Die Stadt Köln stopft mit Entschädigungen für einen Kunstraub Haushaltslöcher. Das sagen Politiker und Experten.
Museum für Ostasiatische KunstWurde das Kölner Museum ein zweites Mal beraubt?
Alle Jahre wieder kommt eine deutsche Stadtverwaltung auf die Idee, Kunst aus den eigenen Museen zu verkaufen, um mit den Erlösen Finanzlücken zu stopfen. Oft bleibt es allerdings beim Versuch, weil die Bürgerschaft erfolgreich dagegen protestiert, und in einer stolzen Kunststadt wie Köln wäre ein solches Ansinnen ohnehin undenkbar. Stattdessen scheint Kölns Stadtspitze einen eleganteren Weg gefunden zu haben, die Schätze der Museen zu versilbern: Erst macht man es Einbrechern leicht, sich in den Museumsvitrinen zu bedienen, dann streicht man die Versicherungssumme ein.
Selbstverständlich behauptet niemand, Stadtkämmerin Dörte Diemert sei die geheimnisvolle Unbekannte, die den Einbruch am 13. September 2023 ins Kölner Museum für Ostasiatische Kunst (MOK) beauftragte; neun Objekte im Millionenwert wurden damals aus einem Ausstellungssaal geraubt, von Beute und Tätern fehlt jede Spur. Und selbstredend hat die Stadt die Sicherheitstechnik ihres Museums allenfalls mit dem Hintergedanken veralten lassen, dass man das Geld für Modernisierungen anderswo dringender braucht und es noch immer gut gegangen sei.
Es ist ein Treppenwitz dieser kölschen Einbruchsgeschichte, dass das geschädigte Museum nicht einen Cent aus der Versicherungssumme erhält
Aber es ist eben doch ein Treppenwitz dieser kölschen Einbruchsgeschichte, dass das geschädigte Museum nicht einen Cent aus der Versicherungssumme erhält. Offenbar hatte MOK-Direktorin Shao-Lan Hertel fest damit gerechnet, die 1,3 Millionen Euro dafür verwenden zu können, die in die Sammlung gerissenen Lücken (soweit möglich) durch Ankäufe zu schließen. Aber dem stehen laut Auskunft der Stadt Köln verwaltungsrechtliche Bilanzierungsregeln entgegen. Neuankäufe seien dadurch ausgeschlossen. Immerhin ließen sich „die fraglichen Versicherungsleistungen“ aber „grundsätzlich für konsumtive Zwecke wie Ausstellungen, Projekte, Museumsfeste etc. zusätzlich auf die vorgesehene Museumsplanung und das beschlossene Museumsbudget hinaus verwenden“. Dies müsse dann allerdings haushaltsrechtlich noch im Jahr 2024 geschehen.
Es hätte also nicht viel Kreativität verlangt, um dem Museum wenigstens einen Teil der Versicherungssumme zukommen zu lassen; mutmaßlich wären Hertel und ihren Mitarbeitern einige „konsumtive Zwecke“ eingefallen, in die sich bis Jahresende sinnvoll investieren ließe. Aber der politische Wille war dafür nicht vorhanden. „Es ist jedoch zu beachten“, so eine Stadtsprecherin, „dass die Stadt als Ganzes und auch der Kulturbereich selbst sich derzeit in einer finanziell herausfordernden Zeit befinden, sodass konsumtive Aufwendungen und Erträge entsprechend priorisiert werden müssen.“ Und das MOK steht offenbar weit unten auf der städtischen Prioritätenliste.
Diese Erfahrung musste bereits Hertels Amtsvorgängerin Adele Schlombs machen. Seit Jahren ist das MOK so etwas wie das Stiefkind unter den städtischen Kölner Museen: 2013, im Jahr seines 100-jährigen Bestehens, blieb es für überfällige Sanierungsarbeiten geschlossen. Viele Schätze waren bereits unter Schlombs in einem derart angegriffenen Zustand, dass sie aus restauratorischen Gründen nicht mehr gezeigt werden konnten. Und auch personell wird das Museum von der Stadt kurz gehalten. Zum Abschied hatte Schlombs davor gewarnt, dass ohne weitere Fachwissenschaftler am Haus „Fragen der Provenienzforschung zukünftig unbeantwortet“ blieben und das Museum dadurch „in vielen Fällen als internationaler Leihgeber nicht mehr infrage käme“.
Seit Hertels Antritt hat sich die Personallage leicht verbessert, aber der Bedeutung des Museums wird sie weiterhin nicht annähernd gerecht. Das MOK ist nicht nur das älteste auf asiatische Kunst spezialisierte Museum in Europa, es ist, seitdem das Asiatische Museum in Berlin im Humboldt-Forum aufgegangen ist, auch das einzige seiner Art in Deutschland. Die Sammlung umfasst etliche wundervolle Beispiele der antiken (und modernen) fernöstlichen Kultur, mit Ausstellungen wie „Glanz der Kaiser von China“ erregte das Haus in besseren Zeiten internationales Aufsehen.
Für leichte Irritationen sorgt der gesamte Vorgang bei Brigitta von Bülow, der kulturpolitischen Sprecherin der Grünen im Kölner Rat. „Ich wundere mich, davon in der Zeitung zu erfahren.“ Die zuständigen Ratsgremien wurden bislang offenbar nicht informiert. Ralph Elster (CDU) fordert, dem Haus eine Perspektive zu eröffnen. „Es ist nicht korrekt, wie die Stadt mit dem Museum umgeht.“ Es müsse nun vor allem darum gehen, so Elster, dem Museum die Mittel an die Hand zu geben, um den entstandenen Schaden zu beheben.