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Streaming-Tipp„Nanny“ verbindet afrikanische Folklore mit Sozialhorror

Lesezeit 3 Minuten
Die Schauspielerin Anna Diop steht in einer Szene des Films „Nanny“ vor dem Badezimmerspiegel.

In Nikyatu Jusus neuem Film „Nanny“ geht es um die senegalesische Einwanderin Aisha (gespielt von Anna Diop).

„Nanny“ räumte beim Sundance Film Festival den Hauptpreis ab. Nun läuft der Sozial-Horror-Film von Nikyatu Jusu bei Amazon Prime Video. Ob der Streifen was taugt, lesen Sie hier.

Bereits die Kurzfilme von Nikyatu Jusu haben in den vergangenen Jahren für große Begeisterung in der Branche gesorgt. Ihr Vampir-Kurzfilm „Suicide By Sunlight“ kam 2019 so gut an, dass kein Geringerer als Jordan Peele („Get Out“, „Wir“, „Nope“) demnächst für ein Projekt mit der Regisseurin mit sierra-leonischen Wurzeln zusammenarbeiten wird.

Nun erschien bei Amazon Prime Video mit „Nanny“ das Langspielfilmdebüt der 40-Jährigen. Die Vorfreude auf den als Horror-Drama zu klassifizierenden Film war enorm. Beim berüchtigten Sundance Film Festival räumte der Film den Hauptpreis im US-amerikanischen Spielfilmwettbewerb ab. Prominente Vorgänger, die ebenfalls diesen Preis erhielten, waren unter anderem die beiden oscarprämierten Filme „Coda“ und „Minari“.

„Nanny“ auf Amazon Prime Video: Darum geht es

In „Nanny“ geht es um die senegalesischen Einwanderin Aisha (Anna Diop), die sich als Nanny um Rose, die Tochter eines reichen Paares aus Manhattan kümmert. Mit dem Geld möchte Aisha bald ihren eigenen Sohn in die USA holen. Dieser lebt noch bei der Tante im Senegal.

Immer wieder wird Aisha während ihres Jobs jedoch von Albträumen und Halluzinationen heimgesucht. Zudem baut Rose so ein gutes Verhältnis zu ihrer Nanny auf, dass die leibliche Mutter Amy (Michelle Monaghan) immer mehr den Draht zu ihrer Tochter verliert. Nach und nach entfaltet sich so ein schmerzhaftes Drama, welches in manchen Momenten jedoch recht sperrig daherkommen kann.

Neuer Film von Nikyatu Jusu: „Nanny“ mit spiritueller Ebene

Jusu nutzte bereits in ihren vorangegangenen Werken immer wieder Elemente aus der afrikanischen Folklore. In „Nanny“ treibt sie diese Ausführungen auf die Spitze, weswegen gerade ein westliches Publikum mit einigen Szenen des Films überfordert sein könnte. Neben dem afrikanischen Wassergeist Mami Wata (ähnlicher einer Meerjungfrau) taucht auch die westafrikanische Spinnenfigur Anansi immer wieder auf. Als echte Gruselfiguren taugen diese mystischen Wesen allerdings nur wenig, viel mehr wird dem Film eine spirituelle, fast schon parapsychische Ebene hinzugefügt, die echte Horror-Fans nur selten schocken lässt. Darauf muss man sich einlassen.

Gut und gerne hätte man deswegen auch diese Elemente weglassen können. Als reines Sozialdrama hätte „Nanny“ vermutlich einen deutlich größeren Impact auf das Publikum gehabt. Immer wieder werden die Themen Rassismus, Identifikation und soziale Ungerechtigkeit angeschnitten, ohne sich jedoch auf diese Aspekte zu fokussieren. Gerade die Beziehung zwischen den beiden Müttern, die aus völlig unterschiedlichen Welten kommen, hätte somit deutlich mehr Raum zur Entfaltung bekommen dürfen.

Inszenatorisch weiß Nikyatu Jusu genau, welche Hebel sie wie bewegen muss. Nanny sieht wunderschön aus, spielt gekonnt mit Licht und Schatten und fühlt sich in manchen Momenten wie ein beengendes Kammerspiel an, in welchem die Figur von Aisha immer wieder in sich selbst gefangen ist.

Jusu weiß, wie sie ihr Handwerk umzusetzen hat und deswegen ist es auch kaum verwunderlich, dass sie als Shooting-Star aktuell ein so hohes Ansehen genießt. Ihr langer Debütfilm kann die Vorschusslorbeeren allerdings nur bedingt rechtfertigen. „Nanny“ verläuft sich oftmals in einem Labyrinth aus ungenutztem Potenzial und hochklassiger Inszenierung und bleibt am Ende somit nur ein durchschnittlicher Film.