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Neuer Taschen-BildbandNäher wird auch Elon Musk dem Mars nicht kommen

Lesezeit 3 Minuten
Ein künstlerisches Konzept aus dem Jahr 2021 zeigt NASAs 
Perseverance-Rover bei der Erkundung des Bodens 
des Jezero-Kraters, in dem sich einst ein 
alter See befand.

Der Perseverance-Rover erkundet in dieser Ansicht eines unbekannten Nasa-Künstlers den Boden des Jezero-Kraters, der wohl einst den Grund eines Sees bildete.

Vor 60 Jahren besuchte die Menschheit zum ersten Mal den Mars. Ein Band des Kölner Verlags Taschen zeigt die spektakulärsten Nasa-Bilder.

Aufzeichnungen über den Mars reichen bis ins Bronzezeitalter zurück. Doch die moderne Faszination mit dem vierten Planeten begann 1877, als die Erde und ihr roter Nachbar in ihren Umlaufbahnen auf kurze Distanz zueinander gingen. Der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli nutze die Nähe, um den Mars näher durchs Fernrohr zu betrachten – sein Landsmann Galileo Galilei hatte das 1610 als erster getan. Mit seinem überlegenen Teleskop glaubte Schiaparelli Senken zu erkennen, die die Marsoberfläche durchfurchten. Er beschrieb sie als „canali“. Im Englischen wurden sie irrtümlich mit „canals“ übersetzt, für natürliche Kanäle wie die Meeresenge zwischen England und dem Kontinent benutzt man aber das Wort „channel“.

Der kleine Fehler sorgte für eine Sensation: Offensichtlich verwiesen die Kanäle auf eine außerirdische Intelligenz. Der Hobbyastronom Percival Lowell, dessen Liebhaberei später zur Entdeckung des Pluto führen sollte, spekulierte in mehreren Büchern über die Marskanäle als Wunder der Ingenieurskunst. „Er glaubte aber auch“, schreibt Margaret A. Weitekamp vom Smithsonian National Air and Space Museum im „Mars“-Bildband aus dem Kölner Taschen-Verlag, „dass die karge Oberfläche des Mars vielleicht das Schicksal der Erde vorwegnehme.“

Elon Musk will bis 2050 eine Million Menschen auf dem Mars ansiedeln

Der Mars als gescheiterter Bruder, dunkler Spiegel unserer Zivilisation. Mit diesem Gedanken war der britische Autor H. G. Wells Percival Lowell zuvorgekommen: In „Der Krieg der Welten“ (1898) überfallen Marsianer die Erde, nachdem sie die Ressourcen ihrer Welt aufgebraucht haben. Wells' Roman ist auch eine Kolonialismus-Satire. Eine Feinheit, die Elon Musk, der erklärt hat, bis 2050 eine Million Menschen auf dem Mars ansiedeln zu wollen, entgangen sein dürfte.

Erst als die Nasa-Sonde Mariner 4 – gestartet am 28. November 1964 in Cape Canaveral – in 10.000 Kilometern Höhe am Mars vorbeiflog, konnten Lowells wilde Fantasien endgültig widerlegt werden: Es gab keine Kanäle. Und auch sonst nicht viel. „Eine gesunde Dosis Realitätssinn“ habe man dieser ersten Mission zu verdanken, so James L. Green, bis 2022 Leitender Wissenschaftler der Nasa, im Taschen-Band. Der Mars, wie die Bilder von Mariner 4 ihn zeigten, schien öd und leer, eine Enttäuschung planetarischen Ausmaßes. Doch dieser Eindruck täuschte selbst.

Carl Sagan, ein Mitglied des Viking-Teams, steht neben dem 
Modell der Mars-Sonde während eines Tests im Jahr 1980.

Carl Sagan, ein Mitglied des Viking-Teams, steht neben einem Modell der Mars-Sonde während eines Tests im Jahr 1980.

Der Leser des Bandes nähert sich dem roten Himmelskörper in der Abfolge der Missionen, von Vorbeiflügen der Mariners über die Umrundungen diverser Orbiter, bis zu den Landungen robotischer Stellvertreter der Menschheit. Immer eindrücklichere Bilder werden heim zur Erde gefunkt. Krater und erloschene Vulkane, darunter Olympus Mons, der höchste Berg des Sonnensystems. Wir sehen den lachsroten Himmel und die blau leuchtenden Sonnenuntergänge des Mars, seine riesigen Dünenfelder. Die Valles Marineris, eine tiefe Wunde, die sich auf 4000 Kilometern Länge am Äquator erstreckt. Millimetergroße Blutstein-Sphären, die als Nachweis für Wasservorkommen auf dem vermeintlichen Wüstenplaneten gelten. Vor drei Jahren hat ein ESA-Obiter Valles Marineris große Wasservorkommen nur einen Meter unter der Oberfläche entdeckt.

Blätternd reist man durch den Raum, ruckelt auf den Rücken der Mars-Rover Curiosity und Perseverance über steiniges Gelände. Diese Maschinen, sagt Rob Manning, Ex-Chefingenieur des Jet Propulsion Laboratory, sind kooperative Meisterwerke. Hochkomplex und fehleranfällig: Fast die Hälfte aller Mars-Missionen sind gescheitert.

Die hübschen Bilder sind auch wissenschaftliche Daten: Abenteuer, Schaulust und astrogeologische Forschung fallen in diesem Bildband in eins. Und die Reste von Leben, das Forscher auf dem einst wohl tatsächlich blühenden Mars suchen? Könnten sich in den Bohrkernproben finden, die die Rover den ersten bemannten Marsmissionen hinterlassen haben. Bis dahin bleibt dieses Buch das beste Zeugnis des Mars.


Cover des Taschen-Bandes "Mars", Dezember 2024

„Mars. Photographs from the NASA Archives“, Taschen, 740 Seiten, 50 Euro erscheint in der dritten Dezemberwoche hier