Neue Pink-Floyd-SingleGroße Geste für die Ukraine – wenn nur die Musik nicht wäre
London – Eine neues Lebenszeichen der legendären britischen Band Pink Floyd, das ist schon eine kleine Sensation. Ab Freitag, den 8. April können Fans die neue Single „Hey, Hey, Rise Up!“ erwarben, alle Einnahmen unterstützen die Ukraine. Fragt sich nur, ob sie das Stück auch hören wollen.
David Gilmour, der Gitarrist von Pink Floyd und seit Roger Waters' Ausstieg auch ihr Bandleader, hat das große Erbe der britischen Gruppe umsichtig verwaltet: Etwa in dem er rechtzeitig aufgehört hat, neue Floyd-Alben zu veröffentlichen. Und auch dadurch, dass er die Marke Pink Floyd immer dann reaktivierte, wenn es wirklich darauf ankam: Für den einmaligen Reunion-Auftritt mit Waters beim Live-8-Konzert im Londoner Hyde Park. Oder für die Veröffentlichung älterer Aufnahmen mit dem 2008 an Krebs gestorbenen Keyboarder Richard Wright, als würdigen Nachruf auf das Gründungsmitglied der Band.
Wenn Gilmour jetzt mit „Hey, Hey, Rise Up!“ die erste wirklich neue Pink-Floyd-Aufnahme seit 1994, also seit fast 30 Jahren, als Benefiz-Single für die Ukraine herausbringt, geschieht das erneut aus den allerbesten Gründen. Noble Gesten alter Rockheroen haben oft einen Nachgeschmack von hohler Selbstverherrlichung. Diese Geste freilich nicht, ja sie könnte kaum persönlicher ausfallen.
Ukrainer als David Gilmours Backing Band
Gilmour hatte 2015 zusammen mit der ukrainischen Band BoomBox ein Solidaritätskonzert für das vom weißrussischen Regime unterdrückte Belarus Free Theatre gespielt. Damals konnte BoomBox-Sänger Andrij Chlywnjuk nicht das Land verlassen – also engagierte Gilmour die verwaisten Musiker kurzerhand als seine Backing Band.
Vor einigen Wochen, berichtete zuerst der „Guardian“, wurde Gilmour auf Chlywnjuks Instagram-Präsenz aufmerksam gemacht. Der Sänger hatte eine US-Tour von BoomBox abgebrochen, um sich der Freiwilligenorganisation der ukrainischen Streitkräfte anzuschließen. Eine Aufnahme beeindruckte Gilmour vor allem: Sie zeigt Chlywnjuk in Militärkleidung und mit geschultertem Gewehr vor der Kiewer Sophienkathedrale. Unbegleitet schmettert er den patriotischen Marsch „Der rote Schneeball auf der Wiese“, den die Ukrainische Legion, auch bekannt als Sitscher Schützen, bereits im Ersten Weltkrieg sang, als sie noch an der Seite Österreich-Ungarns kämpfte.
„Jetzt hat sich Pink Floyd Andrij angeschlossen, um seine Botschaft des Widerstands zu unterstützen“, steht im Video von „Hey, Hey, Rise Up!“ zu lesen, schon schmettert dunkel ein Männerchor, der ungeübte deutsche Ohren an Ivan-Rebroff-Fernsehauftritte aus den 1970er Jahren erinnern mag, dann hört man Chlywnjuks gesampelten A-Capella-Gesang begleitet von den beiden verbliebenen Pink-Floyd-Mitgliedern Gilmour und Schlagzeuger Nick Mason und zwei Gastmusikern. Man lauscht sofort Masons getragenes Schlagzeugspiel heraus. Aber erst wenn Gilmour nach der ersten Strophe zum Gitarrensolo ansetzt, klingt es endlich auch ein wenig nach Pink Floyd.
Irgendwann sieht man im Video ein kleines Mädchen vor Gilmour tanzen, das mag eine seiner Enkelinnen sein. Seine Schwiegertochter ist Ukrainerin und deren im Rollstuhl sitzende Großmutter, erzählte er dem „Guardian“, konnte die Familie erst vor drei Wochen aus Charkiw retten.
Verwundetem Sänger Aufnahme vorgespielt
So macht alles an dieser Benefiz-Single Sinn: Die persönliche Betroffenheit, die Einbeziehung ukrainischer Musiker – Gilmour hat Chlywnjuk Teile der Aufnahme vorgespielt, als dieser verwundet im Krankenhaus lag – und auch die Verwendung des Namens „Pink Floyd“ als größtmögliche Werbefläche, um möglichst viel Geld für das überfallene Land zu generieren.
Wenn nur die Musik nicht wäre. Denn Chlywnjuks pathetischer, kampfesfreudiger Vortrag will sich so gar nicht mit der elegischen, leicht resignierten Begleitung der Engländer vertragen. Was hymnisch, tragisch, aufrüttelnd klingen sollte, erinnert letztlich eher an die Art Eurovisions-Beitrag, bei dem Menschen in folkloristischen Kostümen eine vorgestrige Rocknummer aufpeppen sollen.
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Solcher Art Kritik mag angesichts der guten Absicht zynisch klingen. Ganz bestimmt wollen wir niemanden vom Spenden abhalten. Aber auf einer Pink-Floyd-Playlist wäre „Hey, Hey, Rise Up!“ ein klarer Fall für die Skip-Taste.