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Kritik aus dem Gürzenich-OrchesterSWR hält an François-Xavier Roth als Chefdirigent fest

Lesezeit 4 Minuten
François-Xavier Roth steht vor dem Staatenhaus. Er trägt einen bunten Schal.

François-Xavier Roth war Generalmusikdirektor der Stadt Köln

Während die Stadt Köln den Vertrag mit dem Gürzenich-Kapellmeister auflöste, soll Roth 2025 wie geplant das SWR-Orchester übernehmen.

Anders als die Stadt Köln, die sich von ihrem Generalmusikdirektor François-Xavier Roth einvernehmlich trennte, nachdem gegen ihn Vorwürfe sexueller Belästigung erhoben wurden, hält der öffentlich-rechtliche Sender SWR an Roth als designiertem Chefdirigenten des SWR-Orchesters fest. Laut SWR habe eine interne Prüfungskommission keine Hinweise auf Fehlverhalten von François-Xavier Roth gegenüber Mitgliedern von SWR Orchestern finden können. Die Prüfung habe sich auf die Jahre 2011 bis 2016, bezogen, so der SWR; in dieser Zeit war Roth Chefdirigent des SWR-Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg. Untersucht wurden demnach ebenso die Jahre 2020 und 2022, als Roth Gastdirigate beim SWR-Symphonieorchester wahrnahm.

„Ein sicheres Arbeitsumfeld, in dem die Musikerinnen und Musiker frei arbeiten und ihre Kunst entfalten können, hat für den SWR oberste Priorität“, heißt es aus dem Sender. Der SWR und François-Xavier Roth haben sich demnach „auf Regularien verständigt, die ein Fehlverhalten von seiner Seite künftig ausschließen sollen und die Mitarbeitenden schützen“. Sollten diese Regularien verletzt werden, behalte sich der SWR jedes Recht vor, die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung zu beenden.

Jeder habe eine zweite Chance verdient, so der SWR

Anke Mai, verantwortliche Programmdirektorin Kultur, Wissen und Junge Formate beim SWR, begründete die Entscheidung so: „Nach eingehender Prüfung und vielen vertrauensvollen Gesprächen mit den Musikerinnen und Musikern im Orchester genauso wie mit François-Xavier Roth bin ich überzeugt, dass wir eine Entscheidung getroffen haben, die den Werten des SWR entspricht.“

Zu diesen Werten zählten Vertrauen, Respekt und menschliches Miteinander. Sexuelle Übergriffigkeit sowie jede Art von Diskriminierung oder Machtmissbrauch würden im SWR nicht toleriert, so Mai „Mir ist aber auch wichtig, dass Menschen eine zweite Chance erhalten, wenn sie ein Fehlverhalten eingestehen und Konsequenzen daraus ziehen. Ich habe großes Vertrauen in François-Xavier Roth, dass er die Werte des SWR anerkennt und lebt und dass wir gemeinsam diesen Weg gehen können.“

François-Xavier Roth gestand in der Stellungnahme des SWR erneut unangemessenes Verhalten ein. „Ich sehe ein, dass ich in der Vergangenheit im Umgang mit Musikerinnen und Musikern Fehler gemacht habe. Es war jedoch niemals meine Intention, jemanden in irgendeiner Form zu verletzen. Ich verstehe, dass ich die in mich gesetzten Erwartungen nicht erfüllt habe, und möchte an dieser Stelle all jene um Entschuldigung bitten, die ich verletzt und enttäuscht habe.“

Seitdem ich meine Dirigiertätigkeit ruhen lasse, widme ich mich noch intensiver dieser persönlichen Entwicklung und der Verbesserung meines Führungsstils, damit sich derartige Fehler nie wiederholen werden
François-Xavier Roth

Bereits seit geraumer Zeit arbeite er mit externer Hilfe an sich selbst, so Roth weiter. „Seitdem ich meine Dirigiertätigkeit ruhen lasse, widme ich mich noch intensiver dieser persönlichen Entwicklung und der Verbesserung meines Führungsstils, damit sich derartige Fehler nie wiederholen werden.“ Auch der Orchestervorstand des SWR Symphonieorchesters steht laut der SWR-Mitteilung hinter der Entscheidung.

Offenbar traut der SWR François-Xavier Roth zu, sich in der Zeit bis zum Amtsantritt in der Spielzeit 2025/26 zu ändern. Die Verantwortlichen der Stadt Köln einigten sich hingegen mit Roth auf eine vorzeitige Trennung zum 30. Juni 2024 und verbanden die Auflösung des Arbeitsvertrags nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit einer Zahlung von rund 200 000 Euro.

Nach Vorwürfen sexueller Belästigung gegen Roth hatte sich die Stadt zunächst mit ihm darauf verständigt, dass er bis auf Weiteres nicht mehr in Köln dirigiert. Roth soll unangemessene Nachrichten verschickt haben. Roth verlässt Köln ein gutes Jahr früher, als ursprünglich geplant. Bis zum Antritt seines Nachfolgers Andrés Orozco Estrada, der die Leitung ab der Spielzeit 2025/26 übernehmen wird, kommen Gastdirigenten zum Zug.

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren gegen Roth eingeleitet. Es gebe einen Anfangsverdacht, heißt es. Auf Anfrage wollte sich ein Behördensprecher nicht dazu äußern.

Im Gürzenich-Orchester hatten schon die Umstände der Vertragsauflösung für viel Unruhe und teilweise Bestürzung gesorgt, wie zu hören war. Sie sei empört über diese Entscheidung, sagt ein ehemaliges Mitglied. Die Verkündung des SWR an Roths Verpflichtung festzuhalten, sei ein neuerlicher Rückschlag: „Auch dies ist ein verheerendes Signal. Ich bin entsetzt, und nicht nur ich.“ Erstaunlich ist die Entscheidung des SWR auch, weil aus dem Gürzenich-Orchester zu hören ist, dass Gerüchte über mögliche Verfehlungen Roths auch im Umfeld des SWR-Symphonieorchesters bei der früheren Zusammenarbeit die Runde machten.