Auf der phil. Cologne diskutierte Vizekanzler Robert Habeck mit Peter Sloterdijk über sein Buch „Die Reue des Prometheus“ und den Klimaschutz.
phil.CologneRobert Habeck diskutiert in Köln als Philosoph über Feuer und fossile Energien
Die Entdeckung des Feuers fasziniert die Menschen schon seit der Antike. Laut eines griechischen Mythos war es der Titan Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl, um es der Menschheit zu überreichen. Für den Philosophen Peter Sloterdijk („Die Reue des Prometheus“) ein zivilisatorischer Sprung, der die moderne Menschheit letztlich in eine tiefe ökologische Krise führen sollte.
Am vierten Tag der phil.Cologne entdecken im WDR-Funkhaus in Köln zwei Philosophen gemeinsam das Feuer und seine Kulturgeschichte. Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck muss pragmatische Lösungen für die Gegenwart anbieten, Peter Sloterdijk kann als Intellektueller darüber hinausgehen. Moderiert wird die Veranstaltung vom Philosophen und Professor für Medientheorie Armen Avanessian.
Peter Sloterdijk rekapituliert in Köln sein Buch „Die Reue des Prometheus“
„Menschheit und Feuer sind seit einer Million Jahre Weggefährten“, sagt Sloterdijk. Doch um die Frühgeschichte soll es gar nicht lange gehen, der Blick geht schnell zur Industriellen Revolution. Mit der Verbrennung von Kohle sei ein neuer Kulturzustand erreicht worden. Dieser mache aber auch eine neue gefährliche Enthemmung sichtbar. Seit der Industrialisierung könne man schnell ganze „unterirdische Wälder“ (also fossile Brennstoffe) verfeuern, die für ihr Entstehen Millionen von Jahren brauchten. Die Menschen seien in ihrer Maßlosigkeit Brandstifter geworden.
Der Moderator, der seine Fragen in Monologen gut verbirgt, zeigte sich bestens vorbereitet, um selbst als Diskussionspartner aufzutreten. Das Publikum quittiert mit Gelächter, als er seine Ausuferungen mit „Lange Rede, kurzer Sinn“ schließen will. Es ertönt sogar ein Ruf: „Wo ist die Frage?“. Zudem hat sich Avanessian wohl auf eine hitzige Debatte eingestellt. Er identifiziert in Sloterdijks Buch radikale Ideen, etwa die eines Weltbodenschatzes, bei dem Nationalstaaten nicht uneingeschränkt über ihre Rohstoffe verfügen. Für den Moderator ein „kryptokommunistisches“ Enteignungsimperativ. Sloterdijk nennt er scherzhaft einen„gut camouflierten, radikalen linken Theoretiker.“
phil.Cologne-Debatte: Kein großer Dissens zwischen Robert Habeck und Peter Sloterdijk
Der wiederum bemerkt: „Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn man plötzlich nicht nur in die rechte, sondern auch in die grüne Ecke gestellt wird.“ Und auch Habeck hält dem entgegen, dass ein Kohleausstieg eine Art freiwilliger Enteignung sei, und man mit dem Pariser Abkommen bereits eine weniger radikal formulierte Ausprägung dieses Gedankens habe. Wegen der Wirtschaftsmächte hinter den fossilen Trägern sei der Widerstand dagegen natürlich immens. „Aber die politische Arbeit ist schon da, ist unsere Realität.“
Der Austausch bleibt so recht harmonisch, vermutlich weil die Gesprächspartner sich bei den angesprochenen Themen einig sind. Kleine Kritikpunkte werden schnell glattgebügelt, etwa wenn Habeck in „Die Reue des Prometheus“ eine Invektive gegen Frauenrechte sieht und Sloterdijk bekräftigt, Habeck möge das so gelesen haben, das liege aber nicht in der Absicht des Autors. Die Konfliktarmut bemerkt auch der Moderator, der sich aus der Konfrontation der beiden wohl mehr Feuer erwartet hat: „Ich bitte Sie flehentlich um einen Dissens.“
Robert Habeck verteidigt den demokratischen Prozess
Die Bitte bleibt ungehört. Es ist ironisch, dass Avanessian immer wieder „pyrotechnische Bomben“ zündet, um die beiden doch noch miteinander zu konfrontieren, während Habeck im wahrsten Sinne des Wortes „Moderator“ als Mäßigender auftritt. Auch beim Thema Geo-Engineering entschärft Habeck die Debatte, indem er den Begriff kritisch reflektiert. Die Natur sei durchaus in vielerlei Hinsicht menschlich überformt. Klimaschutz greife selbst in die Natur ein, etwa indem man aufforstet oder Moore vernässt. Diese Eingriffe trennt er aber von apokalyptischen Szenarien à la Marc Elsberg („C° - Celsius“), in denen die Menschheit mit Partikeln in der Atmosphäre die Sonneneinstrahlung dämmen will.
In einer Demokratie müsse man aushandeln, welche Eingriffe in die Natur akzeptabel seien. „Es kann immer nur um die Gewinnung von Mehrheiten für den nächsten Schritt gehen. Das klingt wie Relativieren, aber es ist nun mal die Realität in einer pluralen Gesellschaft.“ Als Beispiel dafür nennt er die Deckelung der Gaspreise in der Energiekrise: Damit habe eine Regierung mit grüner Beteiligung die Preise eines fossilen Brennstoffs günstiger gemacht. Das sei nicht die ökologisch reine Lehre gewesen, habe aber viele Menschen finanziell entlastet. Klimaschutz heiße, Prozesse miteinander auszuhandeln. Ideen, die diesen Aushandlungsprozess nicht wollen, seien nicht hilfreich.
Die Menschheit muss vom Feuer nicht Abschied nehmen
Darin liegt er wieder in wunderbarem Konsens mit Sloterdijk, der eine heimliche Liebe für die Apokalypse beobachtet. „Der Romancier sympathisiert mit einer Idee des Handelns, die von der demokratischen Vielstimmigkeit so weit wie möglich entfernt liegt und die Wahrheit wieder im Monolog sucht.“ Das katastrophische Denken schaffe Voraussetzungen für ein Denken auf „Dr. No“-Ebene, also den Versuch, einen internationalen Dialog zu überspringen, indem eine Person die ganze Handlungsmacht an sich reißt. „Daher ist die Arbeitsteilung zwischen Politik und Science-Fiction ja geschaffen worden. Und solange nicht jeder Science-Fiction Autor für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten kandidiert, sind wir noch relativ sicher.“
Muss die Menschheit also die Gabe des Feuers verschmähen? Habeck antwortet mit einem emphatischen Nein. „Wir holen doch im Moment die Energie der Sonne auf die Erde“. Man könne Energie erzeugen, ohne das Klima zu zerstören und die vielen zivilisatorischen Errungenschaften halten, ohne in eine agrarische Gesellschaft zurückzufallen. Die richtige Denkfigur sei, die offene Gesellschaft zu nutzen und den Fortschritt, der sie möglich macht, zu bejahen, um weiter frei sein zu können. „Insofern müssen wir nicht Abschied nehmen vom Feuer.“