Paolo Conte gibt Köln-KonzertDer Herr der Lässigkeit
Köln – Der Dom spielt mit. Natürlich spielt er mit, weil er das immer tut, wenn Schönes ihm zu Füßen liegt. Nun sind französische Gotik und die von Paolo Conte verkörperte italianità keine ästhetischen Synonyme. Aber so wie es dem Altmeister unter den „cantautori“ – dem italienischen Wort für Singer-Songwriter oder hübsch hässlich „Liedermacher“ – gelingt, sich die unterschiedlichsten Stilformen anzuverwandeln, so geht Contes Musik auch eine unwiderstehliche Symbiose mit dieser Kulisse ein.
Es sei Contes einziges Deutschland-Gastspiel im Sommer 2019, hat der Veranstalter mitgeteilt. Ob es dem Künstler etwas bedeutet, wo er gerade ist oder für wen er da singt und spielt, bleibt unklar. Nicht einmal der Enthusiasmus der Kölner auf dem Roncalliplatz bringt Conte von seiner – sagen wir – sparsamen Interaktion mit dem Publikum ab. Ein Blick durch die Sonnenbrille, die er so um die Zeit des Sonnenuntergangs herum aufsetzt, ein spöttisches Lächeln und die Andeutung einer Verbeugung. Das war’s. Conte ist die Coolness in Person; casualità, Lässigkeit, würde der Italiener sagen.
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Genau das ist der Markenkern seiner Kunst. Das muss einer ja erst einmal schaffen, dass er mit einem brummenden Sprechgesang, der immer nach 20 Selbstgedrehten und einem doppelten Vecchia Romagna auf Eis klingt, die Leute verzückt. Oder dass er für gebrabbelte Scat-Laute à la „duducibumcibumbchipschips“ Beifall bekommt, als hätte er gerade eine hoch virtuose Textzeile deklamiert.
Im Zwei-Finger-Suchsystem am Flügel
Wie artistisch dieses ästhetische Understatement des inzwischen 82-Jährigen ist, erkennt man daran, dass alle seine Töne – wenn man sie so nennen will – perfekt sitzen und das Timing hundertprozentig stimmt. Im Zwei-Finger-Suchsystem wie auf einer Schreibmaschine traktiert Conte den Flügel in der Mitte der Bühne, deutet eine Moll-Tonleiter nach unten an – und hat ein diebisches Vergnügen an diesem Minimalismus, während um ihn herum sein fantastisches Begleit-Ensemble gerade zur Maximalform aufläuft. Mehr als zehn Minuten lang treiben Schlagzeug, Gitarren und Bass beim fast 40 Jahre alten Klassiker „Diavolo rosso“ einen Foxtrott-Puls an der Grenze zur Finger- und Beinverknotung voran. Ein Instrumental-Solo jagt das nächste, dazwischen hoch kantable Passagen, die sich im Ohr festsetzen und zugleich direkt ins Gemüt gehen.
Und dann, irgendwann in dem ganzen Aufgalopp an Virtuosität, von dem man nicht möchte, dass er jemals endet, wünscht man sich doch auch, dass jetzt – bitte, bitte! – Conte wieder mit seinem Bass oder mit dem Gequäke seines Kazoo dazwischenfährt.
Es ist wie verhext. Aber auch, wenn er so tut, als ginge ihn das alles nichts an, weiß der Hexenmeister sehr genau, wie sein Zauber funktioniert. Die Setlist vereint eine Auswahl der größten Conte-Hits mit einem Akzent auf den Balladen. „Gelato al limon“ hätte man sich vielleicht noch gewünscht – oder gar „Azzurro“, die vielleicht italienischste aller „canzoni“, die nicht nur Adriano Celentano, sondern auch den Komponisten Conte und das ganze Genre unsterblich gemacht hat. Aber mit „Via con me“, nach eigenem Bekunden Contes Lieblings-Song, ist seinem Konzert auch ein würdiger Schlusspunkt gesetzt. „It’s wonderful, it’s wonderful, it’s wonderful ...“ Si, Maestro!