Das NN-Theater bringt „Peer Gynt“, den „norwegischen Faust“, in Köln auf die Freiluft-Bühne und begeistert mit einer originellen Abenteuerreise.
NN-Theater im FriedensparkAb Mittwoch kann man in Köln diese Klassiker an der frischen Luft sehen
Er ist eine der schillerndsten Bühnenfiguren, die das europäische Theater hervorgebracht hat. „Peer Gynt“ heißt der Held des norwegischen Dichterfürsten Henrik Ibsen (1828-1906). Ein Narzisst wie aus dem freudschen Lehrbuch und zugleich eine wundersame Mischung aus dem Lügenbaron Münchhausen und dem Faulenzer Oblomow.
Peer Gynt: Zwischen Schein und Sein
Wie schon in ihrem Stück „Odyssee“ schickt das Kölner NN-Theater unter der Regie von Rüdiger Pape in „Peer Gynt – Der Traum vom Ich“ die Zuschauer auf eine abenteuerliche Reise. Eine Reise im Grenzbereich zwischen Schein und Sein, die bei Peer Gynt zum veritablen Egotrip ausartet. So ist es nur folgerichtig, dass dieser Reisende in Sachen Selbstfindung gleich von drei Schauspielerinnen verkörpert wird. Irene Schwarz und Christine Per, sowie erstmals im Ensemble Christina Wiesemann wechseln sich mal munter ab, um dann wieder den Gynt gleich in dreifacher Aufführung auf die Bühne zu schicken. Da kann auch schon einmal dem Publikum und nicht nur dem Helden der Kopf schwirren.
Aber das NN-Theater weiß wie immer souverän selbst mit den anspruchsvollsten Klassikern umzugehen, wenn es gilt, hehre Kultur mit hohem Unterhaltungswert zu verbinden. So webt die Inszenierung federleichte Modernismen in das nordische Versmaß. Da taucht dann plötzlich der Ärztesong „Junge“ auf, wenn es gilt, den Generationendisput im Hause Gynt zu beleuchten und wenn es ihn später gegen „tief im Westen“ zieht, bleibt ein Grönemeyer-Gag nicht aus. Die köstlichen Albernheiten und pointierten Kalauer sind allerdings so fein dosiert, dass sie wie Schmieröl und nicht wie Sand im Getriebe wirken. Für gut 100 Minuten wird der Zuschauer Zeuge dieser aufregenden Lebensreise.
Hehre Kultur mit hohem Unterhaltungswert
Aufgewachsen auf einem heruntergewirtschafteten Hof an einem norwegischen Fjord träumt und fabuliert sich der junge Peer in kleine Fluchten. Immer verwegener werden seine (Lügen)-Geschichten. Der bettelarme Faulenzer wird in seiner eigene Fantasie zum tatkräftigen Herrscher. „Ich, Ich, Ich“ heißt es bei Peer, wenn er zum Gram seiner verwitweten Mutter mit Lug, Trug und Trieben in der Region verbrannte Erde hinterlässt. Eine von ihm geraubte und verführte Braut zwingt ihn zur Flucht. Erste Station in der Ferne ist das Reich der Trolle, deren groteske Regeln in ihrer „verkehrten“ Welt auch einen gewieften Lügenbaron wie Gynt an seine Grenzen bringen.
NN-Theater begeistert mit großer Originalität auf der Bühne
Wie immer begeistern beim NN-Theater der Einfallsreichtum und die Originalität, wenn mit nur wenigen Kulissen und tollen Kostümen in Windeseile neue Welten auf die Bühne gezaubert werden. Michl Thorbecke hat mit dem zentralen Bühnenelement einen ovalen Korpus aus Holz kreiert, der sich traumwandlerisch von der schlichten Bauernkate zur urigen Troll-Höhle und vom glitzernden Geldpalast zum Sturm umtosten Segelschiff transformiert, bis er sich als jene berühmte Zwiebel zeigt, mit der Ibsen sein Stück enden ließ. Bis es so weit ist, dass Gynt für seine Hybris und Ich-Sucht Rechenschaft abzulegen hat, geht es aber nach der Pause im zweiten Teil des Stücks zuerst einmal nach Amerika.
Bernd Kaftan, der als Live-Musiker einen feinsinnigen Soundtrack über dieses Reiseabenteuer legt, lässt den dreifachen Gynt in protzigen Outfits (Kostüme: Claus Stump, Andres Uebel) eine fulminante musikalische Kurzrevue aufs Parkett zaubern, bei der von Abba bis Pink Floyd das Thema Geld den Ton angibt. Auf den schnöden Mammon folgt nach finanziellem Absturz das Irrenhaus, das von den drei Schauspielerinnen ebenso für herrliche Charaden genutzt wird, wie der spätere irrwitzige Kampf um die letzte Planke beim Schiffsuntergang auf der Rückreise nach Norwegen.
NN-Theaterfestival, Friedenspark Köln Süd: Peer Gynt 7. – 9.8. sowie 6.9., Molière 10. und 11.8, sowie 7.8., Odyssee 12.8. und 8.9., Exit Casablanca, 13.8., jeweils 20.30 Uhr.