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Neues Tanzfestival in KölnGrenzüberschreitungen im Livestream

Lesezeit 3 Minuten

Claudio Stellatos „Bodies in Relation“

Köln – Der Tanz hat sich in seiner langen Geschichte ja schon mit vielem verbündet: Er zog ins Museum und gab sich konzeptionell und abstrakt wie bildende Kunst. Er verbündete sich mit der Sprache und nannte sich fortan „Tanztheater“, lernte Hightech, um seine Zuschauer wie bei einem Computerspiel in das Geschehen eintauchen zu lassen. Seit ein paar Jahren hat der Tanz noch einen weiteren Partner: den Zirkus.

Und jetzt gibt es erstmals ein Festival, das dieses Genre würdigt: Das Circus Dance Festival, initiiert von der Kölner Kompanie „Overhead Project“ unter Leitung von Tim Behren.

Eigentlich sollte es schon im letzten Jahr stattfinden, musste aber pandemiebedingt ausfallen. In den kommenden vier Tagen gibt es das Festival erstmals als Mischung aus Filmen und Live-Streamings vom Zirkus- und Artistikzentrum Köln, bei denen immerhin das Risiko bleibt, dass etwas auf der Bühne schiefgeht – nicht unwesentlich für ein Genre, das die Lust am Thrill feiert. So etwa das Stück „All Genius All Idiots“ der schwedischen Svalbard Company.

Grob wie Löwenbändiger

Vier muskelbepackte taffe Kerle. Grob wie Löwenbändiger, lustig wie Clowns und in Momenten auch so feminin-zart wie einst die Luftakrobatin im Glitzerkostüm. Auf der Bühne liegen blaue Müllsäcke. In scheinbar chaotischer Anordnung sind Seile gespannt. Stangen reichen bis unter die hohe Decke. Die Artisten robben daran hoch wie Raupen. Sie klettern mit äffischem Vergnügen aufeinander rum, bauen Körperpyramiden in aberwitzigen Architekturen. Einer baumelt schlaff am Vertikalseil wie zugedröhnt – ganz schön gefährlich!

Ein anderer stakst in Plateau-Highheels über die Bühne, auf dem Kopf ein Hirschgeweih, und begleitet das Geschehen mit einem Soundgemisch aus kratzigem Blues, Pop, Folk und Percussion auf Alltagsgegenständen. Eine schwindelerregende Show, die manchmal an den „Stunt-Tanz“ des belgischen Choreographen Wim Vandekeybus erinnert, aber doch die eigenen Wurzeln im Zirkus nicht vergisst.

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Das gilt auch für den Gastgeber: Overhead Project. Seit 13 Jahren gibt es die Kompanie, und sie waren schon feste Größe im zeitgenössischen Tanz, als Förderer, Kulturpolitiker und Festivalveranstalter noch die Nase rümpften über die dreiste Grenzüberschreitung zwischen „E-“ und „U-Kultur“. Dass das heute anders ist, liegt auch an Overhead Project, die mit ihren Stücken zeigen: Circus Dance – das meint gleichermaßen Kopf- und Körperakrobatik: aufregende Tricks und schlaue Konzepte.

So auch in Tim Behrens Choreographie „Circular Vertigo“, mit dem das Festival heute eröffnet. Ein eigenwilliges Duo zwischen der Tänzerin Mijin Kim und einem Pauschenpferd, einem Turngerät aus Leder und Holz. An die 100 Kilogramm schwer baumelt es an Seilen von der Decke, wirbelt manchmal wild im Kreis – ein „Tritt“ mit seinem Eisenhuf könnte übel enden für die Tänzerin.

Das Objekt dominiert hier den Menschen, noch dazu ein Pferd, mit dem einst die Geschichte des Zirkus begann. Vor 250 Jahren gründete der Engländer Philip Astley eine Kunstreitschule und führte seine Pferde im Zirkusrund vor. 2021 ist aus einem Pferd ein Pauschenpferd geworden – und aus einer Dressur eine Begegnung in Demut.

Circus Dance Festival vom 20. bis 24. Mai auf dem Außengelände des TPZAK - Zirkus- und Artistikzentrum Köln. Die Stücke werden jeweils live auf die Public-Viewing-Videowand und in den digitalen Raum gestreamt.