Mundschutz, Handpuppen und FotosKölner Stadtmuseum zeigt Sammlung zur Corona-Krise
- Viele Museen kümmern sich derzeit darum, dass wir unseren Nachgeborenen etwas von der Coronakrise zeigen können – so auch das Kölnische Stadtmuseum.
- Fleißig sendeten Kölner Fotos und Objekte ein, um die Frage zu beantworten, wie die Menschen mit der derzeitigen SItuation umgehen.
- Was die Sammlung für die Nachwelt bedeuten könnte, welche besonderen Stücke es in der Sammlung gibt und welches Exponat sich der Betreuer der Sammlung, Stefan Lewejohann, noch wünscht, lesen Sie mit KStA PLUS.
Köln – Stellen Sie sich vor, die Corona-Krise wäre vorbei. Viele Experten sagen voraus, dass dieser Einschnitt uns und unsere Gesellschaft verändert haben wird. Nur über das Wie herrscht Uneinigkeit. Noch stecken wir mittendrin. Aber an was werden wir uns erinnern? Was denen erzählen, die nach der Krise geboren sind? Was ihnen zeigen?
Dass wir den Nachgeborenen überhaupt etwas zeigen können, darum kümmern sich schon jetzt viele Stadt-, Heimat- und historische Museen. Das Wien-Museum hat bereits Ende März dazu aufgerufen, Fotografien zum Leben unter Corona-Bedingungen einzusenden.
Die Bilder zeigen Kuchen mit giftgrüner Coronavirus-Partikel-Glasur, selbst gebastelte Abstandshalter aus Absperrband und Holzleisten, Häkeldecken mit fröhlich bunter Botschaft: „Fuck Corona“. Auch die Historical Society in New York sammelt, ebenso das medizinhistorische Museum in Hamburg und das Historische Museum in Berlin. Und selbstredend auch das Kölnische Stadtmuseum.
Eine Sammlung mit Konzept
Im Grunde sei das die tägliche Arbeit im Stadtmuseum, sagt Stefan Lewejohann, abzuwägen, welche Ereignisse und Situationen in Köln geschichtlich relevant sind. Der Historiker betreut den Aufbau einer Corona-Sammlung in Köln. „In 50 Jahren wird man froh sein, dieses Ereignis festgehalten zu haben. So wie jetzt 100 Jahre alte Objekte aus der Zeit der Spanischen-Grippe-Epidemie eine besondere Bedeutung für uns haben.“
Allerdings wollte man nicht konzeptlos drauflossammeln und von Angeboten überrannt werden. „Also haben wir damit angefangen, selbst individuelle Personen anzusprechen“, erzählt Lewejohann. So habe sein Haus etwa nach der wegen der neuen Abstandsregeln zum ersten Mal ins Gürzenich ausgelagerten Ratssitzung Ratsmitglieder gebeten, dem Museum ihren Mundschutz zur Verfügung zu stellen.
Wie gehen Kölner mit der Krise um?
Beim Mitte April erfolgten Aufruf an die Kölner Bevölkerung habe es dann zwei Ziele gegeben. Lewejohann: „Zu einem wollten wir wissen, wie gehen die Kölner mit der Krise um? Wir fragten zuerst nach Fotografien, die Beispiele davon zeigen. Fotos, von Geburtstagen, die über Skype stattfinden oder über den Gartenzaun.“ Eine kleine Auswahl der eingesandten Bilder ist hier zu sehen. Etwa die Garagenparty ganz oben.
„Meine Tochter hat am 3. März ihren Geburtstag in Österreich beim Skiurlaub gefeiert“, schreibt dazu Siegfried Heringlehner. „Sie hat das Coronavirus mitgebracht und musste drei Wochen in Quarantäne. Meinen Geburtstag am 1. April und den meines Sohnes am 16. haben wir, wie auf den Fotos zu sehen, ist gefeiert!“
Tatjana Zieschang hat ein Bild ihres selbst genähten Mundschutzes mit Dom-Motiv eingesandt: „Wer vermag in schweren Zeiten mehr Schutz und Halt zu geben als die Heimat und der Dom!“ Und Martina Schwarz hat dokumentiert, wie ihre Kinder eine Freundin in Quarantäne besuchen, unter Einhaltung der Abstandsregeln. Mehr Corona-Bilder zeigt das Stadtmuseum in einer digitalen Ausstellung auf seinen Instagram-Seiten, zu finden unter dem Hashtag #coronia.
Kreative Wege der Nachrichtenübermittlung
Das zweite Ziel des Aufrufes, so Lewejohann, sei für das Museum jedoch vorrangig: „Wir sind an Objekten interessiert.“ Zum Beispiel Briefkästen. In der Kölner Südstadt haben sich Kinder zusammengetan und Briefkästen gebastelt, die sie an Haustüren oder Gartenzäune gehängt haben, um sich auf diese Weise während der Kontakteinschränkungen Nachrichten zu schicken.
„Wir wissen auch von einer Kindergärtnerin, die ihre Kinder einzeln besucht hat, um ihnen vom Zaun aus mit Handpuppen ein Kasperltheater vorzuspielen.“ Ein anderes begehrtes Objekt ist eine der Mundschutz-Masken, die eine Kölnerin für ihre Freunde aus ihrem Hochzeitskleid genäht hat. Interessiert ist Lewejohann auch an den bunt bemalten Steinen, die viele Bürger entlang von Straßen aneinandergereiht haben.
Freilich ist es unter den momentanen Bedingungen gar nicht so einfach, diese Objekte ins Museumsdepot zu holen. Außerdem bleibt die Frage, ob und wie sich die Krise in ihrer gesamten Dramatik darstellen lässt. Die angebotenen Objekte, räumt Lewejohann ein, zeigen vor allem originelle Arten, mit der Krise zurechtzukommen.
Das Leid der Menschen lässt sich in einer Sammlung nur schwer darstellen
Wie aber zeigt man das Leid, das Abertausenden Menschen gerade widerfährt? Die Kranken, die Toten und ihre Angehörigen. Die Gewalt in den Familien, die Existenzängste der Eltern, die Isolation der Kinder? Nicht weniger schwer zu fassen ist der Siegeszug der Virtualität, all das Zoomen und Streamen, das binnen weniger Tage zum Alltag gehörte. Die Diskussion darüber, so Lewejohann, wie man digitale Inhalte für die Nachwelt sichert, gebe es unter Museen schon länger. Nun spürten sie selbst die beschleunigte Digitalisierung.
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Warum also überhaupt noch Objekte sammeln? „Weil man durch sie einen mittelbareren Bezug zur Vergangenheit bekommt“, sagt Lewejohann. „Ich bin 1982 geboren, für meine Generation war es unvorstellbar, in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu werden oder vor leeren Regalen zu stehen.“ In der Kölner Sammlung beeindruckt ihn derzeit ein Stadtplan vom Ende des 19. Jahrhunderts, in dem jeder eingezeichnete Punkt für einen Cholera-Toten steht.
„Ein anderes aussagekräftiges Exponat ist eine Milchtüte aus dem Tschernobyl-Jahr 1986 mit dem Stempel »Entwarnung – unter ständiger Kontrolle der Zentralstelle für Strahlenschutz«.“ So spricht die Vergangenheit immer wieder neu zu uns. Was wäre Lewejohanns Traumexponat für die neue Sammlung? „Eine Klopapierpackung auf der steht … »In Zeiten von Corona eine Rolle extra«.“