Museum für Ostasiatische KunstAlfred Salmony brachte die Weltkunst nach Köln

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Ein Drache liegt gemütlich auf schwarzem Grund.

Ein Drache aus Jade aus dem Kölner Museum für Ostasiatische Kunst

1933 musste Alfred Salmony vor den Nazis fliehen. Jetzt erinnert das Kölner Museum für Ostasiatische Kunst an seinen ehemaligen Kurator.

Spricht man in Köln von Weltkunst, führt an Irene und Peter Ludwig kein Weg vorbei. Sie sammelten Kunstwerke sämtlicher Epochen und Kontinente (außer der Antarktis) und sahen in ihnen einen gemeinsamen Ausdruck des Menschlichen über alle kulturellen Unterschiede hinweg. Ihr Haus glich einem exquisiten Trödelmarkt oder jenem „imaginären Museum“, von dem die westliche Kunstwelt träumt, seitdem es der Schriftsteller André Malraux im Jahr 1954 zwischen zwei Buchdeckeln entwarf. Die Eingebung dazu soll Malraux bereits in den 1920er Jahren von einem jungen Kunsthistoriker erhalten haben, mit dem sich der Kölner Kreis der Weltkunst schließt: Alfred Salmony.

Von 1925 bis 1933 war Salmony stellvertretender Direktor des Kölner Museums für Ostasiatische Kunst

Anders als der Name Ludwig ist der Alfred Salmonys in seiner Geburtsstadt weitgehend unbekannt. Der Sohn eines jüdischen Kölner Kaufmanns wurde 1890 geboren, zwischen 1925 und 1933 war er stellvertretender Direktor des Kölner Museums für Ostasiatische Kunst. Im Jahr der Machtübernahme durch das NS-Regime emigrierte er nach Paris, von wo er 1934 in die USA ausreiste. In New York wurde der Experte für alte chinesische Kunst mit offenen Armen empfangen und stieg zu einer Kapazität seines Fachgebietes auf. 1958 starb er auf dem Weg nach Paris während einer Ozeanüberfahrt.

Über Salmonys Beitrag zur Geschichte des Weltkunst-Traums gibt es in Köln so gut wie keine Dokumente. Das wenige, was zu finden war, hat Petra Rösch, die aktuelle stellvertretende Direktorin des Museums für Ostasiatische Kunst, in den letzten Jahren für ihre Salmony-Ausstellung recherchiert. Demnach trug Salmony 1921, damals noch als wissenschaftlicher „Hilfsarbeiter“, Objekte aus sämtlichen Kölner Museen zusammen und stellte sie unter dem Titel „Vergleichswerte aus der Kunst aller Zeiten und Völker“ aus. Über die genaue Zusammensetzung kann auch Rösch nur spekulieren. Aber dem Rezensenten des „Cicerone“ kam der „Wirrwarr“ aus moderner, antiker, christlicher, afrikanischer und ostasiatischer Kunst wie ein „höllisches Durcheinander“ vor.

Alfred Salmony als Porträtskizze mit Hemd und Kragen.

Otto Dix porträtierte Alfred Salmony auf einer Lithografie aus dem Jahr 1923

Heute ist das Salmony‘sche Höllenspektakel wieder sehr in Mode und wurde im Rheinland etwa von Jean-Hubert Martin, dem ehemaligen Generaldirektor des Düsseldorfer Kunstpalastes, bereits um das Jahr 2000 erfolgreich propagiert. 1921 war die Vorstellung, afrikanische Artefakte, mittelalterliche Altäre und ostasiatische Skulpturen wären Ausdruck einer gemeinsamen, weltumspannenden Kultur hingegen noch einigermaßen revolutionär. Salmony hatte die Idee einer formalistisch-vergleichenden Kunstwissenschaft während seiner Wiener Studienzeit kennengelernt und sie ohne Umschweife in die Museumspraxis übersetzt. Auch andernorts lag die Weltkunst in der Luft. Zwei Jahre nach Salmonys Ausstellung hob der Schriftsteller Oskar Beyer den Begriff erstmals auf einen Buchtitel.

Für Alfred Salmony, das macht Rösch deutlich, war die „Vergleichswerteausstellung“ auch ein Vehikel, um die künstlerische Bedeutung „seiner“ chinesischen Objekte zu betonen. Er sah in ihnen Werke, die den westlichen ebenbürtig und für das Verständnis der menschlichen Globalkultur unabdingbar waren. Nicht immer hielt diese aktivistische Museumsarbeit der Überprüfung stand. In seiner Aufarbeitung der Kölner Sammlung saß Salmony einigen Fälschungen auf, und er übersah, dass die von ihm untersuchten chinesischen Steinskulpturen in ihrem Herkunftsland deutlich geringer geschätzt wurden als im Westen. In Köln und Wien lud man Skulpturen mit Bedeutung auf, weil sie sich besser über die kulturellen Grenzen hinweg vergleichen ließen als Gemälde. So kehrte der europäische Blick über Umwege in die Weltkunst zurück.

Allzu große Spielräume hatte Alfred Salmony nicht bei seinen Einkäufen

Solche Details erschließen sich im Begleitband zur Ausstellung besser als in dieser selbst. Aber dafür zeigt Rösch vor Ort rund 100 Objekte, die von Salmony für das Kölner Museum für Ostasiatische Kunst erworben wurden oder seine fachlichen Interessen spiegeln. Zu den Höhepunkten der Schau gehören ein Tigerkopf aus Bronze, eine winzige, dafür 5000 Jahre alte, aus Jade gefertigte Zikade, und ein Jadeanhänger in Form eines Drachen. Erstmals gezeigt werden ein trapezförmiges Messer sowie ein Zeremonialszepter, die jeweils aus dem 2. oder 3. Jahrtausend vor Christi stammen. Bei der Rekonstruktion der „Vergleichswerteausstellung“ entschloss sich Rösch, statt der möglichen, aber eben nicht sicheren Exponate lediglich fotografische Stellvertreter zu zeigen. Das leuchtet ein, auch wenn der Anblick enttäuschend ist. 

Allzu große Spielräume hatte Salmony offenbar nicht bei seinen Einkäufen. Das Geld war knapp, und was das Haus durch die Versteigerung von „Dubletten“ einnahm, fraß mitunter die Inflation gleich wieder auf. Laut Rösch war Salmony aber recht erfolgreich darin, Schenkungen einzuwerben. Ansonsten war es damals unter Museumsleuten noch üblich, Objekte aus ihren Sammlungen zu tauschen. Manche Abgänge tauchten später beim Kölner Auktionshaus Lempertz wieder auf und konnten für das Museum zurückerworben werden.  

Salmonys herausgehobene Stellung am Museum für Ostasiatische Kunst erklärt sich auch durch den frühen Tod des Sammlers Adolf Fischer, der 1914, im Jahr nach der Gründung seines Museums, verstorben war. Frieda Fischer, die Witwe, übernahm die Direktion, doch fehlte ihr die nötige Expertise, um die Sammlung zu bewerten und zu ergänzen. Hier sprang Salmony ein, der sich, ganz im Sinn der vergleichenden Kunstgeschichte, auch für die Malerei der Gegenwart begeisterte. Mit Otto Dix war er befreundet, auf einer Lithografie von 1923 hat der Maler den damals 33-jährigen Museumsmann porträtiert. 1933 wurde Salmony aus dem Amt gedrängt. Von Weltkunst war danach in Köln und Deutschland erst einmal keine Rede mehr.


„Kunst ist das Programm! – Alfred Salmony und die Sammlung des Museums für Ostasiatische Kunst während der Weimarer Republik 1918-1933“, Museum für Ostasiatische Kunst, Universitätsstr. 100, Köln, Di.-So. 10-17 Uhr, 9. Mai bis 3. November 2024. Die Publikation zur Ausstellung kostet 29 Euro.

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