AboAbonnieren

Neue Serie „Agatha All Along“Wie sich Marvel mit ein wenig Hexenkraft wieder erholt

Lesezeit 4 Minuten
Dieses von Disney+ veröffentlichte Bild zeigt Kathryn Hahn als Agatha Harkness in der Marvel-Fernsehserie „Agatha All Along“.

Kathryn Hahn als Hexe Agatha Harkness in „Agatha All Along“

Kathryn Hahn war der Überraschungsstar aus „WandaVision“. Jetzt bekommt ihre Hexe Agatha Harkness eine eigene Serie auf Disney+.

„WandaVision“, die erste TV-Serie aus dem Marvel Cinematic Universe (MCU), blieb auch die bislang beste. Vielleicht, weil sie vom Fernsehen selbst erzählte und vom Trost, den virtuelle Wahlfamilien spenden können. Wanda Maximoff, als Scarlet Witch Teil des Superhelden-Teams The Avengers, verarbeitete darin die Trauer über ihren verstorbenen Partner Vision, in dem sie eine Familienidylle nach Sitcom-Vorbildern magisch heraufbeschwor.

Mit jeder Folge reisten die Zuschauer mit ihr weiter durch die Geschichte des Genres. Von „I Love Lucy“ aus den 1950ern bis zur „Modern Family“ der 2010er Jahre, stand jede Sitcom für eine neue Trauerphase.

„Agatha All Along“ ist die erste Marvel-Serie nach „WandaVision“ und „Loki“, bei der das Hinschauen lohnt

Ihren Höhepunkt erreichten Wandas Visionen als sich – Achtung, Spoiler! – die aufdringliche Nachbarin Agnes – gespielt von Kathryn Hahn – als Dunkelhexe Agatha Harkness outete, die im Hintergrund heimlich die Fäden gezogen hatte. Hahn sang dazu ihren eigenen TV-Titelsong, im Stil von „The Munsters“ oder „The Addams Family“, kulminierend in dem lachenden Geständnis, dass sie auch Sparky, den Hund der Maximoffs, auf dem Gewissen habe.

Jetzt hat die „WandaVision“-Produzentin und -Chefautorin Jac Schaeffer der hämischen Hexe eine eigene Serie gewidmet, benannt nach dem Song, der sie vor drei Jahren zum Instant-Publikumsliebling gemacht hat: „Agatha All Along“. Es ist die elfte Marvel-Serie auf dem Streamingdienst Disney+ und die erste nach „WandaVision“ und „Loki“, bei der das Hinschauen lohnt.

Sie beginnt im bekannt parodistischen Modus. Agatha begegnet uns weder als mächtige Hexe noch als nervige Nachbarin wieder, stattdessen ermittelt sie als extrataffe Polizistin im Städtchen Westview. Die Anspielungen auf Kate Winslets gefeierte Miniserie „Mare of Easttown“ sind überdeutlich, erneut gibt es einen eigenen Vorspann für „Agnes of Westview“, angeblich ein düsterer Krimi nach skandinavischem Vorbild.

Ah, denkt man, diesmal arbeitet sich Schaeffer also an Drama-Serien ab, doch die Krimi-Handlung entpuppt sich schnell als ein weiteres Hexengespinst. Agatha hockt immer noch als Hausfrau im idyllischen, aber von Wandas Manipulationen traumatisierten New-Jersey-Kaff fest, ihrer übernatürlichen Kräfte beraubt. Zerrissen wird ihr Verblendungszusammenhang von einer neuen Nemesis – Aubrey Plaza ist als übelgelaunte Schwarzkünstlerin ideal besetzt – und einem etwas aufdringlichen Zauberlehrling, Joe Locke, bekannt aus der LGBTQ-Teen-Show „Heartstopper“. Dessen Name – er firmiert vorerst schlicht als „Teen“ – bleibt sowohl Agatha als auch dem Publikum bis auf Weiteres verborgen, ein Fluch, wie er Drehbuchautoren gut zupasskommt.

Die Spekulationen über die wahren Identitäten von Plazas und Lockes Charakteren, gehen im Netz bereits durch die Decke. Menschen, die mit 85 Jahren Marvel-Folklore unvertraut sind, muss das ebenso wenig kümmern, wie man um die inhaltlichen Anschlüsse an den MCU-Film „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ wissen muss, um „Agatha All Along“ zu genießen. Nein, man muss eigentlich gar nichts wissen: Agatha Harkness muss sich auf eine Art Schatzsuche begeben, um ihre Kräfte wiederzugewinnen, dazu sammelt sie einen Hexenzirkel aus anfangs höchst unwilligen, aber selbst auf die ein oder andere Weise auf den Hund gekommenen Mitstreiterinnen ein, unter anderem Broadway-Legende Patti LuPone und die entzückend verwirrte Debra Jo Rupp, die man schon aus „WandaVision“ kennt (und aus „Die wilden Siebziger“).

Wer den „Zauberer von Oz“ gesehen hat, kann sich denken, wie es weitergeht, auch wenn die mythische „Witches' Road“ im Gegensatz zur Yellow Brick Road bläulich leuchtet. Das Simsalabim, mit dem die Hexen den Zugang zur magischen Straße öffnen, ist ein fantastischer Folksong, geschrieben von Kristen Anderson-Lopez und Robert Lopez. Die hatten auch schon die wunderbaren Sitcom-Titel-Pastiches für „WandaVision“ komponiert (und die Songs für die „Eiskönigin“-Filme). Der noch machtlose Hexenzirkel singt „The Ballad of the Witches Road“ im perfekten Satzgesang.

Das Frauenensemble (plus Joe Lockes Groupie) ist die wahre Attraktion der Serie. Anstelle von Sitcoms und ihren zeittypischen Entwürfen von Familien hat sich Schaeffer diesmal Frauenstereotype vorgenommen, um sie zu feiern, zu dekonstruieren und neu zusammenzusetzen. Das von Männern verfolgte Hexentum ist ja nur die moderne Spur eines vorgeschichtlichen Matriarchats. Es war immer schon Agatha.