Hier erzählt die Kölner Innenarchitektin Monika Lepel, was sie an der Kölner Kultur schätzt, welche Orte ihr besonders am Herzen liegen und gibt Tipps für den Juni.
„Mein Kulturmonat“ mit Monika Lepel„Wenn man Köln als Wohnung sehen würde, müsste man mal aufräumen“

Innenarchitektin Monika Lepel auf der Dachterrasse ihres Büros im Clouth-Quartier in Nippes.
Copyright: Arton Krasniqi
Was ich an Köln so liebe, ist das ausgeprägte Wir-Gefühl. Kultur ist alles, was eine Gesellschaft zum gemeinsamen Leben aber auch Überleben braucht. Der Kunsttheoretiker Bazon Brock hat das mal so beschrieben: Kultur ist Überlebenskampfgemeinschaft. Damit unterscheidet sie sich von der Zivilisation. Er sagt, Kulturen sind Gemeinschaften, die Verbindungen zu anderen Kulturen sind Zivilisation. Nicht zuletzt durch den Karneval und unsere Mentalität hier haben wir in Köln eine erkennbare und bis zur Besoffenheit selbst gefeierte Kultur. Die lässt uns aber offen sein für andere. Nur dieses starke Wir-Gefühl ist die Grundlage, um andere zu integrieren. Das macht mich persönlich immer wahnsinnig stolz auf Köln.
Als Ort liebe ich zum Beispiel das Sternwellenzelt im Rheinpark: Es ist sichtbar, offen und schön. Frei Otto hat es auf eine bestehende Tanzfläche gesetzt und damit einen zauberhaften Ort zwischen Himmel und Erde geschaffen, den wir hier haben und wertschätzen dürfen. Als Innenarchitektin interessieren mich solche Orte, an denen man sich innen fühlt, aber trotzdem in der Stadt ist. Gerade jetzt im Juni, wo das Leben viel draußen stattfindet, ist ein guter Zeitpunkt, um nochmal einen Blick darauf zu werfen, was in der Stadt gelingt, was schön ist und welche Orte angenehm zum Verweilen sind, auch, ohne dass man etwas dafür bezahlen muss oder in der Hitze verbrüht.
Ikonische und verborgene Orte in Köln
Ikonische Beispiele in Köln sind das Kolumba-Museum und das Museum für Angewandte Kunst mit ihren wunderbaren Innenhöfen, aber auch Orte wie die Kirche St. Gereon, eine der ältesten europäischen Kirchen. Es ist der Hammer, dass dieses Kleinod da so verborgen liegt. Der Außenraum mit dem Vorbereich ist wohltuend, fast intim proportioniert und bietet Schatten. Auch die Piazzetta im Historischen Rathaus ist ein Ort für die Stadtgesellschaft, der ganz großartig funktioniert. Dorthin kann man mittlerweile auch Führungen buchen. Neben dem Podest für die Piazzetta haben wir mit unserem Büro auch den Hansasaal im Historischen Rathaus saniert – ein Projekt, das mir sehr am Herzen liegt. Das war eine große Ehre und Verantwortung, was aber nicht dazu geführt hat, dass wir ängstlich agiert haben.
Als Innenarchitektin will ich die Welt gestaltend verbessern.
Als Innenarchitektin will ich die Welt gestaltend verbessern. Das heißt, dass es nicht öde, feige, dumm oder billig wird, sondern inspirierend, erfreuend, stärkend. Der Hansasaal war bereits durch die historischen Merkmale vollständig gestaltet, außer dem ärmlichen Fliesenboden mit Baumarkt-Feeling. Da war mir klar: hier habe ich nur einen Schuss frei –und das ist der Boden. Mit dem großen Würfelparkett, einem Renaissance-Boden, den es schon bei den Römern gab, haben wir zusammen mit der Stadt eine mutige Entscheidung getroffen. Damit wollte ich diesen historischen Ort auch im Innenraum kontextualisieren –römische Gründung, Renaissance-Gebäude – und dem Raum Frische und ein Thema geben, ihn formal zusammenbinden. Das ist etwas, was Innenarchitektur kann: keine Angst vor Komplexität im Raum zu haben, sondern das Ganze als Netz, als Zusammenhang zu begreifen.
Stadtwald und Grüngürtel: Eine kulturelle Spitzenleistung
Auch Stadtwald und Grüngürtel sind solche sicheren, kostenfreien, schönen, klimatisch wohltuenden Orte in der Stadt. Der Grüngürtel ist für mich eine kulturelle Spitzenleistung, die vor 130 Jahren beschlossen wurde. Das hat sich nicht einfach ergeben, sondern da gab es einen politischen Willen, mehrfach, durch verschiedene Jahrzehnte. Und die Anlagen werden durch die Stiftung Kölner Grün gepflegt. Heute nehmen wir sie nicht mehr so wahr, weil es sie schon so lange gibt, aber all das war mal eine riesige Baustelle. Da standen mal winzig kleine Bäume, es sah noch nicht toll aus.
Das zeigt uns: Wir müssen viel mehr generationenübergreifend denken und planen. Manches ist eben auch sehr mühevoll in der Stadt. Aber da muss man die Mühe für ein gutes Ergebnis auf sich nehmen. Nichts geht ohne Mühe, in der Architektur schon gar nicht. Es ist anspruchsvoll, mühsam, aufwendig und teuer. Und hinterher lohnt es sich. Dafür stehe ich auch als Innenarchitektin, dass etwas im Prozess ist und überarbeitet, angepasst, umgenutzt, erweitert, verschönert, technisch saniert wird – mit dem, was da ist, etwas Gutes zu machen. Das kann Köln eigentlich, weil wir so viel alten Kram im Boden herumliegen haben.
Nichts geht ohne Mühe, in der Architektur schon gar nicht.
Im Grüngürtel gibt es den Festungsring, ein sehr gutes Beispiel für den kulturellen Shift von Verteidigung und Sicherheit, zu Freizeitanlagen. Im Fort X hat mein Mann Fahrradfahren gelernt, in Müngersdorf ist jetzt ein Schulgarten. Das sind so tolle Orte in Köln, die den kulturellen Wandel einer Stadt aufzeigen, denn Kultur heißt nicht festhalten, sondern fortschreiben und transformieren.
Was Köln auch sehr lebenswert macht, ist, dass wir durch die Offenheit eine sehr starke kulturelle Bereicherung erleben. Ich selbst habe eine Zeit lang Salsa getanzt. Da ist in Köln wirklich viel los, beispielsweise bei Radio Sabor. Es gibt wahnsinnig viele Communities, die sich zum Tanzen treffen. Salsa ist ein sozialer Tanz und macht unfassbar viel Spaß. Dass eine Stadt zu solchen sozialen Interaktionen einlädt, tut auch Menschen gut, die einsam sind, oder nicht viele Kontakte haben.
Blick vom Deutzer Ufer: Kölns Perlenkette von Weltarchitekturen
Auch einfach in der Stadt zu sitzen, finde ich wohltuend. So erlebe ich selbst andere Städte, indem ich mir Zeit nehme, mich einfach hinzusetzen und zu schauen. Deswegen bin ich auch sehr dankbar für die Stufen auf der Deutzer Seite. Als Kind, wenn wir Gäste hatten, fuhren wir erst mit ihnen an diese Stelle, an der damals nur Schutt und Asche waren, und mein Vater zeigte den Gästen dann den Blick auf Köln: Groß St. Martin, der Dom, St. Kunibert – diese ganze Perlenkette von Weltarchitekturen, zu der jetzt noch der Rheinauhafen dazukam.
Das Lässige wird in Köln oft zum Nachlässigen.
Natürlich gibt es leider auch Schmerzpunkte in Köln, weil das Lässige oft zum Nachlässigen wird. Kultur braucht aber auch Klarheit und Fleiß. Für mich persönlich stellt sich dann immer die Frage: Sehen und ermöglichen wir Schönheit? Denn die ist in meinen Augen auch ein Messwert dafür, was das Richtige ist. Das macht sich an Orten und Ausstattung fest. Wenn man Köln als Wohnung sehen würde und die einzelnen Plätze als Räume, dann müsste man mal aufräumen. Man müsste Köln wirklich dringend mal ausmisten.
Warum muss beispielsweise das, was so viele benutzen, unter der Erde sein, nämlich die Straßenbahn? Warum verlegen wir nicht einfach die Autos unterirdisch, weil wir sie überhaupt nicht mehr sehen wollen? Bestes Beispiel dafür ist Bordeaux. Die Stadt hat es geschafft, die Autos unterirdisch zu organisieren. Man sieht kaum Autos in der Stadt, die Menschen teilen sich den Raum mit den Fahrradfahrenden und den Straßenbahnen, ohne Absperrung. Köln ist dagegen die Welthauptstadt der Pöller. Auch die Verkehrswende ist eine kulturelle Frage – mit dem Ziel, den Stadtraum wieder als Kulturraum zu begreifen.
Monika Lepel führt mit ihrem Mann Reinhard Lepel seit 1994 das Büro „Lepel & Lepel“ für Architektur und Innenarchitektur in Köln. Sie ist Mitglied im Bund Deutscher InnenarchitektInnen und engagiert sich als Mentorin beim deutschlandweiten Netzwerk „Plan M“ für junge Architektinnen.
Vier Kulturtipps von Monika Lepel für den Juni
Innenarchitektur-Führungen durch Köln: Das bundesweite Festival „Women in Architecture“ will vom 19. bis zum 29. Juni mit zahlreichen Veranstaltungen die Leistungen von Frauen in der (Innen-)Architektur und Diversität in der Baukultur sichtbar machen. Um die oft verborgene Innenarchitektur öffentlich zu machen, bietet der Bund Deutscher InnenarchitektInnen Stadtführungen durch Kölns Innenräume mit mir und weiteren Planerinnen an. Freitag, 27. Juni, um 14 und 17 Uhr. Treffpunkt: Fachbibliothek in der ehemaligen der Herstatt Bank, Enggasse 3a, 50667 Köln. Um Anmeldung unter www.bdia.de wird gebeten.
„Die Lücke 2.0“ im Schauspiel Köln: widmet sich dem Nagelbomben-Anschlag 2004 in der Keupstraße. Ich finde, da dürfen wir als Kölner Stadtgesellschaft sehr daran festhalten, dass wir nicht zustimmen, wenn unsere Kultur der Vielfalt in so schlimmer Weise beschädigt wird. Das Stück beginnt um 18 Uhr mit einer Führung über die Keupstraße, bevor um 20 Uhr die Theateraufführung weitergeht. Im Juni wird es zum letzten Mal aufgeführt, für den 9. gibt es noch Karten.
Gemeinsam Müllsammeln: Zur Kultur gehört auch die Pflege. Alle zwei Wochen gibt es von Zero Waste Köln e.V. im Rheinpark einen Feierabend Clean-up, bei dem jeder mitmachen kann. Ich finde das ganz toll und viele berichten, dass man beim Mülleinsammeln Freundschaften schließt. Am 4. und am 18. Juni, jeweils ab 17 Uhr, Treffpunkt: unter der Zoobrücke im Rheinpark.
„ER*Wachen“-Konzert in St. Gereon: Das Ensemble MAM.manufaktur für aktuelle Musik spielt am 24.6., um 22 Uhr, ein Stück von Karl-Heinz Stockhausen - also aktuelle Musik im historischen, räumlichen Kontext.