Rasha Khayats neuer Roman ist eine Hommage an das Ruhrgebiet der 80er Jahre. Er handelt von einer Freundschaft über kulturelle Grenzen hinweg.
Neuer Roman von Rasha KhayatEine Freundschaft, die den Zeiten (fast) trotzte
Hanna, Zeyna und Cem wachsen in den späten 1980ern gemeinsam in einer Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet auf. Cems Eltern betreiben ein türkisches Lebensmittelgeschäft, Hanna lebt bei ihren deutschen Großeltern. In einer der langweiligen Sommerferien zu Hause, während die anderen Kinder im Urlaub sind, lernen sie Zeyna kennen. Die Neue aus der Siedlung ist, wie sie später erfahren werden, mit ihrem Vater aus dem Libanon geflohen.
In ihrem neuen Roman „Ich komme nicht zurück“ wechselt Autorin Rasha Khayat hin und her zwischen den Zeiten, mischt Hannas Gegenwart mit ihrer Vergangenheit. Als erwachsene Frau kehrt Hanna aus der Großstadt zurück in den Pott: „Das Grau der Kleinstadt empfing mich wie ein warmes Bad. Nichts war schön hier, und gerade das war schön.“ Sie zieht wieder in die alte Wohnung, trauert um ihre gerade verstorbene Großmutter, die mit ihrer Fürsorge stets alle zusammengehalten hatte. In ihrer Küche trafen sich nicht nur die drei Kinder, auch Zeynas Vater war oft zu Besuch. Ohne gemeinsame Sprache wurden er und Hannas Großvater Freunde. Sie alle bildeten eine Wahlfamilie, in der Herkunft keine Rolle spielte.
Das Ungesagte steht immer im Raum
Nun sitzt Hanna alleine in der alten Küche der Großmutter. Von hier aus blickt sie auf ihre Geschichte, auf die besondere Freundschaft, die Risse und schließlich den Bruch mit Zeyna zurück und versucht diesen Verlust zu ertragen: „Kann nicht, will an das Weggehen hier nicht denken. Lieber alles lassen, stillstehen lassen. Streiche über das abgenutzte Frühstücksbrettchen mit dem blauen Blumenmuster. Außer euch hab ich doch nichts.“
In ihrer Einsamkeit sieht Hanna ihre ehemalige beste Freundin überall, ob im Bus oder auf dem Weg zum Friedhof. Sie sucht den Kontakt, schreibt ihr immer wieder Nachrichten. Schnell wird klar: zwischen Zeyna und Hanna ist etwas so Schlimmes vorgefallen, dass keine von beiden darüber reden kann. Das Ungesagte steht immer im Raum, es zieht sich durch den Roman wie ein roter Faden. Khayat fängt das Schweigen ein, verwebt Verse und Songtexte mit ihrem Text und spürt den Momenten nach, in denen die Freundschaft Risse bekommt. Dazu gehören auch die politischen Umstände.
Auf einmal spielt Herkunft doch eine Rolle
Nach den Anschlägen von Mölln 1992 macht sich bei Zeynas und Cems Familien Angst breit. Sie bekommen die gesellschaftliche Ausgrenzung und den Rassismus zu spüren, sehen die Asyldebatten im Fernsehen. Am 11. September 2001 sind Zeyna und Hanna gerade auf einer Jugendfreizeit in England. Als sie zurückkommen, ist für Zeyna und Cem nichts mehr wie es war: Der Lebensmittelladen von Cems Eltern wird mit Steinen beworfen, Zeynas Vater als Terrorist beschimpft. Die beiden Freunde erleben die Angst, Hanna nicht. Und auf einmal ist Herkunft in ihrer Freundschaft doch nicht mehr egal – auch wenn das nicht der Grund für den finalen Bruch der Freundinnen ist, wie man erst ganz am Ende des Buches erfährt. Die Auflösung, auf die alles hinausläuft, kann den aufgebauten Erwartungen nur schwer standhalten.
Einsamkeit, Verlust und politische Themen – alles erzählt die Autorin entlang der Freundschaft der drei Hauptfiguren. Sie tragen auch ein Stück ihrer eigenen Geschichte: Rasha Khayat wuchs zwischen ihrem zweiten und zehnten Lebensjahr in der Heimat ihres Vaters, Saudi-Arabien, auf. Als sie elf war, zog ihre Familie zurück nach Deutschland: Gladbeck statt Jeddah. Diese Zeit, sagt sie, war auch für sie zunächst eine einsame Erfahrung. Und trotzdem, nach 20 Jahren in Hamburg, ist sie nun wieder dorthin zurückgezogen. Mit ihrem neuen Roman widmet sie dem Ruhrgebiet, wie sie es erlebt hat, eine literarische Hommage, die trotz schwerer Themen mitunter auch humorvoll und leicht zu lesen ist.
Rasha Khayat, geboren 1978 in Dortmund, studierte Vergleichende Literaturwissenschaften, Germanistik und Philosophie in Bonn. Sie arbeitet als freie Autorin, Übersetzerin und Dozentin. 2016 erschien ihr Debüt „Weil wir längst woanders sind“. Für ihre Arbeit erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, u. a. das Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung. Ihr neuer Roman „Ich komme nicht zurück“ erscheint beim DuMont Verlag, hat 176 Seiten und kostet 24 Euro. Wir verlosen fünf Exemplare. Wenn Sie gewinnen wollen, schreiben Sie bitte bis 6. September, 12 Uhr, eine Mail mit Ihrem vollen Namen, Ihrer Adresse und dem Betreff „Rasha Khayat“ an ksta-kultur@kstamedien.de. Die Buchpremiere findet am 4. September, um 19.30 Uhr im Literaturhaus Köln statt. Infos und Tickets unter literaturhaus-koeln.de.