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Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei der phil.Cologne„Die Welt steht in Flammen“

Lesezeit 4 Minuten
Marie-Agnes Strack-Zimmermann sitzt bei der phil.Cologne auf der Bühne in den Balloni-Hallen.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei der phil.Cologne im Gespräch mit Florian Schroeder.

Gut gelaunt und gewohnt schlagfertig präsentiert sich Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei der phil.Cologne - und läutet dennoch die Alarmglocken.

Nun geht sie also nach Brüssel. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, eine der wenigen Frauen in der FDP, die im öffentlichen Diskurs eine Rolle spielen, kehrt Berlin den Rücken und widmet sich der Europapolitik. Da liegt für Florian Schroeder am Sonntagabend in den Balloni-Hallen eine Frage auf der Hand: „Sind mehr Menschen in Berlin froh, dass die Alte endlich weg ist, oder graut mehr Menschen in Brüssel davor, dass die Alte jetzt kommt?“ Eine interessante Frage sei das, bescheinigt ihm die Düsseldorferin, die ihm Rahmen der phil.Cologne nach Köln gekommen ist: „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie schon nach fünf Minuten so intelligente Fragen stellen - aber sie ist berechtigt.“ Es gebe wohl Menschen in Berlin, die glaubten, dass sie nun weg sei - und sicherlich freuten sich auch manche in Brüssel auf sie.

Der Ton für diesen sehr launigen, anderthalbstündigen Talk zwischen der Verteidigungsexpertin und dem Kabarettisten ist spätestens da gesetzt. Marie-Agnes Strack-Zimmermann - auf den Doppel-Vornamen besteht sie - beweist eindrücklich, warum sie so viele Fans hat - von denen sehr viele in die ausverkaufte Halle gekommen waren. Sie scheut sich nicht, ihre Meinung sehr klar und deutlich zu äußern.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann weiß, dass sie schon mal über das Ziel hinausschießt

Dass sie damit auch schon mal über das Ziel hinausschießt, weiß sie. Es sei etwa ein Fehler gewesen, für ein Foto auf der Münchner Sicherheitskonferenz kurz ein T-Shirt mit einem blauen Taurus auf gelbem Grund anzuziehen. Das sei aus dem Kontex gerissen worden. Sie sei in engem Kontakt zu vielen Ukrainern und die kompensierten die Kriegsrealität in ihrem Land mit Galgenhumor - aber das transportiere sich nicht über diese Fotos: „Es hat mir im Nachhinein leid getan, weil das Thema ernst ist.“ Das T-Shirt hat sie dem Haus der Geschichte in Bonn überlassen.

Es ist ein sehr unterhaltsame Abend, ein ständiger Schlagabtausch zwischen zwei eloquenten Menschen, die allerdings manchmal auch für einen guten Witz bereit sind, Tiefe und Differenzierung zu opfern. Es geht hier weniger um philosophische Betrachtungen, als um klare politische Botschaften. Als Schroeder mal mit Brecht - in Anspielung auf ihren missglückten Slogan „Oma Courage“ - oder später mit Hegel kommt, winkt sie ab. Das ist ihr zu theoretisch.

Ernst wird Strack-Zimmermann immer dann, wenn es um die Bedrohung der Freiheit geht. Es ist ein Kernbegriff der Liberalen, ein Kernbegriff für sie. „Ist die Freiheit den Menschen nicht zuzumuten? Ist sie zu schwer auszuhalten?“, will Schroeder wissen. Dem mag sie nicht zustimmen. Ja, wir seien bigott in unserem Umgang mit Freiheit, die wir auch auf dem Rücken anderer Regionen der Welt ausleben. Und ja, Freiheit könne anstrengend sein, aber sie sei die Antriebsfeder des Menschen. Problematisch sei vielmehr die Informationsflut, der wir heute permanent ausgesetzt seien. „Wenn Freiheit dazu führt, dass wir mit der Menge an Informationen nicht zurechtkommen, wird es bedrohlich.“

„Die Welt brennt lichterloh“

Nicht Russlands Überfall auf die Ukraine, nicht der Terror der Hamas am 7. Oktober markiert für sie die Zeitenwende, schon seit dem 11. September 2001 sei die „Verletzlichkeit der Freiheit“ überdeutlich. „Die Welt steht in Flammen“ und „Die Welt brennt lichterloh“ sagt sie mehrfach an diesem Abend. Und mit jemandem wie Putin sieht sie keinen Spielraum für echte Friedensverhandlungen, wie sie viele fordern. Über Sahra Wagenknecht will sie erst gar nicht reden. „Putin hat die Ukraine völkerrechtswidrig überfallen. Punkt. Sie hat das Recht, sich zu verteidigen.“ Putin könne den Krieg sofort beenden, in dem er die Kämpfe einstelle. Wenn die Ukraine aufhöre zu kämpfen, sei das Land innerhalb kürzester Zeit von der Landkarte verschwunden. Und wenn der Westen das zuließe, fühlte Putin sich bestätigt und mache einfach weiter mit seiner Politik.

Deshalb verwundert es auch nicht, dass sie Boris Pistorius für den besten lebenden SPD-Politiker hält, während sie an Olaf Scholz kaum ein gutes Haar lässt. Den Verteidigungsminister schätze sie sehr, er sei geradeaus. Seine Aussage, Deutschland müsse kriegstüchtig sein, sei richtig gewesen. Kriegstüchtig heiße ja nicht, dass jeder schon stramm stehe und das Gewehr anlege. Es geht um die Frage, ob wir uns darüber im Klaren sind, dass es „79 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zum ersten Mal wieder eine Gefahrenlage gibt, die nicht ausschließt, dass wir angegriffen werden“. Und die Angriffe seien ja schon da, durch Cyberattacken, durch das bewusste Auslösen von Fluchtbewegungen. „Sind wir bereit, unser Land, unseren Kontinent, diese Freiheit zu verteidigen? Sind wir resilient?“ Diese Frage müsse sich jeder stellen, jung wie alt, Mann wie Frau.