Netflix-Serie „Dark”Wie ein Bergisch Gladbacher über Nacht zum Weltstar wurde
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Die Netflix-Serie „Dark“ hat den 22-jährigen Schauspieler Louis Hofmann praktisch über Nacht weltberühmt gemacht.
Geboren und aufgewachsen ist er um die Ecke: im Bergisch Gladbacher Stadtteil Bensberg. Im WDR spielte er seine erste kleine Rolle.
Eine Begegnung mit einem der großen deutschen Schauspieltalente.
Louis Hofmann, 22 Jahre alt, hat zwar noch kein Studio in Hollywood betreten, trotzdem ist er bereits ein Weltstar. Sein jungenhaftes Gesicht, das sehr verstört wirken kann, ist überall dort zu sehen, wo es den Streamingdienst Netflix gibt – und der hat 150 Millionen Abonnenten weltweit. Seit Freitag läuft dort die zweite Staffel von „Dark“, der ersten deutsche Netflix-Produktion.
In der auch international erfolgreichen Serie spielt Louis Hofmann den traumatisierten Jugendlichen Jonas, der in Zeitlöchern abtauchen kann. Die gelbe Regenjacke, die er in der ersten Staffel trägt, ist so etwas wie das Markenzeichen der Serie geworden. Louis Hofmann gab der beklemmenden Verlorenheit in den Wäldern der deutschen Provinz ein Gesicht, das lange nachwirkt.
Und entsprechend gefragt ist er, als Netflix zum Interviewtag ins Hotel de Rome am Bebelplatz einlädt. Sollte Hofmann der Trubel um seine Person etwas ausmachen, er lässt es sich nicht anmerken. „Man spürte schon bei den Dreharbeiten einen hohen Erwartungsdruck“, sagt er, „doch letztlich überwog am Set die Euphorie.“
In der Fortsetzung bekommt „Dark“ mit den 20er-Jahren eine neue, fünfte Zeitebene hinzu. Gedreht wurde wieder in und um Berlin sowie im Filmstudio Babelsberg. Seine Figur verändere sich in der neuen Staffel, erzählt Hofmann, „Jonas zeigt sich viel stärker und aktiver.“ Viel mehr darf ein Netflix-Darsteller inhaltlich nicht verraten, Journalisten müssen seitenlange Anti-Spoiler-Erklärungen unterschreiben. Reden wir also über das Genre. Mystery made in Germany – warum funktioniert das in „Dark“ so gut? „Science-Fiction fand ich früher eher komisch, das war einfach zu weit weg von mir“, sagt Hofmann, „bei »Dark« ist die Zukunftsthematik für mich nachvollziehbar, sie hat schon fast etwas Philosophisches.“
Louis Hofmann wurde 1997 in Bensberg geboren, in dem Jahr also, in dem Netflix in Kalifornien gegründet wurde. Der Schauspieler zählt zu einer Generation, die gar keinen TV-Anschluss mehr besitzt. Seine Begabung aber wurde noch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen entdeckt: Im Alter von neun Jahren spielte er in der WDR-Vorabendsendung „Servicezeit“ mit. Familien testen darin Freizeitanlagen in Nordrhein-Westfalen, die Hofmanns waren von einer befreundeten WDR-Mitarbeiterin überredet worden, sich bei einer Paddeltour filmen zu lassen. „Da bin ich wie ein Flummi total unbefangen herumgehüpft“, erzählt Hofmann. Aus diesen ersten Auftritten erwuchs dann das Bedürfnis, andere Figuren zu spielen.
Hofmann wurde in eine Schauspielagentur aufgenommen, in seinen ersten Rollen verkörperte er die Filmsöhne von Heino Ferch und Edgar Selge – nicht die schlechteste Starthilfe. In Hermine Huntgeburths Neuverfilmung von „Tom Sawyer“ (2011) hinterließ der aufgeweckte, sommersprossige Knirps erstmals im Kino nachhaltigen Eindruck. Mit 16 wusste Hofmann endgültig, dass er Schauspieler werden wollte.Eine Schauspielschule hat er nicht besucht, aber er befinde sich seit rund zehn Jahren in der Ausbildung, sagt er im Gespräch. „Und ich lerne mit jedem Film dazu.“
Louis Hofmann ist ein höflicher junger Mann, ehrgeizig und dabei trotzdem bescheiden. Das fällt umso mehr auf, weil manch junger Darsteller aus der „Dark“-Crew beim PR-Marathon mit fiebriger Aufgeregtheit durch die Hotelsuiten rauscht, in denen die Interviews stattfinden. Louis Hofmann wirkt dagegen ausgeglichen und gleichzeitig erstaunlich präsent.
Mit 18 machte er sein Abitur in Köln und ging nach Berlin: „Ich bin noch vor meinem älteren Bruder ausgezogen“, erzählt er, „Es war sicher nicht einfach für meine Eltern, als ich das Nest verlassen habe, doch sie haben mich immer mit einer gesunden Skepsis unterstützt.“ Trotz seines Erfolges lebt er noch immer in einer WG, sein Lebensstil habe sich durch seine Popularität überhaupt nicht verändert, versichert Hofmann. Auf seinem Instagram-Account, wo er 170.000 Follower hat, kann man sehen, wie er auf seinem Balkon in Berlin-Mitte chillt. Auf anderen Bildern probiert er neue Outfits aus und wirkt dabei nicht eitel, sondern verspielt.
„Er ist eines dieser Naturtalente, frisch, natürlich und scheinbar mühelos“, urteilte die Berlinale-Jury, die Louis Hofmann zu einem der Europäischen Shootingstars 2017 kürte. „Louis bewegt sich von Rolle zu Rolle mit einer eindrucksvollen Unschuld, die über die Leinwand hinausreicht.“ Davor hatte er sich einen Nachwuchspreis nach dem anderen abgeholt, den wohl wichtigsten schon im Jahr 2014: den Bayerischen Filmpreis für den Kinofilm „Freistatt“ über das Unterdrückungssystem in einem deutschen Kinderheim Ende der 60er-Jahre. Als Schüler Wolfgang zeigt Hofmann auf eindringliche Weise, wie der Wille eines sensiblen Menschen erst brutal gebrochen wird und schließlich in Rebellion umschlägt.
Mit jeder Rolle wächst Hofmann, lotet neue Empfindungen in sich aus. Im Coming-of-Age-Drama „Die Mitte der Welt“ ist es das sexuelle Erwachen mit einem Mann; im Fernsehfilm „Das weiße Kaninchen“ spielt er einen Schüler, der sich mit verträumtem Blick das Vertrauen von schüchternen Mitschülerinnen erschleicht, um sie dann mit freizügigen Fotos zu erpressen. „Da konnte ich zum ersten Mal am Bösen schnuppern“, sagt Hofmann.
Es ist ein Erwachsenwerden in aller Öffentlichkeit. Mit anderen Nachwuchsstars wie Paula Beer oder Jannis Niewöhner teilt er die Erfahrung, sich in Kinder- und Jugendrollen etabliert zu haben. Das gilt auch für Liv Lisa Fries, der modernen Frauenfigur aus „Babylon Berlin“, mit der Louis Hofmann gerade in „Prélude“, einem Künstlerdrama der Regie-Debütantin Sabrina Sarabi (Kinostart: 30. August), vor der Kamera stand.
„Wann geht es nach Hollywood?”
An seinen Auftritten in den Serien für Netflix oder Amazon, wo er in „You Are Wanted“ zu sehen ist, schätzt Louis Hofmann, „international anders wahrgenommen zu werden“. Es ist ein Understatement, das sich einer wie er leisten kann, der unter der Regie von Ralph Fiennes in dem Biopic „The White Crow“ mitgewirkt hat – als ostdeutscher Tänzer Teja Kremke, dem jungen Lover der russischen Ballettlegende Rudolf Nurejew (Kinostart im September). Die Schauspieler-Generation, der Louis Hofmann angehört, muss nicht mehr ständig auf die Frage antworten, mit der frühere deutsche Stars wie Moritz Bleibtreu oder Heike Makatsch in jedem Interview gelöchert wurden: „Und – wann geht es nach Hollywood?“ Die Frage erübrigt sich in einem Filmgeschäft, das dank Netflix und Co heute so globalisiert ist, dass jemand wie Louis Hofmann einfach auffällt.
Vor zwei Jahren durfte er zum ersten Mal kalifornischen Glamour schnuppern. Das dänische Nachkriegsdrama „Unter dem Sand“, in dem Hofmann einen deutschen Kriegsgefangenen spielt, der zum Minenräumen an der Ostsee gezwungen wird, war als bester ausländischer Film für den Oscar nominiert. Das hat seinen Kurswert gesteigert.
Großes Vorbild Tom Schilling
Wenn man ihn nach einem Vorbild fragt, muss Hofmann nicht lange überlegen. Der erste Schauspieler, der auf ihn einen tiefen Eindruck hinterlassen hat, war Tom Schilling. Er schätze dessen reduzierte, „wahrhaftige Art“ zu spielen. Das sei auch sein Ansatz. „Manchmal bekomme ich zu hören: ‚Kannst du nicht ein bisschen mehr machen, Louis?‘ Das liegt wohl daran, dass ich Angst habe, zu dick aufzutragen.“
Seit er in „Dark“ den Zeitreisenden spielt, wird er oft gefragt, in welche Epoche er gerne mal reisen würde. Nach der ersten Staffel habe er noch „die 80er“ geantwortet. „Mittlerweile wären es eher die 20er – allein wegen der stilvollen Anzüge.“