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Museum für Ostasiatische KunstFünf Künstler an den Grenzen der bekannten Welt

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Kimsoojas Cities On The Move

Köln – Für sie schließe sich ein Kreis, sagt Adele Schlombs vor ihrer letzten Ausstellung im Museum für Ostasiatische Kunst. 32 Jahre lang leitete sie das nicht nur in Köln, sondern deutschlandweit einmalige Haus, beinahe ein ganzes Arbeitsleben also, weshalb Schlombs zum Abschied fünf zeitgenössische Künstler aus allen erwachsenen Lebensaltern eingeladen hat. Zwischen dem 82-jährigen Qui Shihua und der 1996 geborenen Yu Duan liegen mehr als ein halbes Jahrhundert – und entsprechend unterschiedliche „Horizonte“, die der Ausstellung, so Schlombs, den Titel geben.

Qui Shihua blickt auf weiße Landschaften wie durch Nebelbänke

Am ersten Horizont, dem gemalten Taoismus Qui Shihuas, zeichnet sich die Welt allenfalls in Schemen ab. An den Wänden hängen 15 großformatige Gemälde, alle weiß in weiß getüncht, mit unterschiedlichen Graden an Schattierungen. Man ahnt hier eher etwas, als dass man etwas erkennen könnte – Shihua malt aus der Vogelperspektive, und er scheint dabei verschneite Landschaften wie durch Nebelbänke hindurch zu sehen. Dieser meditative Minimalismus wird selbstredend durch die Hoffnung genährt, sich in der weißen Unendlichkeit der Leinwand zu verlieren und dadurch die Augen und schließlich auch den Geist zu reinigen.

Sehr viel welthaltiger sind die Keramiken von Leiko Ikemura, die vor einigen Jahren im Museum für Ostasiatische Kunst mit einer Werkschau vertreten war. Die in Köln lebende Künstlerin variiert in ihren Figuren mit Vorliebe Motive von Tod und Vergänglichkeit, etwa, indem sie den gebauschten Leib eines liegenden, puppenhaften Mädchens wie den Panzer einer Auster aufbricht. Aus einem ballonartigen Frauenkopf wachsen derweil drei Köpfe wie Mitesser oder, eher ins Buddhistische gewendet, als andere Wesens- und Lebenszustände der schlummernd daliegenden Frau.

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Ins Ahnungsvolle kippen hingegen Ikemuras Ölzeichnungen auf Jutestoff. Zwei Hügel in einer Landschaft scheinen Gesichter zu tragen und sich aneinander zu schmiegen wie ein altes Ehepaar; und unter einem kalten Wasserfall sucht ein Mönch meditierend nach Erleuchtung und Erlösung. Allerdings ist diese radikale Kneippkur in poetisch verwischten Farben wirklich schwer zu erkennen, wenn man zuvor nicht ausgiebig Sehnerv und Netzhaut gereinigt hat.

Als langjährige Direktorin eines Museums nicht-westlicher Künste ist Schlombs gleichsam von Amts wegen eine Anwältin der Weltkunst. Sie muss also nicht den Spickzettel bemühen, wenn sie die Vielfalt und den kulturellen Reichtum „entfernter“ Horizonte betont. Ein wichtiger Baustein ihrer Arbeit lag auch deswegen darin, die zuvor offenbar etwas unterbelichtete eigene Sammlung zu erforschen und auszustellen – und das Kölner Publikum überhaupt erst einmal mit der Tradition vertraut zu machen, auf der die Arbeiten vieler zeitgenössischer Künstler aus Fernost beruhen.

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Yu Duans Aufnahme Landbewohner und ihr Boden (chinesische Gärten), Wartungsarbeiter, Wasserwald

Ein gutes Beispiel dafür sind die modernen chinesischen Schriftrollen der an der Frankfurter Städelschule ausgebildeten Künstlerin Evelyn T. Wang. Sie schreibt auf ihren Papierbahnen die Tradition der chinesischen Literatenmaler fort, allerdings in der deutlich luftigeren Form eines künstlerischen Tagebuchs. Man liest es von rechts nach links, immer schön abwechselnd Bild für Text und Text für Bild, und stößt dabei bald auf gefiederte Ablenkungen im Park oder die süßen Verpackungen einer rheinischen Konditorei. Es ist eine subtile Form der Subversion, denn so viel schwungvoll getuschte Alltäglichkeit wäre in klassischeren Zeiten nicht bildwürdig gewesen.

Zur mittleren Künstlergeneration der Ausstellung gehört Kimsooja aus Südkorea. Sie wurde mit ihren „Bottari“-Werken bekannt, Stoffbündeln, die sie aus den glücksverheißenden Hochzeitsdecken ihrer Heimat schnürt. Sie symbolisieren für Kimsooja das Gepäck, das wir alle durch das Leben tragen, erinnern aber auch an die Bündel, mit denen Kriegsflüchtlinge und Migranten sich auf die Suche nach einem besseren Leben machen. In einem Video sieht man Kimsooja auf einem riesigen „Bottari“-Wagen elf Tage durch ihre südkoreanische Heimat fahren, eine Frau, von der wir stets nur den Rücken sehen, auf einem Stoffberg, der sich geruhsam durch die Landschaft schiebt. Auch dieses bewegte Bild hat eine meditative Qualität, die sich selbst in einem zweiten Video nicht verliert, in dem die „Bottari“-Ballen durch Pariser Straßen schaukeln.

Den Abschluss der „Horizonte“-Schau bilden Fotografien von Yu Duan, die Schlombs gemeinsam mit einer Ideallandschaft der traditionellen chinesischen Malerei präsentiert. Yu Duan findet die Sehnsucht nach paradiesischer Abgeschiedenheit freilich in London, wo sich Bürger mit grünem Daumen kleine Gärten in Hinterhöfen und auf schmalen Terrassen bauen. Dieses „versteckte Grün“, so der Titel ihrer Fotoserie, greift Yu Duan in einer anderen, in ihrer chinesischen Heimat entstanden Bilderserie auf. In diesen Aufnahmen geht es um die unbeachtete Schönheit der nutzbar gemachten Natur – sei es auf dem Acker oder in einem bewirtschafteten Wasserwald.

Adele Schlombs ist bald fort, die Nachfolge hat die Stadt Köln noch nicht geklärt

Am 31. Oktober endet Adele Schlombs Amtszeit, in normalen Zeiten wäre ihre Abschiedsausstellung die perfekte Bühne gewesen, ihre Nachfolge zu präsentieren. Die neue Normalität sieht freilich anders aus: Im Sommer wurde die Direktorenstelle ausgeschrieben, dem Vernehmen nach gab es auch mehrere Bewerbungen – aber offenbar noch keinen spruchreifen Kandidaten. „Ich wurde nicht gefragt“, so Schlombs, was schon etwas verwundert – wie viel Fachkompetenz in ostasiatischen Studien gibt es wohl im Kölner Kulturdezernat?

Man kann nur hoffen, dass sich die zuletzt etwas stiefmütterliche Behandlung des Museums für Ostasiatische Kunst durch die Stadt Köln nicht bei der Nachfolgesuche fortschreibt. Mitunter war Schlombs die einzige wissenschaftliche Kraft im Haus, mittlerweile gibt es neben ihrer Stellvertreterin Petra Rösch mit Bas Verberk immerhin einen Kurator für japanische Kunst. Dem Anspruch an ein international renommiertes Museum genügt das selbstredend nicht mal annähernd. In ihrem Abschiedstext warnt Schlombs dann auch davor, dass ohne weitere Fachwissenschaftler am Haus „Fragen der Provenienzforschung zukünftig unbeantwortet bleiben“ werden. „Womit das Museum in vielen Fällen als internationaler Leihgeber nicht mehr infrage käme.“ Und, muss man hinzufügen, auch als Leihnehmer nicht mehr.

„Horizonte“, Museum für Ostasiatische Kunst, Universitätsstr. 101, Köln, Di.-So. 10-17 Uhr, bis 10. April 2023. Katalog: 16 Euro.