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So wird der „Polizeiruf 110“Eine schmerzhafte Reise in die deutsche Vergangenheit

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Im neuen „Polizeiruf 110: Hermann“ tobt ein erbitterter Streit um ein Haus. 

Frankfurt (Oder)/Cottbus – Der neue „Polizeiruf 110: Hermann“ konfrontiert den Kommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) mit neuen Herausforderungen: Nicht nur muss er zum ersten Mal ohne seine Kollegin Olga Lenski ermitteln, deren Schauspielerin Maria Simon sich zu Beginn des Jahres in den Krimi-Ruhestand begeben hat. Sondern er muss sich auch Freunden wie Feinden aus seiner Cottbusser Vergangenheit stellen.

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Und nicht nur Raczek wird mit der Vergangenheit konfrontiert. Während Juden und Jüdinnen am Sonntag mit Hanuka das Lichterfest feiern werden, entführt der Polizeiruf in das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte und behandelt auch den gegenwärtig wieder aufflammenden Antisemitismus im Land.

Um ein Haus tobt ein erbitterter Kampf

Doch zunächst beginnt alles mit einer Leiche. Raczek wird nach Slubice gerufen: Bei der Entsorgung von Bauschutt wurde eine junge Frau tot zwischen Asbestabfällen gefunden. Schnell stellt sich heraus, dass es sich bei der Toten um die Bauingenieurin Daniela Nowak handelt. Doch wo sie ermordet wurde, ist nicht so leicht herauszufinden. Eine erste Spur führt in ihre Wohnung in Frankfurt (Oder), die eindeutig durchsucht worden ist. Doch schon bald führen Raczeks Ermittlungen ihn nach Cottbus, wo er seine ehemalige Kollegin Alexandra Luschke (Gisa Flake) trifft. Das Opfer arbeitete dort für Karl Winkler (Sven-Eric Bechtolf), der im Rahmen eines großen Bauprojekts einen ganzen Häuserblock saniert.

Im Zentrum des Falls steht ein Haus, um das ein erbitterter Kampf tobt. Auf der einen Seite stehen Zvi Spielmann (Dov Glickman) und seine Tochter Maya Spielmann (Orit Nahmias) aus Israel. Zvi Spielmanns Familie wurde von den Nazis ermordet, er ist der einzige Überlebende. Erst durch den Immobilienunternehmer Winkler erfährt er, dass er immer noch im Besitz des alten Cottbuser Hauses sei, das sein Vater einst gebaut hatte. Doch so einfach ist es dann doch nicht. Die Besitzverhältnisse des Hauses sind fast 80 Jahre nach Kriegsende nicht geklärt. Auch Elisabeth Behrend (Monika Lennartz), die in dem Haus aufgewachsen ist, und ihr Sohn Jakob (Heiko Raulin) bestehen darauf, dass sie die rechtmäßigen Besitzer sind.

Eigentlich geht es um Schuld und Versöhnung

Raczek wird schnell klar, dass das Haus der Schlüssel zu Daniela Nowaks Ermordung ist. Denn Nowak hatte offenbar sowohl mit den Spielmanns als auch mit den Behrends Kontakt. Mit den Spielmanns sei sie Maya zufolge verabredet gewesen, da sie angeblich im Besitz von wichtigen Dokumenten im Zusammenhang mit einem Restitutionsanspruch sei, den Zvi Spielmann geltend macht. Doch auch den Behrends sagte Nowak, sie habe Dokumente, die ihren Anspruch auf das Haus belegten. Für Raczek stellt sich also die Frage: Hat das Opfer beide Parteien gegeneinander ausgespielt?

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Dem neuen Polizeiruf gelingt ein vielschichtiges Hinterfragen der deutschen Geschichte und Verantwortung. Der Streit um das Haus und die Ermordung der jungen Frau bilden vielmehr die Rahmenhandlung, die die Konfrontation mit der Vergangenheit erst möglich macht. „Eigentlich geht es in dem ‚Polizeiruf 110‘ um Schuld und das Bedürfnis der Deutschen nach Versöhnung und die Schwierigkeit der ersten Holocaust-Generation, dies zu leisten", erklärt Regisseur Dror Zahavi.

So leidet besonders Zvi Spielmann an der Rückkehr nach Deutschland. Auch wenn seine Tochter Maya ihm versichert, das Land habe sich geändert, bleibt er skeptisch. Dem Schauspieler Dov Glickmann gelingt es, die innere Zerrissenheit und den Schmerz, den die Erinnerungen in Spielmann wachrufen, auf mitreißende Art zu transportieren. Er tut das ganz ohne Pathos und dadurch umso schmerzvoller.

Ihm gegenüber steht seine Kindheitsfreundin und alte Nachbarin Elisabeth Behrend. Auch sie wird durch das Wiedersehen mit Zvi, der damals in Deutschland noch Hermann hieß, mit der Frage nach Schuld und Verantwortung konfrontiert. Am Ende muss sie ein furchtbares Geständnis machen, doch zugleich bedeutet es für sie Befreiung: „Ich will so nicht sterben, Herrmann“, sagt sie.

Auch Raczke trifft auf Erinnerungen aus der Vergangenheit und wird an seine eigene Familiengeschichte erinnert. Besonders gut harmoniert er mit seiner einstigen Kollegin Alexandra Luschke. Das Wiedersehen wird jedoch einmalig bleiben, denn die eigentliche Nachfolge von Lenski übernimmt André Kaczmarczyk. Wann er gemeinsam mit Raczke seinen ersten Fall in Brandenburg lösen wird, ist allerdings noch unklar.