ImpressionismusDas bietet die große Jubiläumsschau im Museum Folkwang
Essen – Gustave Courbets Wellenbild „La vague“ (1870), Édouard Manets Kellnerin einer Bierschänke („La serveuse de bocks“ 1878/79), Camille Pissarros „La conversation“ am Gartenzaun, um 1881 gemalt mit flottem Strich oder Paul Cézannes „Steinbruch Bibémus“ (um 1895). Die Bilder sprechen eine neue Sprache, die akademischen Konzepte von Klassizismus, Historismus und Naturalismus hatten für die Künstler im ausgehenden 19. Jahrhundert ihre Anziehungskraft verloren. Sie suchten das Andere und fanden: Bildmotive und Stilmittel, künstlerische Techniken und Ausdrucksformen, mit lockerem Pinsel oder lockerer Moral, mit viel Licht und flirrenden Farben, ein Steinbruch, ein Kornfeld, ein Krankenhausgarten, ein Stahlwerk, ein Hafen.
Aber nicht nur die Künstler, auch Sammler wie Karl Ernst Osthaus suchten das Neue. Im Jubiläumsjahr wird nun umfassend und mit prominenten Gästen an die Rolle erinnert, die Osthaus für das 1922 gegründete Essener Museum Folkwang spielte. Mit dem sogenannten „Hagener Impuls“ hatte er etwas ausgelöst, das bis heute nachwirkt. Die Ausstellung „Renoir, Monet, Gauguin. Bilder einer fließenden Welt“ blickt zurück auf die Anfänge einer grandiosen Sammlung.
Blick auf die Anfänge der grandiosen Folkwang-Sammlung
Die Aufbruchsstimmung in den Jahren um 1900 war überall spürbar, der Kunst und künstlerischen Betätigung wurden gar lebensreformerische Aufgaben zugetraut: Vom Kunstgewerbe bis zu Architektur und Industrie, von der naturhistorischen oder wissenschaftlichen Sammlung bis zur Freikörperkultur, von Tanz und Mode zu Formen sozialen Miteinanders. Neue Ideen und Konzepte befruchteten sich gegenseitig, Gattungsgrenzen wurden überschritten, Begegnung und Austausch sollten die Kultur beflügeln und die Kunst den Menschen nahebringen. Allen Menschen.
Bankierssohn Karl Ernst Osthaus (1874-1921) war voller Elan, und er hatte das nötige Kleingeld. Mit Ende 20 kauft er erste Werke von Vincent van Gogh, da hatte diesen noch keiner so richtig auf dem Schirm. Und auch der Impressionismus war längst kein Selbstläufer wie er das heute ist, sondern eine „kritisch beäugte Kunstrichtung“. Das erste große Projekt, das er in seiner Heimatstadt Hagen mit dem von der Großmutter geerbten Vermögen umsetzte, war ein Museum, das ursprünglich seine naturkundliche Sammlung aufnehmen sollte: Schmetterlinge, Muscheln, Käfer und Fossilien, von einer Maghreb-Reise war er mit islamischer Kunst zurückgekehrt.
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Osthaus wollte sich mit seinem Weltkunstmuseum, das dann 1902 in Hagen öffnete, von nun an der Verbesserung der Lebensumstände widmen. Unterstützt bei seinem Tun wurde er vom belgischen Künstler und Jugendstil-Architekten Henry van der Velde (1863-1957), den er für den Innenausbau des neuen Museums engagiert hatte und der ihn seither in Sachen Kunst (sowie u.a. bei der Konzeption der Künstlerkolonie Hohenhagen) beriet.
1901 kauft Osthaus ein impressionistisches Hauptwerk von Auguste Renoir („Lise mit dem Sonnenschirm“, 1867) aus einer Ausstellung der Berliner Sezession, ein Bild, das für die Jubiläumsausstellung nun für einige Monate zurückgekehrt ist. Ebenso wie Claude Monets „Im Boot“ (1874) oder Paul Signacs „Der Hafen von Saint-Tropez“ (1899-1901), die einst ebenfalls zur Ursprungssammlung des Museum Folkwang gehörten.
Zu Gast ist die Sammlung von Koijro Matsukata
Der in den Jahren 1860 bis 1910 grassierende Japonismus hatte damals viele Artefakte aus Japan nach Europa, besonders nach Paris, gespült und bald ließen sich viele Künstler von der japanischen Kunst und deren Bildsprache inspirieren. Doch das Interesse war gegenseitig, bald begannen auch japanische Sammler, hochkarätige Werke französischer Zeitgenossen zu sammeln. Viele von Ihnen sind jetzt aus Tokio zur Folkwang-Jubiläumsschau angereist, auch der Schiffbauunternehmer Koijro Matsukata (1866-1950) träumte seinerzeit nämlich von einem eigenen Museum für seine private Sammlung.
Überhaupt gibt es manche Parallelen zwischen den beiden Sammlern, die einige Jahre zeitversetzt in großem Stil ganz ähnliche Kunst kauften: Die familiär-monetären Umstände gestattete es ihnen, und ihre Berater hatten das richtige Gespür. Persönlich begegnet allerdings sind die beiden Sammler sich nie.
Das wird jetzt in Essen mit einer fulminanten Ausstellung nachgeholt, in der die 119 impressionistischen und postimpressionistischen Werke der Sammlungen Matsukata und Osthaus miteinander in einen (wie es scheint) sehr vertrauten Dialog treten. Die Höllentor-Bronzen von Auguste Rodin haben genug mit sich selbst zu tun, ihnen ist ein ganzer Raum gewidmet.
Schon ein Jahr nach Osthaus’ Tod am 27. März 1921 haben die Erben seine Kunstsammlung an die Stadt Essen verkauft. Bereitgestellt wurden die 15 Millionen Mark damals von einer Gruppe privater Spender und Firmen, die mit dem Museumsverein noch heute beteiligt sind. Das Museum Folkwang setzt seither das Hagener Projekt erfolgreich fort, schmerzhaft unterbrochen und geplündert 1937 von der nationalsozialistischen Säuberungsaktion.
2010 ist das Museum um den vom britischen Architekten David Chipperfield mit viel Glas und klaren Kanten geplanten Neubau erweitert worden. Der wundervoll stimmige Altbau von 1960, mit seinen Lichthöfen und Durchblicken und viel Tageslicht, wurde glücklicherweise als Sammlungsmuseum integriert.
Keine Frage, Karl Ernst Osthaus war einer der wichtigsten deutschen Mäzene und Kunstsammler des beginnenden 20. Jahrhunderts. Seine Ideen besitzen eine bis heute fortdauernde Aktualität, das jedenfalls ist – neben der fröhlichen Feier toller Kunst - der Tenor der Geburtstags-Schau.
Was bleibt von den Ideen des Sammlers Osthaus?
Wie aber sieht es heute – knapp 100 Jahre nach der Gründung des Museum Folkwang in Essen – mit der gesamtgesellschaftlichen Teilhabe an der Kunst aus? Das ist wohl eine berechtigte Frage, der das Projekt „Folkwang und die Stadt“ von Mai bis August 2022 im Essener Stadtgebiet nachgehen möchte. Eine gute Fortsetzung einer schönen Ausstellung.
Und wahrscheinlich ist diese Meldung schon Teil einer Antwort: Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung und die Stadt Essen haben sich auf ein Finanzierungsmodell geeinigt, das den freien Eintritt in die Sammlung auch weiterhin sichert. Allen Menschen.
Renoir, Monet, Gauguin. Bilder einer fließenden Welt, Museum Folkwang, Essen, bis 15. Mai 2022