Das Kölner Museum Ludwig zeigt eine Fotografie-Ausstellung zum Verhältnis von Künstler und Modell. Das Thema ist eine Steilvorlage für die feministische Konzeptkunst.
Museum LudwigWas müssen Frauen tun, um hier rein zu kommen?
Der Mann steht hinter der Leinwand, die Frau sitzt oder räkelt sich davor - in der Kunstgeschichte war diese Rollenverteilung lange Zeit die Regel. Auch die Erfindung der Fotografie änderte daran zunächst nicht viel, obwohl die weiblichen Modelle nicht mehr so lange stillhalten mussten und daher mehr Zeit und Gelegenheit gehabt hätten, selbst den Auslöser zu betätigen. Außer vielleicht bei Edward Weston, dessen Aktaufnahmen stets so aussahen, als seien die Frauen von einem straighten Gott dafür geschaffen worden, in genau dieser hingegossenen Haltung zu posieren.
Am Anfang der feministischen Schau stehen Aktaufnahmen von Edward Weston
Dabei war Weston gar nicht so sehr an schönen Frauen interessiert – jedenfalls nicht mehr als an einer wohlgeformten Paprika. Er war ein Oberflächenfetischist, ein Liebhaber gekörnter Haut und kapriziöser Naturwunder, der seinen Modellen zur Not den Kopf abschnitt, um die Anmut eines gebeugten Knies zu betonen. Dass er sie dadurch „objektifizierte“, wäre ein so naheliegendes wie ungerechtes Urteil über Weston. Aber so unschuldig wie er tat, war sein Blick auch wieder nicht.
Mit Westons Aktbildern beginnt die aktuelle Ausstellung im Fotoraum des Kölner Museums Ludwig, obwohl sie lediglich als Zitate in einer Serie der peruanischen Künstlerin Tarrah Krajnak zu sehen sind. Krajnak stellt in ihren „Meisterritualen“ einige berühmte Aktaufnahmen Westons nach – mit sich selbst als Modell, das allerdings, anders als bei Weston, den Auslöser auf allen Bildern gut sichtbar in der Hand hält. Das Kabel läuft jeweils hübsch gekräuselt durch die Aufnahme, und auch sonst „entzaubert“ Krajnak die perfekten Illusionen ihrer Vorbilder. Während Weston die Frauen durch die Wahl des Bildausschnitts in ihre Einzelteile zerlegte, verdeckt sie störende Körperteile mithilfe von Holztafeln und Latten und setzt die „heimliche“ Fragmentierung ausführlich in Szene.
Ana Mendieta verkleidet sich als Mann, weil man als Frau in der Kunstwelt keine Chance hat
Krajnaks Serie bildet den Auftakt zur Ausstellung „Bilder/Gegenbilder“, für die Barbara Engelbach, Kuratorin am Museum Ludwig, Fotografien zum Verhältnis von Modell und Künstler aus der hauseigenen Sammlung schöpfte. Bei den Gegenbildern geht es selbstredend darum, die alte Rollenverteilung hinter sich zu lassen oder wenigstens neu zu definieren, wobei Krajnak vielleicht sogar bewusst offen lässt, was sie in Westons Aktmodellen sieht: Mitschöpferinnen, verhinderte Künstlerinnen oder Frauen, die ein Leben jenseits der von ihnen gemachten Bilder hatten?
Sehr viel eindeutiger fällt die Kritik an den Verhältnissen bei der kubanischen Künstlerin Ana Mendieta aus. Auf einer Bilderserie aus dem Jahr 1972 zwirbelt sie sich einen Schnauzer aus den Barthaaren eines Mitstudenten, um zu zeigen, dass Frauen in der Kunstwelt nur als (verkleidete) Männer etwas werden können. Aus demselben Jahrzehnt stammen einige Arbeiten von Sanja Ivekovic, in denen die Frauen noch einmal drastischer auf ihre angeblich angestammte Rolle verwiesen werden. Für „Süßes Leben“ (1975/76) kombinierte Ivekovic Paparazzi-Bilder aus der Regenbogenpresse, auf denen Frauen, die sich in die Öffentlichkeit wagen, wie Freiwild gejagt und „erlegt“ werden, mit privaten Aufnahmen ihrer selbst. Die Botschaft lässt an Klarheit wenig zu wünschen übrig: Was diesen Frauen passierte, kann jeder Frau passieren.
Allerdings scheint sich die Unsicherheit darüber, welche Rollen in der Kunstwelt für Frauen offen stehen, seitdem keineswegs gelegt zu haben - sie findet heute, wie bei Krajnak oder Carrie Mae Weems, nur einen indirekten, konzeptionellen, man könnte auch sagen: etwas verzagten Ausdruck. Weems zeigt sich selbst im Spiegel eines Schlafzimmers, während sie in den Bildtexten darüber sinniert, dass sie, als schwarze Frau, nicht einmal als Modell (oder bestenfalls als Dienerin) in den Kanon der modernen Malerei aufgenommen worden wäre. „Nicht Manets Typ“, heißt die Serie, in der sie den Rassismus der Kunstgeschichte am eigenen Körper vorführt. Immerhin, so Weems sarkastisch, sei sie nicht als Modell bei de Kooning geendet – dann sähe sie für alle Zeiten wie eine Furie aus.
„Bild/Gegenbild“, Fotoraum, Museum Ludwig am Dom, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, bis 27. August 2023