Joscha Oetz, Leiter der Jazzhausschule, erzählt von der Kölner Musikszene und gibt persönliche Tipps für den Februar.
Mein Kulturmonat„Wir brauchen eine Vision für die Kultur dieser Stadt“
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Joscha Oetz in der Jazzhausschule in der Eigelsteintorburg.
Copyright: Arton Krasniqi
Ich bin in Köln geboren und aufgewachsen – das ist gerade unter Jazzmusikern eher ungewöhnlich, die aus allen Ecken der Welt hierhin kommen. Schon als Kleinkind haben meine Eltern mich immer mitgenommen zur „Matinee der Liedersänger“ des WDR. Das war eine Reihe von im weitesten Sinne Folkmusik im Funkhaus. Ich weiß, dass ich da südafrikanische Musik gehört habe, aber auch die Dubliners - also wirklich querbeet. Da hat es eigentlich schon angefangen, dass dieses Live-Erlebnis für mich wichtig geworden ist.
Ein musikalisches Schlüsselerlebnis war für mich ein Konzert in der Sporthalle 1981 – da war ich Zehn. Meine Mutter hat mich zu einem Doppelkonzert von Santana und Frank Zappa mitgenommen. Santana war schon toll, aber Frank Zappa hat mir ein ganz neues Universum eröffnet. Das hat alles geändert.
Schon als Teenager war ich dann immer im Stadtgarten und habe mich da als Teil des Publikums ausgebildet - so sehe ich das wirklich. Diese Jazzkonzerte und Konzerte improvisierter Musik, die ich auch im Loft in Ehrenfeld gesehen habe, waren für mich ganz wichtig.
Und tatsächlich bin ich ein richtiges Jazzhausschule-Gewächs. Anfang der 1980er Jahre habe ich bei einer Teen-Band mitgemacht, damals noch im Bayenturm in der Südstadt. Ich hatte vorher ein bisschen Gitarrenunterricht, aber dann so alleine zu üben - das ist ja nicht unbedingt das normale Verhalten eines Teenagers. Als ich dann in dieser Band gespielt habe, auch mit Kumpels – da ist es dann für mich losgegangen.
Die Kölner Szene hatte in den 90er viel zu bieten
Nach dem Abitur habe ich zwei Jahre in Essen an der Folkwang Hochschule studiert und ich will jetzt nichts Schlechtes über Essen sagen, aber ich würde das mal so formulieren: Es hat mich dann doch sehr nach Köln zurückgezogen. Ich bin dann an die Musikhochschule gewechselt - das war eine freie Zeit, wo sich alles sehr schön verbunden hat: das Lernen im akademischen Kontext und das Lernen in der Praxis auf der Bühne, in der Szene. Und auch was Köln damals zu bieten hatte, war sehr speziell. Im Keller des Stadtgartens gab es damals das „Schmuckkästchen“, wo jetzt das Jaki ist. Das war so ein richtiger Wohlfühlort, wo sich nicht nur die Jazzer getroffen haben. Es gab dort auch richtig gute DJs, die teilweise aus dem Umfeld des Kölner Hip-Hop-Musikvertriebs und Labels Groove Attack kamen, zu denen ich auch einen starken Draht habe.
Der WDR hat in den 1990ern auch noch sehr aktiv zusammengearbeitet mit der Szene. Ich habe öfter Radiokonzerte gespielt, was auch finanziell interessant war. Und dann gab es noch das Café Storch auf der Aachener, das eine Zeit lang eigentlich jeden Tag Live-Konzerte hatte. Da ging es dann nicht so ums Geldverdienen, aber da haben wir uns die Finger wund gespielt.
Der Lokalpatriotismus ist hier vielleicht manchmal etwas zu überschwänglich - aber ich finde, es ist auch ein Wert, sich selbst so feiern zu können.
Ich hatte hier in den 90ern also eine tolle Zeit und es hat mich nie nach Berlin gezogen. Ich mag dieses kölsche Flair einfach. Einerseits kosmopolitisch - man trifft Leute aus allen Ländern und es gibt die vielfältigsten Möglichkeiten. Aber trotzdem ist es ein Dorf und man läuft sich immer wieder über den Weg. Der Lokalpatriotismus ist hier vielleicht manchmal etwas zu überschwänglich - aber ich finde, es ist auch ein Wert, sich selbst so feiern zu können. Das ist doch schön!
Von 2000 bis 2011 habe ich die Stadt trotzdem verlassen: Zuerst habe ich in San Diego noch einen Master im Bereich Neue Musik gemacht. Und dann sind wir nach Lima gegangen, weil meine Frau Peruanerin ist. Ich habe also zweimal diese Energie erlebt, in eine neue Stadt zu kommen. Und die wurde mir in meiner eigenen Stadt dann noch mal gegönnt, als ich 2011 wiedergekommen bin. Da bin ich auf eine komplett neue Generation an Jazzmusikern und -Musikerinnen getroffen, qualitativ sehr hochwertig. Für diese Generation steht für mich vor allem das Klaeng Kollektiv, das sind sieben junge Musiker, die sich 2009 zusammengetan haben.
Musikhochschule zieht Leute aus Deutschland und der ganzen Welt an
Das alles hat natürlich auch viel mit der Musikhochschule zu tun. Die sehr renommiert ist und nicht nur Leute aus ganz Deutschland anzieht, sondern immer mehr auch internationale Studierende. Von der räumlichen Nähe profitiert auch die Jazzhaus-Schule: Es kommt regelmäßig Nachschub an frischen Menschen, die immer wieder auch was Neues mitbringen.
Jazz und Hip-Hop haben mich immer gleichermaßen interessiert und ich sehe das auch eigentlich gar nicht getrennt. In San Diego habe ich schon mit einem Spoken-Word-Projekt begonnen und in Lima hat mich dann diese afro-peruanische Kultur mit der ganz besonderen Rhythmusauffassung total inspiriert, die da gelebt wird. Als ich dann wieder in Köln war, habe ich viele Projekte mit rund um den Kajón als tragende Stimme in der Band gemacht. Aber in den letzten Jahren habe ich mich dann wieder mehr in Richtung Hip-Hop bewegt und arbeite jetzt mit dem Kölner Rapper, DJ und Produzenten Kurt Tallert, bekannt als „Retrogott“ zusammen.
Oft wird ja so ein Gegensatz aufgemacht zwischen der freien Kulturszene und den Institutionen. Die sprichwörtliche Oper versus die vielen Solo-Selbständigen, die sich durchbeißen müssen. Und die eine krass wichtige Energie darstellen in der Kulturszene, weil sie mit sehr wenig sehr viel machen. Ich bin ja nicht nur Leiter der Offenen Jazzhaus-Schule, sondern auch im Vorstand der Kölner Jazzkonferenz und der „LAG Musik“ NRW. Und als Mensch, der solche Positionen innehat, will ich bewusst weiter künstlerisch aktiv bleiben und diese Welt nicht nur aus einer Funktionärssicht betrachten, sondern die Musik eben auch leben. Ich möchte gerne ein Akteur sein, der Leute zusammenbringt, der in verschiedenen Sphären unterwegs ist und Verständnis und Verbindungen schafft - das wäre mein Idealbild.
Kölner Kultur- und Bildungslandschaft braucht bessere Kommunikation
Was ich mir für die Kölner Kultur- und Bildungslandschaft wünsche, ist auf jeden Fall eine genauere Kommunikation. Es wird irgendeine Entscheidung getroffen, ohne vorher mit den Menschen zu sprechen - und das ist uns beim Thema Haushalt zum Beispiel auch passiert. Im Entwurf wurden uns 20 Prozent gestrichen, bis 2029 sogar 40 Prozent. Aber niemand hat uns darüber informiert! Und wir konnten es noch nicht einmal genau im Haushaltsentwurf sehen, weil wir allgemein unter „Kulturelle Bildung“ laufen. Also haben wir die Verwaltung gefragt: Wie viel soll denn bei uns gekürzt werden? Und erst nach zwei Wochen voller Hoffen und Bangen haben wir eine Antwort bekommen.
Zwei Wochen, die wir verloren haben, um gegen diese drastischen Kürzungen zu mobilisieren. Was uns ja zum Glück nun trotzdem größtenteils gelungen ist, weil die Politik nochmal nachgesteuert hat. Grundsätzlich denke ich, dass es krass ist, dass so eine große Stadt wie Köln von Politikern gelenkt wird, die ehrenamtlich arbeiten und sich dann mit solch komplexen Themen auseinandersetzen müssen. Eigentlich ist das fast unmöglich.
Aber ich möchte auf gar keinen Fall Politik- oder Verwaltungsbashing betreiben – gerade jetzt müssen sich Akteure in einer Gesellschaft die Zeit nehmen, um sich wirklich zu verständigen. Ansonsten driften wir auseinander und das gilt es doch zu vermeiden! Die Welt verändert sich, die Stadtgesellschaft verändert sich. Aber es wird in vielerlei Hinsicht so getan, als könnte man einfach immer so weitermachen. Aber wenn die Ressourcen knapper werden, dann muss man doch mal grundsätzlich überlegen, wie man in Zukunft damit umgehen will. Zu schauen, wie sich Projekte und Institutionen ergänzen oder zusammenarbeiten können, zum Beispiel.
Und das ist mein Wunsch für die nächsten zwei Jahre, bevor es dann zu dem nächsten schwierigen Haushalt kommen wird: Dass man gemeinsam ein zeitgemäßes Konzept, eine Vision für die Kultur dieser Stadt entwickelt.
Joscha Oetz, 1971 geboren, Kontrabassist, leitet seit Herbst 2020 die Offene Jazz Haus Schule.
Tipps von Joscha Oetz für den Februar
„Herr Schmickler bitte!“, Kabarett Wie Herr Schmickler mit Worten um sich wirft, mit ihnen spielt und die Dinge auf den Punkt bringt, bewundere ich sehr, er ist für mich eine echte Kabarett-Legende. Auf seinen Beitrag zur „Verfreundlichung der Welt“’, wie es im Pressetext zum neuen Programm heißt, bin ich sehr gespannt – vor allem freue ich mich drauf. Freitag, 07. Februar 20 Uhr Comedia Theater.
Annie & The Caldwells Zum ersten Mal auf Tour in Europa – Diese Band wird sicherlich rohe Gospel/Soul/R&B-Energie vom Allerfeinsten liefern. Präsentiert von einem meiner absoluten Lieblings-Kuratoren Jan Lankisch (Weekend-Festival), der mich immer wieder überrascht und begeistert mit der Qualität der Acts, die er bringt. Dienstag, 11. Februar 20 Uhr Jaki/Stadtgarten.
TAU Wer ein bisschen was versteht von modernen europäischen Jazz, kennt die Namen in diesem Quintett um Phillip Zoubek und Philipp Gropper. Wer sie noch nicht kennt: Hier eine gute Gelegenheit, sich das zu geben – im legendären Loft. Cutting Edge Improvisation mit tollen Kollegen aus Berlin und Köln. Futuristisch, virtuos und mutig! Samstag 22. Februar, 20 Uhr Loft.