Perfume Genius in KölnLiebeserklärungen und Angstschreie
Köln – „Dein Körper verändert alles“, croont Mike Hadreas auf der Bühne der Kölner Kulturkirche, mit dem Sakralraum gemäß verhallter Stimme. Seine fünfköpfige Band pumpt dazu wie ein Herzmuskel beim Indoorcycling. Hadreas krümmt und streckt sich, verfängt sich im Mikrofonkabel, ein Schmerzensmann. Sein Song handelt vom buchstäblichen wie metaphorischen Gewicht eines geliebten Körpers, ist Liebeserklärung und Angstschrei zugleich.
Nicht zuletzt könnte es auch der eigene Körper sein, der hier das Bewusstsein bestimmt: In mehr als einem Lied hat Hadreas seinen lebenslangen Kampf mit Morbus Crohn dokumentiert, oder den natürlichen Verfall besungen. Seinen Künstlernamen Perfume Genius hat der Musiker aus Seattle in Anspielung auf Patrick Süskinds Meisterparfümeur und Serienmörder Jean-Baptiste Grenouille, auch er ein Sammler von Körpern.
Auf seinen bislang sechs Studioalben in zwölf Jahren hat Hadreas eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht: Von schüchternen, zerquälten Klavierballaden hin zum schwelgerischem Barock-Pop.
Mobbing. Missbrauch, Selbstverachtung
Nur sein Gespür für einprägsame Melodien und sein Wille zur offenherzigen Auseinandersetzung mit den eigenen Dämonen waren von Anfang im Spiel. Mobbing, Missbrauch, Selbstverachtung, Drogensucht: Nein, es ist noch immer nicht leicht, in Amerika (oder irgendwo anders) offen schwul zu leben.
Hadreas ist neben seiner offenkundigen musikalischen Begabung auch ein ausgezeichneter Geschichten-Erzähler – seine Texte muss man allerdings kennen oder nachlesen, der Klang in der Kulturkirche verwischt die Details. Aber eigentlich erklärt die Musik schon alles, fast zurückhaltend beginnt sie, nimmt dann mit feinen, tanzbaren Popstücken Fahrt auf, steigert sich schließlich zur großen Prog-Rock-Oper.
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Das Parfüm-Genie bastelt sich dazu aus einem mit Tauwerk verknotetem Stuhl, einem Stück Tüllstoff und mehreren Mikrofonständern eine Instantskulptur, aus der es sich prompt sinnbildlich befreit, wie eine Braut, die sich was traut. Dazu singt Hadreas so sirenenhaft schön, dass man mehrere Menschen auf den Kirchenbänken weinen sieht. Auch der eigene Körper fühlt sich nach diesem schönen Konzert anders an: leichter.