“ Geschichten passieren.

Aber warum hören auch Erwachsene noch Kinderhörspiele?

Ich glaube, gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Welt so unsicher ist und es an allen Ecken kracht und knallt, sind die ein bisschen spießigen und altbackenen „Drei ???“ mit ihrem Abschlusslacher eigentlich genau das Programm, das man braucht, um zu entspannen. Es ist die heile Welt. Und in einer nicht so heilen Welt ist das genau das Richtige. Sie hatten zwar auch mal Freundinnen, aber man hat gemerkt, das funktioniert nicht. Und das waren nicht nur die Jungs, die gesagt haben, die sollen nur ihre Fälle lösen, es waren auch die Frauen, die das nicht wollten. Die Drei sind wie eine akustische Boyband, wenn die ein Mädchen an der Backe haben, fallen bei vielen Fans die Vorhänge. Sie funktionieren genauso. Sie sind ja auch noch nicht einen Tag zur Schule gegangen, sondern haben seit 40 Jahren permanent Sommerferien. Sie dürfen sich nicht wirklich verändern, dürfen auch nicht wesentlich älter werden. Das ist ja das Tolle: Im Hörspiel kann man alles behaupten. Sie sind eben immer noch 18 und nicht über 50 wie wir.

Und das funktioniert auch auf der Bühne?

Am Anfang hatten wir tatsächlich Angst, dass das nicht funktioniert, wenn die Fans dann drei ältere Männer mit Bauchansatz und Halbglatze sehen. Aber sie gucken an sich selbst runter und stellen fest: „Stimmt, die machen das seit 40 Jahren. Ich bin älter geworden und die eben auch.“ Und es funktioniert auch deshalb, weil wir das mit Ironie und Humor machen. Aber irgendwann wird es natürlich nicht mehr gehen. Wir werden ganz sicher nicht mit dem Rollator auf die Bühne kommen.