Das Jazz-Festival widmet sich vor allem den Blasinstrumenten und findet vom 19. bis 29. Oktober in Köln statt. Das sind die Höhepunkte
Multiphonics in KölnEin Festival der puren Freude an Zukunft, Freiheit und Neugier
Wer die Klarinette im süffigen Vibrato-Stil des New-Orleans-Jazz liebt, wird auch bei der elften Multiphonics-Ausgabe kaum auf seine Kosten kommen. Alle anderen aber wird das erneut vorzüglich kuratierte Programm begeistern. Das weltumspannende Festival widmet sich ganz der Klarinette und veranschaulicht, welch stimmungsreiches Instrument dieser Star unter den Holbläsern ist. Mal jauchzend hell im hohen Register, mal wohlig „schnarrend“ im tiefen Bereich, kann es jede Faser des Körpers förmlich nachschwingen lassen.
Annette Maye, Leiterin von Multiphonics, machte das Festival zum Ort der Welterkundung
Von Beginn an wollte Annette Maye, Leiterin des Multiphonics-Festivals und selbst Klarinettistin, die Möglichkeiten der Klarinettenfamilie vor allem auch im kreativen Zusammenwirken mit anderen Holzblasinstrumenten ausloten. Dafür holte sie virtuose Künstlerinnen und Künstler nach Köln, weitete den Blick für die unterschiedlichen Spielarten zwischen Jazz und Weltmusik, folkloristischer Tradition und avantgardistischer Moderne. Und machte „ihr“ Festival zum Ort der musikalischen Welterkundung: als Fest der Begegnungen, der puren Freude an Zukunft, Freiheit und Neugier, der Lust am Unentdeckten, Offenen, Improvisierten.
Welt-Stars wie Giora Feidman, David Murray, Gianluigi Trovesi, Anouar Brahem, Kinan Azmeh, Paquito d’Rivera und Dhafer Youssef kamen schon nach Köln, und auch die diesjährige Ausgabe geizt nicht mit großen Namen. So macht Gitarren-Virtuose Bill Frisell mit seinem Quartett Four Station (23.10., Trinitatiskirche), wobei es neben Frisell, Pianist Gerald Clayton und Schlagzeuger Jonathan Blake dem in New Orleans geborenen Saxofonisten Greg Tardy zukommt, Klarinette und Bassklarinette wirkungsvoll ins Spiel einzubringen. Auch wenn sie dabei nicht immer im Zentrum des musikalischen Geschehens stehen, lässt Tardy ihre klangliche Schönheit gruppendynamisch immer wieder aufleuchten.
Die Flat Earth Society ist hierzulande selbst im 25. Jahr ihres Bestehens noch ein Geheimtipp
Ähnliches gilt für das Großensemble Flat Earth Society, das hierzulande selbst im 25. Jahr seines Bestehens noch ein Geheimtipp ist. Das 15-köpfige Jazzorchester aus Belgien kreiert ein überwältigendes Avantgarde-HipHop-Jazz-Revuetheater voller Energie und überbordender Fantasie, rebellisch, fröhlich-zirzensisch, so lyrisch wie unberechenbar wild. Die Töne und Rhythmen purzeln nur so aus des Ensembles Wunderhorn, wobei vor allem zwei Bassklarinetten das Klangkunstwerk grundieren.
Die Flat Earth Society spielt im Doppelkonzert mit einer erweiterten Ausgabe von Beyond the Roots (19.10., Comedia), einem transkulturellen Projekt, das sich dem musikalischen Dialog über kulturelle Grenzen hinweg verschrieben hat. Elemente aus der indischen und persischen Musikkultur verschmelzen mit Klarinettenklängen aus türkischer Folklore und der mitteleuropäischen Fidel, wobei ins diesjährige Large Ensemble internationale Gäste Klangfarben des Orients, des Fernen Ostens und der abendländischen Kunstmusik einbringen. Neben Annette Maye an der Klarinette ist der Wiener Instrumentalist und Komponist Leonhard Skorupa an der Bassklarinette dabei.
Im Anschluss zieht Multiphonics weiter nach Wuppertal, wo es mit teils anderen Muszierenden weitergeht
Wer denkt, dass es nicht noch größer und abenteuerlicher zugehen könnte, den belehrt das Weltmusik-Ensemble Road to Erbil (29.10., Lutherkirche) eines Besseren. Elf Musikerinnen und Musiker aus dem kurdischen Irak begegnen sieben Musizierenden aus Köln, Frankreich und den Niederlanden: Michel Godard (Tuba, Serpent), Theresia Philipp (Saxofone), Annette Maye, Sängerin Simin Tander, Jeroen Van Vliet (Klavier), Joscha Oetz (Bass) und Schlagzeuger Jens Düppe treffen auf traditionelle Instrumente wie die irakische Djoze, die Rahmentrommel Daf, die Saz und die Ney zu einem Klangerlebnis jenseits aller Genregrenzen.
Weitere große Namen runden das Kölner Segment von Multiphonics ab. So verbinden sich die iranisch-kanadische Sängerin und Multiinstrumentalistin Golnar Shahyar und der Doppelhals-Gitarrist Mahan Mirarab, die beide auch im Beyond the Roots Large Ensemble spielen, mit Annette Maye und Bassist Haggai Cohen-Milo zum Quartett (20.10., King Georg). In einem weiteren Doppelkonzert sind das Quartetinho der Klarinettistin Anat Cohen sowie das Fie Schouten Trio zu erleben, erweitert um die markanten Töne von Baritonsaxofonist Guiseppe Doronzo (22.10., Stadtgarten). Im Anschluss zieht Multiphonics weiter nach Wuppertal, wo es mit teils anderen Muszierenden weitergeht. Die kurze Reise ins Bergische lohnt sich also.
Multiphonics #11. Das Cologne Jazz and World Music Festival 2024. 19. bis 29.10. in Köln. Infos und Programm: multiphonics-festival.com