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„Post Human Condition“ im FWTWenn der Hintern schneller denkt als das Hirn

Lesezeit 3 Minuten
Szene aus "Post Human Condition" im FWT, Oktober 2024

Szene aus 'Post Human Condition' im Freien Werkstatt Theater

Um nichts weniger als um die Frage, was Menschsein in der Zukunft bedeuten könnte, geht es in „Post Human Condition“ im FWT. Regisseur Georg Rademacher hat das Stück des 1975 in Hongkong geborenen Theaterautoren Pat To Yan inszeniert. Der Autor hatte 2014 aktiv an den Protesten der Demokratiebewegung in Hongkong teilgenommen, die nach dem Anschluss der Sonderverwaltungszone an die Volksrepublik China für freie Wahlen eintraten.

Die bitteren Erfahrungen der niedergeschlagenen Proteste dürften sich ebenso im Stück niedergeschlagen haben, wie universelle Überlegungen zum problematischen Verhältnis von Künstlicher Intelligenz und Mensch. Moderne Fragestellungen und asiatische Mythen verweben sich hier zu einer Geschichte, die dem Zuschauer in der Rezeption allerdings einiges abverlangt.

Autor Pat To Yan hat an Protesten der Demokratiebewegung in Hongkong teilgenommen

Weshalb eine sanfte KI-Stimme aus dem Off das Publikum auch zu Beginn mit meditativen Methoden auf eine optimale Aufnahme der Handlung einschwört. Erzählt wird die Geschichte von Frank, der in einem reichen Industriestaat – einer Diktatur mit dem vielsagenden Namen „Eine Mitte ohne Ende“ – von Gelegenheitsjobs lebt. Bis sein Genie als Gamer erkannt wird und er fortan für das Militär im Homeoffice via ferngesteuerter Drohnen Ziele in einem fernen Kriegsgebiet bombardiert. Auch bei dieser Form der „chirurgischen Kriegsführung“ kommt es zu Kollateralschäden.

Und zwar in Folge eines alten Fluches, der Anders, den neugeborenen Sohn von Frank und seiner Frau Jane trifft. Das Kind wird ohne Po geboren und nur ein medizinischer Eingriff und neueste Technik lassen den Jungen überleben. Allerdings funktioniert der Cyber-Hintern wie ein Hochleistungshirn: Anders entwickelt sich im Hochgeschwindigkeitsmodus, altert aber ebenso rasch. Während Jane daheim die ungewöhnliche Entwicklung des Jungen mitverfolgt, hat sich Frank, auf der Suche nach seiner persönlichen Schuld, zu den Bodentruppen im Kriegsgebiet versetzen lassen.

Das Trio um Fiona Metscher, Felix Bold und Felix Breuel leistet in abwechselnden Rollen schauspielerische Schwerstarbeit, um die einzelnen Erzählstränge und Orte der überbordenden Handlung dem Publikum nahezubringen. Eine leicht ansteigende Holzrampe dient als Bühne, ein paar Stühle sind fast die einzigen Requisiten in diesen kargen Kulissen. Dafür unterstützen die exquisiten Videobilder von Roberta de Lacerda Medina den Fluss der Geschichte.

Die mäandert zuweilen mächtig, schwillt mit immer neuen Erzählsträngen zu einem gewaltigen Strom an, um sich dann gegen Ende zu einem komplexen Delta an ethischen, gesellschaftlichen, geschichtlichen und philosophischen Themen auszudehnen. Fraglos ein fruchtbarer Beitrag im aktuellen Diskurs, aber um den Betrachter stärker in den Bann zu ziehen, hätte die Geschichte ein wenig mehr Sogwirkung erzeugen dürfen.

Nächste Termine: 11., 14. Dezember, 15., 18. Januar, jeweils 20 Uhr,