Peter Hahnes Sachbücher sind erstaunlich erfolgreich. Auch sein jüngstes Werk verkauft sich blendend. Warum bloß?
Peter Hahnes SachbucherfolgArmer alter weißer Mann
Ich gebe zu, ich habe die Bücher Peter Hahnes für diese Kolumne bisher ignoriert. Doch nun sah ich vor kurzem die Meldung, dass sein neuestes Werk „Ist das euer Ernst?“ (Quadriga, 144 Seiten, 12 Euro) im ersten Halbjahr 2024 auf Platz 4 der Hardcover-Verkäufe steht. Also habe ich es mir vorgenommen – oder besser angetan. Der Titel ließ Böses erahnen, aber ich hätte dem studierten Geisteswissenschaftler und früheren stellvertretenden Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios doch zumindest ein Mindestmaß an gedanklicher Klarheit zugetraut. Ich wurde enttäuscht.
Das Buch umfasst nur 140 Seiten, ist aber dennoch ermüdend redundant. Inhaltlich ist Hahnes Erguss daher schnell zusammengefasst. Wir leben in „Wokistan“, das Land ist am Ende. Es ist aber nicht nur der Furor, mit dem Hahne schreibt und den er anderen permanent vorwirft, der abschreckt. Es sind vor allem die Behauptungen, die er aufstellt, ohne sie zu belegen. Vieles von dem, was er schreibt, lässt sich vielmehr durch eine kurze Recherche widerlegen. Frauen sollen kein Eis mehr schlecken? Niemand Ernstzunehmendes fordert das. In San Francisco darf man einfach so Ladendiebstahl begehen, ohne belangt zu werden? Stimmt so nicht.
Warum lässt der Verlag diese Unwahrheiten unkommentiert stehen?
Ob Hahne bewusst lügt oder lediglich zu tief ins Rabbit Hole rechter Vorkämpfer wie „Junge Freiheit“ oder „Tichys Einblick“ eingetaucht ist, sei dahingestellt. Und an dieser Stelle muss sich auch der Verlag fragen lassen, warum er diese Unwahrheiten unkommentiert stehen lässt. Früher war sowieso alles besser, da gab es schließlich keine „gendergerechten Bibelverse, keine Bischöfe in Regenbogenfarben“. Stimmt, es muss an dieser Wokeness liegen, dass den Kirchen die Mitglieder davonlaufen.
Er setzt die Pandemie in Anführungszeichen, spricht von „Milliarden völlig überflüssiger und zum Teil tödlicher Spritzen der letzten vier Jahre“ und Trump-Fan ist er natürlich auch. Und immer packt er die große Entrüstungskeule aus. Geht es darum, ob rassistische Begriffe in Kinderbüchern ersetzt werden sollten, ist er bei den Bücherverbrennungen der Nazis. Entscheidungen der Bundesregierung setzt er mit Verhältnissen in den schlimmsten Diktaturen gleich. Und verhöhnt so die Opfer solcher Regime.
„Auch am Sprachstil erkennt man übrigens Bildung“, so Hahne. Was sagt es dann also über ihn aus, wenn er seine Gegner als verblödet bezeichnet, Politiker als Schwächlinge und arme Kreaturen beschimpft? Nichts Gutes. Er schreckt nicht einmal davor zurück, bei der Debatte über eine modernisierte Schneewittchen-Fassung „Tausende aus dem Internet“ zu zitieren, die sich wünschen, die Macher von Disney sollten so enden wie die böse Königin im Märchen – also zu Tode gefoltert durch rot glühende Schuhe. Wer das für gute Debattenkultur hält, hat entweder nichts verstanden oder will bewusst Öl ins Feuer gießen. Und Aussagen werden auch nicht dadurch besser oder wahrer, wenn man sie inflationär mit Ausrufezeichen versieht.
Fast könnte Hahne einem leidtun, dieser alte verunsicherte weiße Mann, der sich offensichtlich in der Welt nicht mehr zurechtfindet. Aber dafür ist sein „galoppierender Wahnsinn“ – um ihn mal zu zitieren – einfach viel zu gefährlich.