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Sam Mendes über seinen Film „1917”„Das Drehen eines 007-Films ist echter Krieg“

Lesezeit 5 Minuten
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George MacKay als Schofield in einer Szene des Films „1917”

  1. Ohne die Geschichte seines Großvaters hätte es den Film 1917 nicht gegeben, sagt Regisseur Sam Mendes.
  2. In seinem Golden Globe-prämierten Film „1917" verzweifelt ein 17-jähriger im Schützengraben.
  3. Die Dreharbeiten seien zwar aufreibend gewesen, aber nichts im Vergleich zu einem James-Bond-Dreh.

Herr Mendes, Sie haben ihren neuen Film „1917“ in einer langen Plansequenz gedreht und erwecken die Illusion, ohne Schnitte auszukommen. Warum?

Mir ging es darum, die Zeit zu einem echten und relevanten Element der Geschichte zu machen. Diese Geschichte in quasi einer Einstellung zu erzählen, diente einzig dazu, dem Publikum ein echtes Gefühl für den Weg und die Erlebnisse der Protagonisten zu vermitteln. Jede Sekunde, die vergeht, sollte spürbar sein, auf eine klaustrophobische Weise. Schon vom ersten Moment an, als mir der Gedanke kam, diese Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg zu erzählen, hatte ich auch die Vorstellung, sie visuell auf diese Weise umzusetzen.

Wo lagen dabei die größten Herausforderungen?

Vermutlich darin, dass sich die Sache nicht schon nach einigen Minuten verbraucht haben durfte. Das durfte nicht repetitiv werden. Einfach nur mit der Kamera hinterher- oder vorweglaufen, das hätte nicht gereicht. Von Moment zu Moment musste neu entschieden werden, ob wir ganz subjektiv nah dran bleiben an den Männern, damit diese emotionale Verbindung auch hergestellt wird, oder wo wir weit weg gehen und sie ganz klein in dieser riesigen Landschaft des Todes und der Zerstörung zeigen. Manchmal wollten wir den Blick des Publikums ganz konkret lenken, manchmal den Raum geben, dass jeder für sich selbst ein kleines Detail im Bild entdecken kann. Anders als sonst, ging es nicht nur um das Verhältnis von Schauspieler und Kamera, sondern auch um den leeren Raum dazwischen.

„1917“ ist mehr oder weniger Ihrem Großvater gewidmet, der damals im Ersten Weltkrieg kämpfte. Wie viel von dem, was Sie nun zeigen, basiert auf seinen Erzählungen?

Ich würde es so sagen: Dies ist kein Film über meinen Großvater, aber es gibt ihn nur dank meines Großvaters. Er war als 17-Jähriger als Soldat in diesem Krieg und hat mir viele Geschichten über seine Erfahrungen erzählt. „1917“ ist quasi eine Art Vergrößerung einer dieser Geschichten. Denn wenn er über den Krieg sprach, dann ging es nie um Helden oder um Mut, sondern darum, wie schmal der Grat zwischen Leben und Tod damals in jeder Minute für jeden Einzelnen von ihnen war. Warum wurde der Kerl neben ihm von einem Granatsplitter tödlich getroffen und nicht er selbst? Diese Fragen trieben ihn um, und was ich aus seinen Erzählungen lernte, war sehr viel existenzialistischer als jede Geschichtsstunde.

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Sie haben Ihren Großvater also oft danach gefragt?

Oh ja, meine Cousins und ich haben immer wieder mit ihm über den Krieg gesprochen. Mit seinen eigenen Kindern hat er darüber nie geredet, mein Vater etwa wusste kaum etwas über seine Erfahrungen. Aber wir Enkel haben das aus ihm herausbekommen. Angefangen hat das damit, dass ich immer darüber gelacht habe, dass er sich ständig die Hände wäscht. Das fand ich lustig, doch mein Vater erzählte mir dann, dass Opa sich an den Schlamm in den Schützengräben erinnert und an das Gefühl, nie wirklich sauber zu sein. Über 50 Jahre später noch hatte er das verinnerlicht, was mich enorm beschäftigte. Also fragte ich – und er erzählte. Es ging da weniger drum, wer gegen wen kämpfte und warum, und mein Großvater hatte auch keinen analytisch-intellektuellen Blick auf seine Erinnerungen. Aber er berichtete mir von den ganz alltäglichen, menschlichen Erfahrungen, und genau die wollte ich mit „1917“ einfangen. Weswegen es auch kein politischer Film geworden ist, sondern ein menschlicher. Und ich denke, dass das Erleben des Krieges damals für all die jungen Männer mehr oder weniger gleich war, egal, ob sie nun Briten, Franzosen oder Deutsche waren.

Für kleine Nebenrollen haben Sie prominente Schauspieler wie Colin Firth, Benedict Cumberbatch, Andrew Scott und Richard Madden verpflichtet.

Ja, um den Zuschauern und Zuschauerinnen ein Gefühl dafür zu vermitteln, das diese Figuren nicht bloß eine Funktion haben, sondern an ihnen ganz eigene Geschichten hängen, die vermutlich sogar sehr viel größer sind als die unserer Protagonisten. Diese Männer spielen in diesem Krieg vermutlich deutlich zentralere Rollen als unseren beiden jungen Soldaten. Aber ihre Lebensgeschichten kreuzen die unserer Protagonisten eben nur für winzige Momente. Trotzdem wollte ich, dass der Eindruck entsteht, wir hätten problemlos auch ganze Filme über jeden dieser anderen Männer drehen können.

Zur Person

Sam Mendes wurde 1965 in Reading in England geboren. Er studierte Englisch an der Universität Cambridge und arbeitete als Theaterregisseur. Sein erster Kinofilm war 1999 „American Beauty“, für den er den Oscar gewann. Er führte Regie beim 23. James-Bond-Film „Skyfall“ und inszenierte auch „Spectre“. Gemeinsam mit seiner Ex-Frau, Schauspielerin Kate Winslet, hat er einen Sohn.

Sein neues Werk „1917“ spielt im Ersten Weltkrieg und wurde mit einem Golden Globe als bester Film ausgezeichnet. Er kommt am 16. Januar in die deutschen Kinos.

Abschließend und im Rückblick betrachtet, was war für Sie anstrengender: James Bond zu inszenieren oder nun „1917“ zu drehen?

Bond war definitiv komplizierter. Während dieser Film hier vom Krieg handelt, ist das Drehen eines 007-Films ein echter Krieg. So ein riesiger Action-Blockbuster besteht aus so vielen beweglichen Einzelelementen, die man als einzelner Mensch niemals alle jederzeit im Blick haben kann. Deswegen braucht man ein riesiges Team und Wochen voller strategischer Planungen.