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Spanischer SuperstarHat Rosalía etwa alles nur geklaut?

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Der spanische Superstar Rosalía   

Barcelona – Die katalanische Sängerin Rosalía gilt, ganz zurecht, als die Zukunft des Pop. Da verwundert es nicht, dass ihre Musik zur Kampfzone aktueller Diskussionen über Kulturelle Aneignung wurde. Die findet immer dann statt, wenn sich eine dominante Kultur derjenigen einer benachteiligten Minderheit bedient.

Das galt und gilt für weite Teile der Popmusik: Man denke nur an die Songstrukturen, Rhythmen und Phrasierungen, die die Rolling Stones afroamerikanischen Blues-Musikern abgelauscht haben, ohne deren Erfahrungen mit Alltagsrassismus und dem Erbe der Sklaverei teilen zu müssen.

Durchbruch mit Flamenco-Album

Rosalía feierte mit ihrem zweiten Album, „El mal querer“ den internationalen Durchbruch: Für angloamerikanisch sozialisierte Ohren klang das wie eine neue, aufregendere Form von Weltmusik: Die junge Künstlerin kombinierte traditionellen andalusischen Flamenco mit zeitgenössischem R’n’B und solch halsbrecherischen elektronischen Produktionsmitteln, wie sie etwa Björk Anfang der 1990er in den Popkanon hineingetragen hatte. Ein revolutionäres Stück Musik.

In Spanien führte „El mal querer“ dazu, dass der „Roman de Flamenca“der höfische Roman aus dem 13. Jahrhundert, den Rosalía ihrem Album zugrunde gelegt hatte, neu aufgelegt und in Massen verkauft wurde. Doch es gab auch eine hitzige Debatte darüber, ob sich die Sängerin als weiße Europäerin nicht Musik und Bildsprache der Roma angeeignet hätte.

Hitzige Debatte um Kulturelle Aneignung

Das Album war ihre Abschlussarbeit an der Escola Superior de Música de Catalunya gewesen. Dort hatte sie vier Jahre lang unter dem Flamenco-Lehrer José Miguel Vizcaya studiert, der berüchtigt dafür ist, nur eine Schülerin pro Jahrgang zu unterrichten.

Rosalía hatte also viel Zeit, Mühe und Talent investiert und nicht leichtfertig geborgt. Aber berechtigte sie das dazu, mit ausgestellt andalusischem Akzent zu singen? Schließlich erschien in Spanien sogar ein Essayband mit 13 unterschiedlichen Positionen zum problematischen Meisterwerk, das selbst der strukturkonservative „Rolling Stone“ sofort in seine „500 Alben, die man gehört haben muss“-Liste aufgenommen hat.

Triumphale Rückkehr mit „Motomami“

Nun ist, dreieinhalb Jahre später, endlich der Nachfolger erschienen, „Motomami“ betitelt, ein Kofferwort aus Motorrad und einem Slangwort für Baby, Schätzchen. Rosalía ist, um das vorwegzunehmen, erneut ein großer Wurf gelungen. Noch selbstbewusster tritt die selbsterklärte Motorradbraut hier auf, verzichtet auf ein literarisches Gerüst, lautmalt stattdessen ein Porträt der Künstlerin als junger Weltbürgerin. Sie singt mit Billie Eilish (nicht auf dem Album, sondern im Soundtrack der Serie „Euphoria“), sie singt mit The Weeknd, sie ist der musikalische Wochengast bei „Saturday Night Life“ – sie ist Europas hellster Stern. Die „New York Times“ bescheinigte ihr „megastardom“.

Zusammengehalten wird „Motomami“ allein von ihrem Willen und ihrer so einige Oktaven umfassenden, mal schmeichelnden, mal melancholischen, noch häufiger glasharten Stimme (es endet a capella mit einer unfassbar schönen Liveaufnahme). Musikalisch spannt sie dagegen ein globales Netz aus.

Karibische Rhythmen

Der Flamenco tritt diesmal in den Hintergrund („Bulerías“ ist das einzig unverfälschte Flamenco-Stück) macht Platz für Pop-affinere karibische Rhythmen: Reggaeton, Champeta, Bachata, Dembow – und eine klassische Coverversion der Salsa-Ballade „Delirio de Grandeza“. Was ihr erneut den Vorwurf der Kulturellen Aneignung einbringen wird. Nicht zuletzt, weil Rosalía inzwischen etliche „Latin“-Musikpreise eingeheimst hat, die ihr nicht jeder gönnt: Eine Spanierin ist schließlich keine Latina, sondern gehört zum Volk der Kolonisatoren.

Nur kann Rosalía nichts dafür, dass in den USA jede spanischsprachige Musik in die Schublade „Latin“ verräumt wird, auch hat sie sich die transatlantischen Stile wie zuvor den Flamenco mit größtmöglichem Respekt angeeignet: Gleich der erste Track des Album, „Saoko“ ist eine offenkundige Hommage an den stilbildenden Reggaeton-Song „Saoco“ von Wisin und Daddy Yankee von 2004.

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Ein Ausflug auf Youtube um die beiden Stücke zu vergleichen lohnt sich. Man begreift dann auch gleich, wie Rosalía ihre Einflüsse in die Zukunft katapultiert, allein dieser komplett irre Jazzbreak! Es ist schon wichtig zu wissen, wo etwas herkommt. Aber um zu ganz neuen Gefilden aufzubrechen, braucht es eben den Austausch, den Remix.

Nebenbei: Das Video zu „Saoko“ hat Rosalía auf der doppelstöckigen Podilbrücke in Kiew gedreht, vor dem Krieg.

„Motomami“ von Rosalía ist bei Epic/Sony Music erschienen