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Eva Swiderski im LoftEine Sängerin, die Jazz-Geschichten zu erzählen weiß

Lesezeit 4 Minuten
Eva Swiderski liegt auf dem Boden und turnt.

Eva Swiderski singt fantastisch, ist aber offenkundig auch turnerisch begabt.

Eva Swiderski erhielt den Young Jazz Talent Award 2024. Nun tritt die Kölner Sängerin im Loft auf.

„Eva Swiderski betritt die Bühne und gewinnt sofort die ungeteilte Aufmerksamkeit ihres Publikums mit ihren frischen musikalischen Ideen, ihrer klaren, persönlichen Stimme und mit ausdrucksvollem Storytelling und spannenden Improvisationen.“ Wenn eine erfahrene Jazzsängerin wie Fay Claassen dermaßen lobend über eine junge Kollegin spricht, dann lohnt es sich, die Ohren zu spitzen. Und tatsächlich: Eva Swiderski hat nicht nur eine wunderbare Stimme, sie weiß Geschichten zu erzählen, für die sie ihr ganz eigenes, inspirierendes Sujet gefunden hat.

Für Eva Swiderski war es bislang ein ereignis- und erfolgreiches Jahr. Ende April gewann sie den Young Jazz Talent Award 2024 – jenen Wettbewerb, bei dem sich Fay Claassen so respektvoll als Jurorin äußerte –, zwei Monate später schloss sie ihr Studium an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz im Studiengang Jazz/Pop, Hauptfach Jazz-Gesang, ab. Ihr Bachelorabschlusskonzert spielte sie mit ihrem neuen Ensemble EVA., in dem sie gemeinsam mit Liv Sindler, Lea Reichel und Laura Detterbeck singt, begleitet von einer fein gefächerten Instrumentierung mit Flöten, Klarinetten und Saxofonen. So kreiert EVA eine fragile, mal kammermusikalische, mal kratzbürstige Klangwelt, geprägt von strahlend schönen Stimmen, mal im Chor, oft auch a cappella.

Für Eva Swiderski war es bislang ein ereignis- und erfolgreiches Jahr

Damit nicht genug: Auf der diesjährigen Cologne Jazzweek sang Eva Swiderski temperamentvoll im Vokal-Ensemble des Bundesjazzorchesters BuJazzO, ebenso im zwanzigköpfigen „FLINTA* Kollektiv shared PLANET 9“, einem Projekt, das sie mit Liv Sindler initiierte. Auch hier haben die Stimmen tragende Bedeutung, während sich die Eigenkompositionen von Berliner und Kölner Studierenden um Themen wie Feminismus, Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit drehen. Eva Swiderski schrieb das Stück „Absence“, das nun auch das aktuelle Album „Shared Planet 9“ eröffnet. „Dies ist meine ganz persönliche Art, einen feministischen Ausdruck musikalisch umzusetzen. Ich hätte daraus auch ein ‚angry poem‘ machen können, habe mich aber bewusst für eine melodische Form entschieden. Wut ist ein wirkmächtiges Mittel, um Veränderung zu kanalisieren, und auch ich bin mitunter wütend, dann aber in einem anderen Kontext.“

Ihre betont undogmatische, doch stets verbindliche Verknüpfung von sozialem Engagement und ihrer Begeisterung für Melodien und Harmonien macht die Sängerin, Komponistin und Arrangeurin Eva Swiderski so besonders. Seit langem liebt sie Bach-Choräle, „diese Kraft der Vierstimmigkeit“, nicht weniger respektvoll näherte sie sich Hermann Hesses Gedicht „Im Nebel“, das sie gesanglich in einen zauberisch kristallinen Zustand entrückte. Ihr Abschlusskonzert wiederum eröffnete sie mit einer Bearbeitung des Standards „I Have a Reason for Living“, den sie während ihres Erasmus-Semesters an der Guildhall School of Music and Drama in London entdeckte. „Als ich das Stück hörte, stachen mir sofort die coole Melodie und die harmonischen Wendungen ins Ohr. Erst als ich mir den Text genauer vornahm, dachte ich: Oh mein Gott, wie sehr kann man eine toxische Beziehung romantisieren? So habe ich versucht, bei bestimmten Lyrics mit Dissonanzen zu arbeiten, um Reibung entstehen zu lassen. Die Melodie aber, die so schön crazy ist, wollte ich beibehalten. Und es ist ja schon ein bisschen verrückt, wenn gleich vier Frauen den Song singen.“

Ich dachte mir: Oh mein Gott, wie sehr kann man eine toxische Beziehung romantisieren?
Eva Swiderski

Nicht minder (selbst-)bewusst näherte sich Eva Swiderski Standards wie „Prelude to a Kiss“ von Duke Ellington oder „Weaver of Dreams“ von Victor Young, während sie mit „Insomnia“ ein Liebesgedicht von Elizabeth Bishop vertonte. Mit dieser Komposition gewann sie den Zukunftsmusik-Wettbewerb des Deutschen Musikrates, seitdem zieht sie sich wie ein roter Faden durch ihre Konzerte mit unterschiedlichen Besetzungen. Auch bei EVA. gehört das Stück zum Repertoire: als subtile, experimentierfreudige Auseinandersetzung mit Formen der Liebe von Ermächtigung über Zorn und Einsamkeit bis zur puren Daseinsfreude einer hellwachen Tagträumerin, dem „Daytime Sleeper“, wie es im Gedicht heißt.

Deutlich sind Eva Swiderskis Referenzen an eines ihrer Vorbilder, das Vokal-Ensemble Of Cabbages and Kings: „Ich schaue immer noch auf zu diesen Sängerinnen, die ja auch zunächst im BuJazzO gesungen haben, und ich fragte mich, wo, wenn nicht im BuJazzO, kann auch ich Leute kennenlernen, die Lust auf diese Art von Musik haben? Ich habe das BuJazzO unter Ansgar Stripens, Niels Klein und Hendrika Entzian erlebt, habe mir schon früh die eckigen Arrangements von Peter Herbolzheimer angehört, vor allem aber die Vokal-Ensembles.“ Nicht weniger begeistert sie sich für die stilprägenden Arrangements von Gene Puerling für die Singers Unlimited, während sie aktuell für die US-amerikanische Vocal Group Säje sowie das A-cappella-Ensemble Sjaella aus Leipzig schwärmt.

Nun kommt Eva Swiderski ins Loft, wo sie bereits im Duo mit Gitarrist Paul Prassel, im Large Ensemble des Bassisten Charly Härtel sowie in zwei Konzerten mit Pablo Held zu erleben war. Ihr Young Jazz Talent Preis-Konzert bestreitet sie mit ihrem EVA.-Small-Ensemble: Sie selbst, Liv Sindler, Lea Reichel und Laura Detterbeck werden allein von Franka Bayertz an Klavier und Synthesizer begleitet. „So können unsere Stimmen noch mehr in die Abstraktheit gehen. Während Franka unserer Klangwelt den Teppich ausbreitet, können wir noch freier sein – und auch ein wenig Chaos gestalten.“


Eva Swiderski, EVA. Preisträgerkonzert des Young Jazz Talent Award 2024. Loft, 19.9., 20 Uhr.