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Tanz-Performance im Studio TrafiqueRaven für den weiblichen Widerstand

Lesezeit 3 Minuten
Femme with Gun, Studio Trafique

Schauspielerin Anna Marienfeld in „Femme with Gun“ unter der Regie von Andrea Bleikamp

Das Kölner Studio Trafique verwandelt sich für die Tanzperformance „Femme with Gun“ von Anna Marienfeld in eine Disco der weiblichen Rebellion.

Anna rennt. Das Studio Trafique ist für „Femme with Gun“ zu einem Club umgewandelt worden. Dabei darf der Zusatz „Ein Rave für den Widerstand“ durchaus wörtlich genommen werden. Die Schauspielerin Anna Marienfeld, die gemeinsam mit der Regisseurin Andrea Bleikamp das Konzept für die Soloperformance im Zeichen weiblichen Widerstands entwickelt hat, verwandelt den Abend in eine diskursive Disco. Für eine volle Stunde liefert sie sich auf einem Laufband dem Saalpublikum aus. Zu den harten und düsteren Deep-Sounds von Adrian Schwengebecher alias Kos:mo, der akzentuierten Lichtkunst von Jan Wiesbrock und den Videocollagen von Larissa Schmidt entwickelt sich ein rasanter Rave als Hommage an die Rebellinnen dieser Welt.

Rasanter Rave als Hommage an die Rebellinnen dieser Welt

„Die Verhältnisse zum Tanzen bringen“ frei nach Marx, könnte das Motto des Abends heißen, oder um Pina Bausch zu zitieren „Tanzt, Tanzt, sonst seid ihr verloren“. Jetzt kommt aber bei allem roughen Rhythmus, bei aller wilder Wut und sinnlichem Rausch, die Rede nicht zu kurz. Anna Marienfeld vollführt in einer wahren tour de force den sportlich anspruchsvollen Spagat im Joggingtempo und mit tänzerischem Gestus einen Abriss über feministischen Widerstand zu geben. Mitten im wilden Treiben hält sie plötzlich inne, um mit „Savage Daughter“ von der Isländerin Wyndreth Berginsdottir eine hinreißend gesungene Hymne weiblicher Selbstbestimmung zu performen.

Ein besonders aktueller Appell für den Widerstand

Ein roter Faden führt von den ersten Rebellinnen der Antike wie Antigone und Medusa über Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin bis hin zu Gisèle Pélicot und den iranischen Frauen der Women Life Freedom Bewegung. Dabei steht die philosophisch-politische Frage im Raum, wann Handeln sich nach Gerechtigkeit und nicht nach dem Gesetz auszurichten hat. Der Appell, sich als Frau die Ziele eines gesellschaftlichen Wandels nicht von Männern diktieren zu lassen oder an den patriarchalischen Normen auszurichten, erscheint in Zeiten eines reaktionären Rollbacks besonders aktuell.

Was bedeutet Feminismus heute?

Gleichzeitig steht die Frage im Raum, was Feminismus heute bedeutet. Zu oft hat die Deutungshoheit gewechselt, bis der Begriff, zu abgenutzt und zu ambivalent, kaum noch Aussagekraft entfaltet. Wie diskreditierend der Diskurs über Rebellinnen seit jeher geführt wird und wurde, wird im Stück z.B. bei Medusa deutlich. Deren mächtiger Blick die Männer zu Stein verwandelt, eine weibliche Superkraft also, die sogleich als destruktiver Fluch verunglimpft wird. Männliche Perspektiven bestimmen auch die Einordnung der Motive, die weibliche Mitglieder der RAF zum bewaffneten Kampf führten – nicht (wie auch immer zu beurteilende) politische Gründe, sondern pathologische Aspekte werden hier angeführt: sei es die Abgrenzung von dominanten Vaterfiguren oder die Hörigkeit gegenüber Macho-Figuren wie Andreas Baader.

Höchste Zeit, den Spieß umzukehren und ihn gegen die zu richten, die Frauen schon immer gerne mit allen auch gewalttätigen Mitteln in Schach halten wollen. Oder um es mit der im Stück zitierten Gisèle Pélicot zu sagen: „Die Scham muss die Seiten wechseln“. Das Publikum im Saal, das immer stärker die Schwingungen aufnimmt und am Ende mittanzt, ist jedenfalls ist von diesem dynamischen Aufschrei mit Rave-Rhythmen in jeder Hinsicht tief bewegt und sichtlich begeistert.


Nächster Termin: „Femme with Gun“, Studio Trafique, 6. Dezember, 20 Uhr. Tickets sind hier erhältlich. Weitere Termine folgen 2025.