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McCartney, Schubert, Del ReyHoffnung – Zehn Berühmte Songs von Pop bis Klassik

Lesezeit 4 Minuten

Lana Del Rey.

Köln – In der christlichen Tradition hat die Hoffnung ihren bündigsten Ausdruck am Schluss des „Credo“ des katholischen Messordinariums gefunden: „Ich erwarte die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.“ Unüberbietbar eindringlich zwischen banger Ratlosigkeit und jenem Jubel, der die Hoffnung zur Gewissheit macht, hat Bach diesen Text in seiner h-Moll-Messe in Musik überführt.

„Hope of Deliverance“

Mit leichtem Samba-Schwung und lockerem Handklatschen stellt Paul McCartney in „Hope of Deliverance“ fest, was uns alle eint: Wir leben in der Hoffnung auf Erlösung. Wovon? „Von der Dunkelheit, die uns umgibt“. Das trifft im Moment doch wohl zu 100 Prozent zu. Vor ein paar Wochen behauptete übrigens gemeinerweise ein Tweet, dass man zur Melodie des Refrains auch sehr schön das Wort „Lockdownverlängerung“ singen könnte.

„Letzte Hoffnung“

Hoffnung kann auch – der Philosoph der Hoffnung, Ernst Bloch, hat immer wieder darauf hingewiesen – scheitern, vergeblich sein. Ein Komponist solch vergeblicher Hoffnung war Franz Schubert. Im Lied „Letzte Hoffnung“ aus dem Zyklus der „Winterreise“ wird die Hoffnung im Blatt eines Baumes verbildlicht, das im Wind schließlich abfällt – die Figuration des Klaviers setzt die torkelnde Fallbewegung um. Dieses Naturerlebnis bzw. seine gedankliche Übertragung setzt dann einen Ton verzweifelt-expressiver Klage frei. Hier gestaltet sich ein zutiefst romantisches Lebensgefühl: das der hoffnungslosen Unbehaustheit in dieser Welt.

„You Gotta Be“

Du musst tough sein, mutig und klug. Du musst stark sein. Aber auch cool, ruhig und gefasst. Puh. Das ist schon ein ganzer Katalog an Anforderungen, den die zu Unrecht etwas vergessene britische Soul-Chanteuse Des’ree in ihrem federnden 1994er Hit „You Gotta Be“ da mantraartig absingt.

Die britische Soul-Chanteuse Des’ree.

Aber noch bevor sich der Hörer entscheiden muss, ob das nun Selbsthilfeseminar oder doch eher Wehklage ist, fügt die Sängerin die alles entscheidende Zeile hinzu: „All I know is, love will save the day.“ Na, dann. Was sollte uns auch sonst retten?

„Veni, creator spiritus“

Unmittelbar mit Pfingsten und der Pfingsthoffnung verbunden ist Mahlers achte Sinfonie: Der erste Satz ist eine Vertonung des aus dem 9. Jahrhundert stammenden Hymnus „Veni, creator spiritus“. Sie startet mit einer Chorexplosion in Es-Dur und gipfelt zum Schluss hin ekstatisch auf. Der affirmative, kunstreligiöse Weiheton rief freilich auch Spötter auf den Plan. Komm, Schöpfer Geist? „Aber wenn er nun nicht kommt?“, fragte etwa hämisch der Mahler-Verächter Pfitzner.

„I Think It’s Gonna Rain Today“

„I Think It’s Gonna Rain Today“ stammt von Randy Newmans 1968er Debütalbum und zeigt bereits die ganze Meisterschaft des Songwriters. Zu einer heiteren, fast süßlichen Melodie singt er von äußerster Verlassenheit. Der Erzähler sieht zerbrochene Fensterscheiben und Vogelscheuchen, die mit der neuesten Mode behangen sind.

Die amerikanische Pianistin und Jazz-Sängerin Nina Simone.

„Die Menschenliebe fließt über“, stellt er sarkastisch fest. „Ich denke, es wird heute regnen.“ Allerdings geschieht etwas Erstaunliches, wenn Nina Simone im Jahr darauf den Song allein am Klavier interpretiert: Ein Schimmer durchbricht die Zerknirschtheit, der erwartete Regen ist keine Sintflut mehr, sondern reinigender Guss. Wer in diesem Wetterbericht einer geschundenen Seele Hoffnung findet, der findet sie überall.

„Fidelio“

Fragt man nach dem klassischen Musikwerk, in dem sich der Hoffnungsgedanke exemplarisch verdichtet, dann muss die Antwort wohl lauten: Beethovens Oper „Fidelio“. Es geht in ihr nicht um eine transzendentale, sondern um eine in jeder Beziehung diesseitige Hoffnung–auf die Befreiung von politischer Unterdrückung. Zwei Nummern – die große Leonrenarie und der Gefangenenchor – stellen den Begriff Hoffnung ausdrücklich ins Zentrum.

„Hoffnung“

Im April 2020, mitten im Schock des ersten Lockdowns, veröffentlichten Tocotronic mit „Hoffnung“ ein Stück klanggewordenen Trosts. Zu einer simplen Gitarrenmelodie und himmelsstürzenden Streichern beschwört Dirk von Lowtzow „in jedem Ton liegt eine Hoffnung, auf einen neuen Zusammenhalt“, singt von Angst und Ausweglosigkeit. Aber auch von rettender Zweisamkeit und schon von Aktion und Neuanfang.

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„An die Hoffnung“

Hölderlins Gedicht „An die Hoffnung“ gehört zu den berühmtesten poetischen Texten zum Thema und wurde mehrfach vertont – unter anderem von Hanns Eisler 1942 im Hollywood-Exil.

Der deutsche Komponist Hanns Eisler.

Es entstand somit in einer Phase, da der einstweilige Siegeszug der Hitler-Armeen für den emigrierten Kommunisten und Schönberg-Schüler wenig Anlass zu Hoffnung bieten mochte. Der Musik hat sich diese Konstellation eingeschrieben: Eisler wählt, respektlos genug, aus dem Gedicht nur Bruchstücke, wobei ausgerechnet die Frage „Wo bist du?“ wiederholt wird. Hier wird also gesucht, aber nicht unbedingt gefunden.

„Hope Is a Dangerous Thing for a Woman Like Me to Have“

Hoffnung zu haben, das sei für eine Frau mit ihrer Vergangenheit eine gefährliche Sache, singt Lana Del Rey in diesem Bekenntnisstück, in perfekter Rollenprosa einer Film-Noir-Heldin. Aber sie schont sich nicht, es geht um ihren Alkoholismus, um falsche Freunde und existenzielle Verzweiflung.

Lana Del Rey.

Da ist Hoffnung eine Zumutung: Doch die letzten von „Hope Is a Dangerous Thing for a Woman Like Me to Have“ lauten: „But I have it/ Yeah, I have it“.