Neben dem Franzosen überzeugte auch der Dirigent Petr Popelka beim Konzert mit dem WDR Sinfonieorchester.
Pianist Alexandre Kantorow in der PhilharmonieWendiger, eleganter Virtuose

Alexandre Kantorow
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Zwei Debütanten begrüßte das WDR Sinfonieorchester bei seinem jüngsten Abokonzert in der Philharmonie. Den jungen französischen Pianisten Alexandre Kantorow muss man in Köln kaum mehr vorstellen - der letztjährige „Artist in Residence“ des Gürzenich-Orchesters hat sich hier als wendiger, eleganter Virtuose und klanglicher Feinzeichner sehr gewinnend eingeführt. Das zweite Klavierkonzert von Franz Liszt hatte Kantorow in Köln bereits unter Leitung von François-Xavier Roth zu Gehör gebracht - bei der Neuauflage bestätigte sich, dass dies in jeder Hinsicht „sein“ Stück ist: Die obligatorischen Lisztschen Oktavsalven schüttelte Kantorow mit lockerstem Schwung aus dem Ärmel; die feinperligen Girlanden im Diskant waren über ihren hohen Dekorationswert hinaus auch strukturell gestochen klar erfasst.
Den leichten Anflug von Dekadenz, den schon das chromatisch-fallsüchtige Hauptthema der Solo-Klarinette vermittelt, baute Kantorow in den ungemein sensitiv und weiträumig ausgesponnenen Harfen-Akkorden seines Entrées noch weiter aus. Da ist - wer könnte es überhören? - schon viel von Wagners „Tristan“ drin, mit seiner morbiden, nachtschweren Sinnlichkeit. Eine passendere Zugabe als Liszts Bearbeitung von „Isoldes Liebestod“ hätte es da natürlich kaum geben können. Dass Kantorow das vokal-orchestrale Original kennt, darf angenommen werden; er ließ sich von Wagners Klangwogen aber keineswegs in vorschnelle Ekstasen treiben, sondern entfaltete sehr sorgfältig das pianistische Eigenleben des Arrangements, arbeitete auch die Innenstimmen plastisch heraus.
Nichts entgeht seiner kontrollierenden Aufmerksamkeit
Damit war zugleich eine Brücke zum Eingangsstück des Abends geschlagen, Wagners selten zu hörender „Faust-Ouvertüre“, bei der nun auch vom zweiten Debütanten des Abends zu berichten ist. Der tschechische Dirigent Petr Popelka, ursprünglich als Kontrabassist ausgebildet, hat mit Beginn dieser Saison die Leitung der Wiener Symphoniker übernommen.
Was er auf dem Podium vermittelt, ist am besten mit dem Wort „kompakt“ zu charakterisieren: Er geht nah an die Musiker heran, schlägt kleinteilig und sehr dezidiert. Nichts entgeht seiner kontrollierenden Aufmerksamkeit - während die linke Hand die Geigen anleitet, hält die rechte die Celli im Zaum. Bei Wagners „Faust-Ouvertüre“, die stark und imaginativ beginnt, sich in der Durchführung aber heillos in repetitiven Mustern festrennt, war Popelkas straffe Hand unbedingt von Vorteil. Schumanns dritte Sinfonie, die „Rheinische“, kann man sicherlich auf einem größeren Zahnrad laufen lassen, als Popelka das tat; man kann sie freier, schwungvoller, jubelnder musizieren.
Trotzdem war das eine ausgezeichnete Interpretation, die hohe Energien freisetzte, sich von den rhythmischen Triebkräften der Musik befeuern ließ und dabei doch jederzeit Muße fand, schöne Details aus dem sinfonischen Fluss zu heben.
Das WDR Sinfonieorchester, in allen Sektionen glänzend präpariert, hatte offenbar große Lust, sich unter Popelkas Führung auf das altgediente Stück einzulassen. Für ihr kernig-körniges, beherzt zugreifendes Spiel wurden die Musiker am Ende zu Recht gefeiert.