Nahost-Konflikt im KinofilmDas geht krachend schief
Köln – Am Checkpoint könnten die israelischen Posten glatt auf den Gedanken kommen, in ihrem Geigenkasten verberge sich eine Waffe, warnt der Vater. „Die Geige ist doch eine Waffe“, mault Layla trotzig zurück, und schon mit dieser pampigen Antwort der jungen palästinensischen Musikerin gibt Regisseur Dror Zahavi zu verstehen: So einfach ist das nicht mit der Völkerverständigung durch Noten, so wie es sich die friedensbewegte Deutsche Klara de Fries und ihre „Stiftung für effektiven Altruismus“ vorstellen.
Offenbar inspiriert von Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra, erzählt „Crescendo“ von dem Versuch, anlässlich einer Friedenskonferenz in Südtirol ein israelisch-palästinensisches Jugendorchester aufspielen zu lassen. Ausgerechnet Südtirol, raunzt der berühmte Dirigent Eduard Sporck (Peter Simonischek), der zur explosiven Gemengelage in Zahavis Film ebenfalls sein biografisches Scherflein beiträgt – Sporcks Eltern waren fanatische Nazis, die nach dem Krieg in den Alpen Zuflucht fanden, bevor sie auf der Weiterreise nach Südamerika erschossen wurden. Dem politisch geläuterten Maestro ringt das Schicksal von Vater und Mutter erkennbar kein Bedauern ab. Viel Enthusiasmus, beim musikalischen Brückenschlag den Taktstock zu schwingen, bringt er ebenfalls nicht auf – zunächst nicht.
Der Filmtitel ist nicht allein in musikalischer Hinsicht Programm
Es kommt also allerhand zusammen in „Crescendo“ – der Filmtitel ist nicht bloß in musikalischer Hinsicht Programm. Der Nahost-Konflikt, dazu die braune deutsche Vergangenheit und obendrein die gegenwärtige deutsche und europäische Beflissenheit, die noch jeden Krisengipfel mit einem kulturellen Rahmenprogramm zu schmücken versteht: Kann das gut gehen? Es geht krachend schief, so wie das Konzert in Südtirol.
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Das Dilemma von „Crescendo“ beginnt schon mit den Zurichtungen des Drehbuchs, das Zahavi – er führte auch beim in dieser Woche ausgestrahlten Fernsehfilm „Das Geheimnis der Freiheit“ Regie – gemeinsam mit Johannes Rotter verfasst hat. Oder soll man es einfach hinnehmen, wenn Storck die dauerengagierte Klara de Fries (Bibiana Beglau) fragt: „Sind Sie etwa so ein Gutmensch?“ Dass dieser Begriff heute leider Sprachgebrauch ist, sollte nicht vergessen lassen, dass er aus der propagandistischen Giftküche Joseph Goebbels’ stammt und all jene meinte, die mit den Verfolgten des Naziregimes mitfühlten. Soll damit etwa angedeutet werden, dass sich selbst in Sporcks Sprache Reste der elterlichen Vergangenheit finden? Wohl kaum, es zeugt, wenn nicht von Gedankenlosigkeit, eher vom Hang der Filmemacher zu Stereotypen, der den gesamten Film durchzieht.
Schon das Vorspielen in Tel Aviv wächst sich im Handumdrehen zur Intifada aus mit entsprechender israelischer Reaktion. Die Art und Weise, wie Zahavi ein Projekt von immerhin kulturell tief durchdrungenen Jugendlichen zum Stellungskrieg politischer Parteien zu stilisieren versucht, ist fast schon empörend. Hier bedient „Crescendo“ sämtliche Nahost-Klischees, die in der Realität gerade durch Kultur erfolgreich relativiert und durchbrochen werden.
Liebesgeschichte zwischen einer Israelin und einem Palästinenser
Dass dies im Film selbst nur durch eine Liebesgeschichte zwischen einem palästinensischen Klarinettisten und einer israelischen Hornistin gelingt, ist dabei vor allem dem Versuch geschuldet, der Polit-Didaktik ein wenig Sentiment gegenüberzustellen. Einerseits verwandelt Zahavi sämtliche Orchesterproben in Therapiesitzungen, in denen nicht nur den Musikern, sondern auch den Zuschauern klargemacht wird, wie Aggressionsabbau und Friedensarbeit gehen. Andererseits ergibt derlei gesprächslastiges Ringen um Konfliktlösung keinen überzeugenden Film, so dass es zwischendurch neben Liebesszenen zu einem Attentat von Südtiroler Neonazis auf den abtrünnigen Sporck kommt. Abgesehen davon, dass Zahavi und Rotter auch in diesen Szenen keine Scheu vor plakativer Zuspitzung kennen – hier passt einfach nichts zusammen.
„Crescendo“ läuft aktuell im Kino.