Gerade hat Peter Maffay im Music Store in Köln-Kalk seine Abschiedstournee angekündigt. Jetzt kommt er schon wieder zurück nach Köln und liest auf der lit.Cologne Spezial.
Peter Maffay im Gespräch„Ich will nicht hinter dem Ofen sitzen und warten, bis sich die Urne öffnet“
Peter Maffay, erst vor wenigen Tagen haben Sie in Köln zwar nicht Ihren Bühnenabschied verkündet, aber immerhin Ihre letzte Tournee. Bereuen Sie das schon?
Peter Maffay: Auf gar keinen Fall. Ich habe ja nur gesagt, dass es nach der Tour, die wir nächstes Jahr spielen werden, keine weiteren zusammenhängenden Tourneen mehr geben wird. Das bedeutet nicht, dass ich von Musik nun komplett Abstand nehme. Es wird noch andere musikalische Projekte geben.
Trotzdem ist es ja eine Zäsur ...
Absolut!
… und ich frage mich, wie lang und schwer der Entscheidungsprozess verlief?
Das war nicht schwierig. Weil ich berühmte und tolle Kollegen habe, die sich an einem bestimmten Zeitpunkt ähnlich entschieden haben. Vor ein paar Wochen waren Hendrikje und ich bei einem Abschiedskonzert von Elton John. Bryan Adams ist ähnlich vorgegangen, oder Tina Turner. Alle Leute, die wie ich das große Glück hatten, viele Jahre dabei zu sein, kommen irgendwann an einen solchen Punkt. Vor allem dann, wenn sich die Prioritäten verschoben haben. Bei mir ist es das Familienleben, das ich nicht weiter in der Form strapazieren will, wie ich es bisher gemacht habe. Hendrikje und ich haben eine kleine Tochter, ich habe noch einen 19-jährigen Sohn, ich will das nicht alles verpassen.
Die Rolling Stones haben gerade ihre nächste Platte ankündigt, danach gehen die sicher wieder auf große Tour. Die sind Ihnen ja noch ein paar Jährchen voraus. Wenn Sie die sehen, denken Sie dann nicht, das könnte ich natürlich auch, wenn ich nur wollte?
Also, ich habe nicht vor, meine Entscheidung um 180 Grad umzudrehen und dann plötzlich dazustehen und zu sagen, ich habe es mir anders überlegt. Das schließe ich total aus. Dieser Entschluss ist gereift und bei dem wird es auch bleiben, 100 Prozent.
In Köln werden Sie gemeinsam mit ihrer Frau aus Ihren „Anouk“-Kinderbüchern lesen. Der dritte Band erscheint bald und spielt in der Weihnachtszeit. In den Büchern erfährt man unterm Strich so einiges über die Familie Maffay-Balsmeyer. Sie nehmen sich da als alter Rocker gerne hoch: Der Schneemann wird mit Ihrer Bühnen-Lederjacke ausstaffiert, Sie bleiben beim Wettrodeln stecken, weil sich Ihr Schal im Schlitten verheddert …
Genau. Sie kennen vielleicht den berühmten Spruch von Heinz Erhardt: Wenn man sich selber auf den Arm nimmt, erspart man anderen die Arbeit.
Aber gleichzeitig fahren Sie noch Motorrad und tragen unironisch eine Lederjacke. Wie ernst ist es Ihnen noch mit dem Rock’n’Roll-Leben?
Diese Vision des 16-jährigen Teenagers, den Rock’n’Roll zu leben, die hat für mich nie an Bedeutung verloren. Ich glaube, dass die ganze Band im Grunde genommen im Herzen immer noch genauso tickt, wie das ursprünglich der Fall war. Vielleicht sind die Hotelzimmer ein bisschen gemütlicher geworden oder besser ausgestattet, als das vor 50 Jahren der Fall war. Aber wir machen eigentlich immer noch denselben Mist.
Schön zu wissen. Sie arbeiten aber auch mit ihrer Frau zusammen. Das kann doch nicht einfach sein, wenn da immer wieder die Beziehungsebene mit hereinspielt?
Ja, das darf man nicht als gegeben voraussetzen, dass man über das Privatleben hinaus auch beruflich einen gemeinsamen Nenner findet. Aber bei uns ist das so, wir haben sehr viele gemeinsame Interessen. Obwohl Hendrikje ihr Lehramtsstudium mit Bravour bestanden hat und vorhatte, diese Laufbahn einzuschlagen, hat sie von heute auf Morgen entschieden, in unseren Laden einzusteigen. Mit viel Enthusiasmus und inzwischen auch mit viel Kompetenz. Wir haben Spaß daran, miteinander Pläne zu schmieden und diese dann auch umzusetzen.
Und bei den „Anouk“-Büchern, wie arbeiten Sie da zusammen?
Da muss man die Kirche im Dorf lassen: Hendrikje hat die Bücher geschrieben und ich war ihr erstes Publikum. Sie hat mit mir die Ursprünge besprochen. Nach 40 Jahren „Tabaluga“ kann ich ja ein paar Erfahrungen miteinbringen. Aber die wirkliche Arbeit, die Geschichten zu schreiben und sie auszuarbeiten, das ist alles Hendrikjes Werk.
Gab es auch Dinge, bei denen Sie Ihr Veto eingelegt haben?
Nein, das machen wir ja umgekehrt auch nicht. Hendrikje hat mir jedenfalls noch nie gesagt: Pass auf, der Song kommt nicht auf das Album.
Und lesen Sie auch Ihrer vierjährigen Tochter diese Geschichten mit ihr als Heldin vor?
Oh ja! Ich bin vielleicht kein sehr routinierter Geschichtenvorleser, aber es geht ja auch darum, abends noch einmal zusammen Zeit zu verbringen und den Ausklang aus dem Tag etwas zu verschönern.
Mir ist aufgefallen, dass Sie in ihrem letzten Album „So weit“ in vielen Texten das Leben als eine Art Kreislauf beschreiben. Welche Kreise schließen sich gerade bei Ihnen?
Also das ist nicht streng geometrisch zu verstehen. Ich glaube, wir sind alle Teile eines Ganzen, eines Kreislaufs, der sich ständig erneuert. Wir sollten mit dieser Philosophie unseren Frieden machen. Sollten möglichst in Harmonie leben und akzeptieren, dass wir endlich sind, dass wir uns nur als Gäste auf diesem Planeten aufhalten. Und dass nach uns welche kommen, die ein Anrecht darauf haben, lebenswerte Umstände vorzufinden. Damit haben wir im Augenblick ja reichlich zu tun.
Der Gedanke, was für eine Welt man zurücklässt, wird viel konkreter, wenn man eigene Kinder hat.
Ja, die eigenen Kinder sensibilisieren natürlich immens, das kann wohl jedes Elternpaar bestätigen. Allerdings habe ich mich mit diesen Dingen eigentlich schon immer auseinandergesetzt, so haben mich wiederum meine Eltern erzogen.
Sie haben ja auch schon früh in ihren Liedern vor der Umweltzerstörung gewarnt, oder den Klimawandel thematisiert.
Na ja, sagen wir mal so: Auch ich habe irgendwo abgekupfert. Vor mir gab es die Herrschaften Dylan und Baez, die Bezug zur Weltpolitik oder zu gesellschaftlichen Vorgängen genommen haben. Ich habe das Rad nicht erfunden, aber das sind natürlich Themen, die nie an Bedeutung verlieren. Als Musiker hat man viele schöne und auch weniger schöne, dafür jedoch einschneidende Erlebnisse. Man darf vielen Menschen begegnen. Dann kommt man fast von selbst in diese Spur, die Fragen ergeben sich zwangsläufig: Wo befindet sich die Welt? Wo befinde ich mich selbst innerhalb dieser Welt? Das sind existenzielle Dinge, auf die man versucht, eine Antwort zu finden, um sich dann zu positionieren. Die Leute haben ja auch ein gewisses Anrecht darauf, zu wissen, mit wem sie es hier zu tun haben.
Auch wenn Sie bald nicht mehr auf Tour gehen, neue Alben wollen Sie doch noch veröffentlichen?
Ich kann mir ein Leben ohne Musik nicht vorstellen. Dafür hat sie zu lange und zu sehr mein Leben bestimmt. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Das Einzige, was ich ändern will, und daran liegt mir sehr viel, ist, dass ich mehr Zeit für die Familie bekomme – und auch für mich selber. Wenn man dauernd auf der Autobahn fährt, dann entgehen einem die Dinge, die abseits liegen, die aber auch sehr sinnvoll sind. Also ich habe nicht vor, irgendwo hinter dem Ofen zu sitzen und zu warten, bis sich die Urne öffnet. Dafür bin ich viel zu interessiert an den Dingen, die passieren. Und es gibt enorm viele Möglichkeiten, musikalisch nicht weniger intensiv weiterzuarbeiten, nur eben ein bisschen anders.
Können Sie sich vorstellen, dass sich die Musik oder die Inhalte der Songs ändern, wenn Sie aus der Routine Album, Tour, Album herauskommen?
Ja, wenn man ein bisschen mehr Zeit zum Denken hat, wird das wahrscheinlich seine Auswirkungen haben.
Peter Maffay (74) hat vergangene Woche in Köln verkündet, 2024 zum letzten Mal auf Tournee zu gehen. Am 12. Juli spielt er im Rhein-Energie-Stadion.
Auf der lit-Cologne Spezial liest Maffay zusammen mit seiner Frau Hendrikje Balsmeyer aus den Abenteuern ihrer gemeinsamen Tochter Anouk, die diese Nacht für Nacht im Traum erlebt. Illustratorin Joëlle Tourlonias zeichnet dazu live. Am Dienstag, dem 3. Oktober, 11 Uhr in der Comedia. Im Oktober erscheint auch der dritte „Anouk“-Band.
Wir verlosen für die Veranstaltung 5x2 Karten. Bitte schreiben Sie eine Mail mit ihrem vollen Namen und dem Betreff „Peter Maffay“ an ksta-kultur@kstamedien.de