„Mord mit Aussicht“Petra Kleinert: „Bitte gebt den Neuen eine Chance!“
Mit 6,9 Millionen Zuschauern (5,9 Millionen in Woche zwei) verlief die Rückkehr der Kultserie „Mord mit Aussicht“ (dienstags, 20.15 Uhr, Das Erste) nach acht Jahren Pause äußerst erfolgreich. Dass eines der quotenträchtigsten Fiction-Programme nach so langer Pause mit völlig neuer Besetzung zurückkehrt – so etwas gab es im deutschen Fernsehen wohl noch nie.
Petra Kleinert, die in der Serie Heike „Muschi“ Schäffer, die gluckende Frau des in der alten Serie von Bjarne Mädel gespielten Dorfpolizisten verkörperte, ist eine der wenigen Figuren, die sowohl in den Staffeln eins bis drei (2008 bis 2014) wie auch in den neuen Folgen dabei ist. Im Interview spricht die 54-jährige Schauspielerin offen über Probleme, die sie früher mit der Serie hatte – und warum die neuen Folgen viel besser sind, als einen enttäuschte „Früher war alles besser“-Kritiker glauben machen wollen.
Viele waren überrascht, als es nach acht Jahren Pause mit „Mord mit Aussicht“ weiterging. Sie waren damals im Ensemble und sind es jetzt wieder. Wie kam es dazu?
Petra Kleinert: Ich gehörte damals zu denen, die es richtig fanden, nach drei Staffeln und einem Film aufzuhören. Doch vor allem der WDR hatte immer den Wunsch, dass es weitergehen sollte. Mich hat das damals nicht so sehr interessiert, weil ich fand: Die Sache war auserzählt. Ich wollte mich auf neue Dinge konzentrieren. Irgendwann kam dann die Produktionsgesellschaft auf mich zu, es gab neue Drehbücher zu lesen, über die haben wir lange diskutiert. Es war nicht so, dass ich der Rolle hinterhergerannt bin.
Sie haben am Ende zugesagt, trotz offensichtlicher Skepsis. Warum?
Das Leben ist dazu da, dass man Dinge neu und anders erlebt. Ich bin noch nie nach so langer Zeit zu einer Rolle zurückgekehrt. Das hat mich interessiert. Die erste Staffel „Mord mit Aussicht“ war grandios. Sie war etwas völlig Neues in der deutschen Fernsehlandschaft. Es gab natürlich einen Krimi-Anteil in den Geschichten, doch der war vor allem dazu da, die Malaisen der Figuren zu strukturieren.
Doch wenn der Krimi-Teil nicht so gut ausgedacht ist und vielleicht nur ein Vehikel dafür, ein paar lustige Leute zu zeigen, verliert die Serie ihre Balance. Genau das ist meiner Meinung nach bei den späteren Folgen passiert. Weshalb die Kritik der Schauspieler an den Drehbüchern auch berechtigt war.
Offenbar haben Sie die neuen Bücher überzeugt ...
Das stimmt. Ich finde, dass sich bei den neuen Geschichten die Elemente Komödie und Drama wieder deutlich besser die Waage halten. Die Geschichten der Menschen müssen anrührend sein, erst dann kann man auch irgendwann drüber lachen. Ich finde, dies ist in den neuen Folgen wieder gelungen. Ich betrachte diesen Relaunch eigentlich als komplett neuen Ansatz für eine Serie.
Klar, es gibt Elemente und auch Orte, die einem bekannt vorkommen. Doch die Macher haben sich in der Vorbereitung für das neue Konzept sehr viel Mühe gegeben. Es gibt eine tolle neue Besetzung. Ich denke, wenn man offen ist für die Veränderungen, die die Serie mit sich bringt, kann man sie ziemlich gut finden.
Kommen wir noch mal kurz auf den Mythos „Mord mit Aussicht“ zurück. Was war das grandios Witzige an der ersten Staffel?
Die wirklich ungeheuer präzise Beobachtung der Figuren und ihrer Nöte. Große Komödie fußt immer auf einem kleineren oder auch größeren Drama. „Mord mit Aussicht“ hatte den Mut, sehr spezielle Menschen und ihre Nöte vor die Kamera zu bringen. Dazu muss man nicht in besonderen Revieren fischen oder Bocksprünge machen, um diese speziellen Menschen zu finden. Es gibt sie überall – das hat die Serie erkannt und grandios umgesetzt. Menschen sind per se merkwürdig. Ich glaube, diese Erkenntnis hat in Deutschland selten eine Serie so gut erkannt und herausgearbeitet wie die frühen „Mord mit Aussicht“-Folgen.
„Mord mit Aussicht“ war eine ungemein erfolgreiche Serie im Ersten. Selten hat man es erlebt, dass sich bei einem solchen Erfolgsprodukt Schauspielerinnen und Schauspieler so über die Produktion beschweren. Was war denn damals wirklich los?
Ich glaube, ein großer Faktor war, dass uns in der Produktion permanent Drehtage weggenommen wurde. Alles sollte immer schneller im Kasten sein. Klar, heute wird überall gespart, aber beim Drehen sind wir generell an einer Grenze angelangt, wo ich sage: Das geht so nicht mehr weiter. Es ist menschlich nicht mehr in Ordnung – und künstlerisch sowieso nicht mehr. Das war der eine Punkt. Auf diese Gespräche hat man nicht gehört. Also haben – soweit ich mich erinnere – drei Darstellerinnen und Darsteller gesagt: Wir hören auf.
Das Problem der Drehbücher, die nicht besser wurden, kam hinzu. Auch beim Film hätte man mehr herausholen können. Meine Entscheidung war damals ziemlich klar. Ich habe noch zu meinem Mann kurz vor der Zusage für eine Neuauflage gesagt: „Hoffentlich lasse ich mich nicht bequatschen“ (lacht) ...
Das hat ja dann offensichtlich nicht so gut geklappt. Sie sprechen von einem komplett neuen Ansatz. Eigentlich sind doch viele Dinge gleich geblieben. Die neuen Charaktere erinnern stark an die alten ...
Ich glaube, man wollte die alte Magie in eine neue Zeit holen. Mit anderen Menschen, die vielleicht auch besser in die heutige Zeit passen. Schließlich hat sich unsere Gesellschaft, haben sich Männer und Frauen, in den letzten zehn Jahren doch ein wenig verändert – auch in der Provinz. Ich denke, die neuen Figuren sind ein Kompromiss. Man wollte das alte wohlige Gefühl nicht gänzlich herschenken, dann hätte man gleich etwas ganz Neues machen können. Trotzdem gibt es so viele neue Dinge im Erzählen und in den Figuren, dass es wieder interessant ist.
Wie hat sich Ihre Figur Heike Schäffer verändert, die aus dem alten „Mord mit Aussicht“-Kosmos quasi übrig geblieben ist?
Natürlich hat sie ihren geliebten Mann verloren. Heike ist härter geworden und auch ein wenig verblasst. In acht Jahren wird man auch einfach ein ganzes Stück alter. Heike Schäffer ist nicht mehr so lustig. Das hört sich jetzt erst mal nicht besonders komödiantisch an, aber für mich war es die einzige Option, mit ihr überhaupt weiterzumachen. Ich finde, dass in den neuen Folgen der Fokus auf die kleineren Rollen genauer und liebevoller geworden ist. Die alte Serie hat sich mehr auf die Hauptfiguren konzentriert. Für mich hat sich „Mord mit Aussicht“ in dieser Hinsicht weiterentwickelt.
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Hat sich unser Humor gegenüber dem der Jahre 2008 bis 2014 auch verändert?
Guter oder schlechter Humor entsteht immer im Auge des Betrachters. Es gibt uralte Witze oder Szenen aus Filmen oder Serien – auch der unsrigen -, über die ich mich heute noch scheckig lache. Es gibt aber auch Szenen, die ich damals wahnsinnig lustig fand, bei denen ich heute sage: Ja, okay – war dann irgendwie doch nicht so toll. Ich finde an den neuen Folgen gut, dass sie sich nicht so sehr in die Skurrilität verrennen. Sie erzählen ein Stück weit normaleres Leben. Es ist oft lustig genug, was darin so alles passiert.
Das heißt, dass Sie weiter dabei wären, sollte die Serie nach den sechs Relaunch-Folgen fortgesetzt werden?
Wenn uns die Leute sehen wollen und die Qualität stimmt, bin ich sehr gerne weiter dabei. Die Zusammenarbeit war sehr liebevoll, ich möchte die Produktion ausdrücklich loben. Ich mag auch meine neuen Kollegen sehr gerne. Die drei aus dem Haupt-Cast haben ja eine Art Himmelfahrtskommando übernommen und ich finde: Sie machen es großartig. Bitte gebt Ihnen eine Chance!
Nun sind schon zwei der neuen Folgen gelaufen. Wie zufrieden waren Sie mit dem Erfolg – und den Reaktionen?
Bisher erhalte ich sehr gute Reaktionen. Es sind natürlich auch Menschen, die an den ersten drei Staffeln festhalten wollen – aber das darf sein.
Wir leben mittlerweile mit einem Krieg in Europa. Darf und will man sich überhaupt mit Programmen wie „Mord mit Aussicht“ von der ernsten Weltlage ablenken?
Ja, auf jeden Fall! Menschen dürfen und müssen sich in schlimmen Zeiten ablenken. Wir dürfen lachen! Es ist ein Überlebensinstinkt. Wenn wir mit unserer Arbeit ein wenig Licht ins Dunkle bringen können, möchte ich das unterstützen. (RND/Teleschau)