Der Kölner Medienwissenschaftler Martin Andree warnt: Trumps Wahlsieg könnte auch gefährliche Konsequenzen für Mediennutzung in Europa haben.
Medienmacht in den USA gefährdet Europa„Ich hoffe, dass wir langsam aufwachen!“
Herr Andree, ist Donald Trumps Sieg auch ein Sieg über die traditionellen Medien? „You are the media now“ schrieb Elon Musk auf seiner Plattform Twitter nach dessen Wahlsieg.
Martin Andree: Das Bündnis von Musk und Trump hat den republikanischen Zustimmungswerten definitiv geholfen. Und von daher kann ich diese Einschätzung aus Sicht von Elon Musk durchaus nachvollziehen – auch wenn mir das Ergebnis nicht gefällt. Besonders schrecklich ist, dass der reichste Mann der Welt sich als Befreier der Unterdrückten gegen die vermeintlich staatlich kontrollierten redaktionellen Medien inszeniert – und damit durchkommt.
Für das Gewinnen von Wahlen spielen die traditionellen Medien also kaum noch eine Rolle?
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Wir sehen allgemein, dass das politische Agenda-Setting längst auf den digitalen Kanälen stattfindet. Das haben wir auch zum Beispiel am Vormarsch der AfD in den letzten Jahren beobachten können.
Konzerne wie Alphabet oder Meta beherrschen die digitalen Medien – wie groß könnte Trumps Einfluss auf diese Konzerne werden?
Genau das ist der Grund, aus dem ich schon seit vielen Jahren die digitalen Medienmonopole kritisiere. Denn kein Szenario ist natürlich schlimmer, als dass Medienmonopole in die Hände von antidemokratischen politischen Kräften gelangen. Wenn Trump die US-amerikanische Demokratie in den folgenden Monaten abbaut, können wir davon ausgehen, dass er natürlich auch versuchen wird, sich Zugriffe auch auf andere monopolistische digitale Ökosysteme zu verschaffen. Und besonders bedrohlich ist, dass wir in Europa von denselben Plattformen abhängig sind.
Wenn Trump Einfluss auf Alphabet oder Meta hätte, welche konkreten Konsequenzen könnte das haben?
Wir wissen ja spätestens seit 2013 aus der NSA-Affäre, dass solche Instrumentalisierungen der Plattformen für die Öffentlichkeit nicht erkennbar sind. Das heißt, wir würden in Europa davon überhaupt nichts erfahren. Und deswegen ist auch die Frage nicht zielführend, ob zum Beispiel Zuckerberg nicht so böse ist wie Musk. Ein ähnliches Argument wäre ja: Man braucht keine Demokratie, wenn der König gut ist. Doch solche Akkumulationen von Macht sind im Fall von Medienmonopolen grundsätzlich abzulehnen. Damit es eben nie zu einem Missbrauch kommen kann.
Haben wir in Deutschland Trumps eigene Plattform Truth Social unterschätzt?
Truth Social ist ein spezieller Fall, weil diese Plattform Trumps Antwort auf seine Stilllegung durch die Tech-Konzerne nach dem Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 war. Deswegen ist es in der Tat überheblich, wenn deutsche Medien sich zum Beispiel in der Vergangenheit über den mangelnden ökonomischen Erfolg mokiert haben. Denn die zentrale Funktion der Plattform für Trump bestand darin, sich gegen eine mögliche Stilllegung durch andere Tech-Konzerne zu immunisieren. Seine zehntausenden stärksten Follower konnten seine Inhalte so auch über Truth Social auf die anderen Plattformen verteilen. Genau das hat die Plattform auch geleistet und von daher war das für ihn ein sehr kluger Schachzug.
Ist Trumps Wahl ein Weckruf, die Regulierung der großen Medienkonzerne nicht länger zu verschlafen?
Mir ist es persönlich unerklärlich, warum wir auf diesem Feld so naiv sind und nichts tun. Ich arbeite seit 15 Jahren an dem Thema und finde überhaupt erst Gehör, seitdem Elon Musk Twitter gekauft hat. Erst jetzt gibt es eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema. Und deswegen hoffe ich natürlich, dass diese viel weitergehende Instrumentalisierung, die wir jetzt erleben, und die massive Erosion der Demokratie, die wir in den USA in Zukunft befürchten müssen, auch dazu führt, dass wir langsam aufwachen und uns dämmert, was hier vor sich geht.
Und die massive Erosion der Demokratie in den USA könnte auch Nämliches in Europa nach sich ziehen?
Ja, denn anders als während der letzten Präsidentschaft Trumps haben wir in vielen europäischen Ländern jetzt sehr starke rechtspopulistische Gruppierungen, die natürlich von dieser Dynamik profitieren werden.
Sehen Sie die Pressefreiheit mit Trump als Präsident gefährdet?
In der Vergangenheit war Pressefreiheit typischerweise durch staatliche Interventionen gefährdet. Heute ist die Medienfreiheit auf eine viel fundamentalere Art und Weise gefährdet, weil ganz wenige Tech-Konzerne über Digitalmonopole verfügen und sie weitgehend unabhängig gestalten können.
Und nun haben wir also bald gefährliche Digitalmonopole plus einen Präsidenten Trump – was könnte sich aus dieser Kombination ergeben?
Dass eine solche Verbindung irgendwann zustande kommt, habe ich in meinem letzten Buch vorhergesagt. Denn Medienmonopole sind natürlich immer ein attraktives Ziel für mächtige Akteure aller Art. Entweder werden sie von den Eigentümern selbst missbraucht oder übelwollende politische Akteure versuchen, dieser habhaft zu werden. Von daher ist das eigentlich nur ein Ereignis, von dem man sowieso früher oder später ausgehen musste.
Egal wie dieser Mensch dann heißt ...
Genau deswegen geht auch die Zuspitzung auf Trump am eigentlichen Problem vorbei. Nur weil wir beispielsweise Kamala Harris sympathischer finden, macht das Medienmonopole ja nicht besser. Die sind immer inakzeptabel, wenn die Medien als Grundlage der Demokratie ihre Unabhängigkeit verlieren. Und das kann von staatlichen Akteuren ausgehen. Es kann auch von religiösen Gruppen ausgehen, es kann aber eben auch von Privatunternehmen ausgehen oder Unternehmern, wie in diesem Fall Elon Musk.
Wären öffentlich-rechtliche Soziale Medien eine Lösung?
Unter den momentanen monopolistischen Bedingungen, die die Zugangsmöglichkeiten extrem einschränken, sind die Erfolgsaussichten neuer alternativer Plattformen sehr gering. Anders wäre es, wenn wir die digitalen Märkte öffnen. Dann hätte auch eine öffentlich-rechtliche Plattform eine realistische Chance.
Martin Andree ist Medienwissenschaftler, er forscht an der Universität Köln und unterrichtet im Schwerpunkt Digitale Medien. Sein „Buch Big Tech muss weg. Die Digitalkonzerne zerstören Demokratie und Wirtschaft – wir werden sie stoppen“ ist 2023 im Campus Verlag erschienen.