Phänomen GaslightingWenn Promis schmutzige Wäsche über ihre Ex-Partner waschen
- Wenn Prominente öffentlich mit der oder dem Ex abrechnen und intimste Dinge preisgeben, ist es Zeit, ein Wort für die einzulegen, die an den Pranger gestellt werden
- Und das derzeit schwer angesagte Wort „Gaslighting" einmal näher zu beleuchten – am Beispiel der Dixie Chicks, Johnny Depp und Björk.
- Lesen Sie hier auch weitere Folgen der Kolumne – über Monika Lewinsky und Britney Spears.
Wissen Sie, was „gaslighting“ ist? Der Ausdruck geht auf ein altes Theaterstück, beziehungsweise seine Hollywood-Adaption mit Ingrid Bergman zurück, die bei uns unter dem Titel „Das Haus der Lady Alquist“ bekannt ist, im Original aber unter dem Titel „Gaslight“ lief. Darin spielt die Bergman eine frisch verheiratete Opernsängerin, die von ihrem Mann psychologisch so manipuliert wird, dass ihr Realitätssinn und Selbstbewusstsein abhanden kommen. Dass er die Gaslampen in der Wohnung flackern lässt und vor seiner Frau behauptet, mit der Beleuchtung wäre alles in bester Ordnung, ist da noch das harmloseste Beispiel. Warum ich Ihnen das erzähle?
Weil das weibliche Country-Trio The Chicks, vormals The Dixie Chicks, gerade ein Album namens „Gaslighter“ veröffentlicht haben. In einem Großteil der Songs verarbeitet die Sängerin Natalie Maines die Trennung von ihrem Mann, dem Schauspieler Adrian Pasdar, nach 20 gemeinsamen Jahren. Die Texte sind kaum verklausuliert. Wir erfahren unter anderem, dass Pasdar Maines auf ihrer eigenen Jacht betrogen hat; die Geliebte habe dort ihre Strumpfhose liegen lassen. Anscheinend hat Pasdar dies kalt lächelnd verleugnet und seine Frau für paranoid erklärt, ein klassischer Fall von „gaslighting“ also.
Ich kann nicht sagen, dass er mir am Ende des – übrigens ganz hervorragenden – Albums leid tut. Die Chicks haben ihre Karriere darauf gegründet, dem Macho-Genre Country die Meinung zu geigen und sie haben auch einen hohen Preis dafür gezahlt. Ich glaube den Chicks, ich bin Fan. Trotzdem frage ich mich, ob es okay ist, dass ich jetzt Dinge über einen Menschen weiß, den ich nur als Gesicht aus Fernsehserien kenne, die doch sehr viel intimer sind, als die Dinge, die ich von Kollegen, ja selbst von einigen Freunden weiß. „Du bist nur so krank wie deine Geheimnisse“, singt Maines, „also erzähle ich jetzt alles“. Den Slogan hat sie sich bei den Anonymen Alkoholikern ausgeliehen, aber bei denen geht es natürlich um die eigenen Geheimnisse, den heimlichen Griff zur Flasche.
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Weshalb ich heute die weniger Prominenten verteidigen möchte. Die lügenden, betrügenden, gasleuchtenden Partner, die an den Pranger gestellt werden. Als die isländische Sängerin Björk auf ihrem Album „Vulnicura“ das Zerbrechen ihrer Ehe mit dem Künstler Matthew Barney verarbeitete, blieb diesem nur Galgenhumor übrig: Er taufte seine nächste Galerie-Ausstellung „The Bad Boyfriend Show“. Bevor Sie mich nun für einen verstrahlten Männerrechte-Aktivisten halten (die sind mir ähnlich sympathisch wie Leute, die sich als Weiße unterdrückt fühlen, weil sie das N-Wort nicht mehr sagen sollen) — der Pranger funktioniert selbstredend geschlechtsunabhängig.
Nehmen Sie nur die täglichen Neuigkeiten vom Gerichtsprozess, in dem Johnny Depp einige britische Boulevardzeitungen wegen übler Nachrede verklagt, die aber vor allem auf eine Rufmord-Kampagne gegen seine frühere Frau, Amber Heard, hinauszulaufen scheinen. Für Klatschsüchtige ist der Prozess ein Schlaraffenland, eine Art Reality-TV-Version von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“, mit weniger Witz, aber mehr zerbrochenem Geschirr. Depps Anwälte zeigen jedenfalls großes Geschick darin, Amber Heard als geldgeile Schlampe mit Aggressionsbewältigungs-Problemen darzustellen. Jedenfalls wissen wir jetzt alle sehr viel mehr über Heards – angebliches! – privates Gebaren, als uns angeht.
Armer Johnny Depp, sollen wir denken. War er nicht hinreißend lustig als Captain Jack Sparrow? Woran wir nicht denken sollen, ist die Tatsache, dass Depp seiner Frau – erneut: angeblich – Gewalt angetan hat. Und dass es nichts zur Sache tut, ob das Opfer eine Heilige oder eine geldgeile Schlampe außer Kontrolle ist. Und auch das ist ein klassischer Fall von „gaslighting“.