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Premieren im Theater im BauturmFeminismus? Selten so gelacht!

Lesezeit 4 Minuten
HEXE – HELDIN – HERRENWITZ
Ein Panorama zur Geschichte von Frauen in Köln
Text und Regie, als Teil des Ensembles Franco Melis | Ausstattung / Malerei Anica Blagaj | Produktionsleitung Erika Walter
Mit Susanne Pätzold, Nicole Kersten und Bruna Cabral (Live-Musik)

Premiere 06. April 2024

Susanne Pätzold in „Hexe-Heldin-Herrenwitz“ im Theater im Bauturm

Im Theater im Bauturm sind derzeit gleich zwei feministische und äußerst unterhaltsame Stücke zu sehen. Unsere Kritik.

Dass die Geschichte meistens von den Siegern geschrieben wird, davon können gerade die Frauen in der langen Historie Kölns ein trauriges Lied singen. Höchste Zeit also, dachte sich das Theater im Bauturm, um in „Hexe-Heldin-Herrenwitz“ die Chronik Colonias mal aus weiblicher Sicht zu erzählen. Von der Stadtgründerin Agrippina (15-59) über die legendäre Ursula (4. Jahrhundert) bis hin zu Kölns erster Karnevalssängerin Grete Fluss (1892-1964) reicht die Liste der Frauen, die oftmals prägender waren, als es ihnen die offizielle, sprich männliche Lesart zubilligt.

Bei den beiden Initiatorinnen des Abends, der bekannten Comedienne Susanne Pätzold und der versierten Schauspielerin Nicole Kersten, geht das alles andere als staubtrocken zu, wenn sie mal einzeln, mal im Duett mit feinem Humor und pointierten Spitzen durch den Abend führen. Nicht zuletzt das warme Bühnenbild von Anica Blagaj und die stimmungsvolle Musik des brasilianischen Multitalents Bruna Cabral sorgen dafür, dass sich das Publikum eher in einem jazzigen Club als in einem klassischen Theater wähnt.

Das „starke Geschlecht“ präsentiert sich denkbar dümmlich

Ambiente und Atmosphäre sind also bereitet, um auf unterhaltsame Art und Weise eine überfällige Umschreibung der Stadtgeschichte vorzunehmen. Dabei ist es auch kein Widerspruch, dass mit Franco Melis, dem Urgestein aus dem Comedia-Theater, ein Mann hauptsächlich für Regie und Texte verantwortlich zeigt. Von Mansplaining kann hier keine Rede sein. Kommen doch die meisten Männer von Tacitus über Luther bis zu Schopenhauer nur mit frauenfeindlichen Zitaten zu Wort, in denen sich das „starke Geschlecht“ denkbar dümmlich präsentiert.

Nicht weniger selbst entlarvend entpuppt sich bei genauem Hinhören so manches Liedgut aus männlicher Feder. Das „Süße Nachtgespenst“, das Schlafzimmertüren aufbricht, um sich an Frauen zu vergehen, ist zwar in jeder Hinsicht von gestern, doch an aktuelleren Beispielen mangelt es nicht. Femizid-Fantasien finden sich am Abend auch bei den Beatles oder Bruce Springsteen. Der tragische Tod der Patrizierin Katherina Henot im Jahre 1627 steht beispielhaft für die vielen Frauen, die im späten Mittelalter als Hexen verfolgt wurden.

Mit solch drastischen Reaktionen mussten Persönlichkeiten wie die Mäzenin Laura von Oelbermann oder die Mitgründerin des Kölner Dombauvereins, Sibylle Mertens-Schaaffhausen, in späteren Zeiten nicht mehr rechnen. Im Schatten ihrer männlichen Kollegen blieben sie dennoch. Dass ihr Wirken heute stärker ins rechte Licht gerückt wird, ist nicht zuletzt dem Kölner Frauengeschichtsverein zu verdanken. Deren Mitbegründerin Irene Franken stand als Historikerin dem Stück mit ihrer Expertise zur Seite.

HEXE – HELDIN – HERRENWITZ
Ein Panorama zur Geschichte von Frauen in Köln
Text und Regie, als Teil des Ensembles Franco Melis | Ausstattung / Malerei Anica Blagaj | Produktionsleitung Erika Walter
Mit Susanne Pätzold, Nicole Kersten und Bruna Cabral (Live-Musik)

Premiere 06. April 2024

Szene aus „Hexe-Heldin-Herrenwitz“ im Theater im Bauturm

Dem (karnevalistischen) Herrenwitz wird an diesem Abend die komischste von vielen gelungenen Nummern gewidmet, wenn die drei Frauen auf der Bühne dieses urmännliche Narrativ mit einer grandiosen, stummen Schenkelklopfer-Choreografie konterkarieren. Ganz still wird es im Saal, wenn die Künstlerinnen im rasanten Wechsel der vielen Frauenrollen kurz innehalten und von eigenen Erfahrungen mit übergriffigen Männern berichten. Männer, die ihre Stellung und Funktion ausnutzten, um sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch zu begehen.

Wie eine Welt ohne Männer aussehen könnte, damit beschäftigt sich das Ensemble „fast verwegen“ bei seinem Gastspiel im Theater im Bauturm. Regisseurin und Autorin Nastassja Pielartzik hat das Geschehen in „Bum Bum Bäng“ in eine postapokalyptische Zukunft verlegt. Während in einer Eislandschaft (Bühne: Nicolas Sippel) nur noch arktische Stürme fegen, wartet Uzi (Alice Janeczek) in seiner Höhle auf den Kollegen Chris (Carmen Konopka). Die beiden Männer sind Waffenhändler. Obwohl die Welt in Trümmern liegt, gibt es noch Bedarf nach todbringenden Utensilien.

Dann springt die Handlung in noch weitere Zukunftsferne. Vier freundliche Frauen tollen wie Teletubbies durch die Eislandschaft. Die Sammlerinnen sprechen im deutsch-französischen Kindersprachen-Kauderwelsch miteinander und entdecken immer wieder neue Artefakte aus der Zeit vor dem „Großen Knall“, versprühen ansteckende Heiterkeit, hinter der subtile Sehnsüchte hervorscheinen. Mit jeder neuen Entdeckung, die sie bei ihren Expeditionen machen, eröffnen sich neue Horizonte. Was es mit den „Knall-Müll“-Funden des quirligen Quartetts auf sich hat, erfährt das Publikum im Laufe des Stückes, das im steten Wechsel zwischen den beiden Welten der Männer und der Frauen eine Geschichte von Liebe und Gewalt erzählt.

Der fröhlich naive Tonfall der Handlung steht dabei im reizvollen Kontrast zum Katastrophenszenario. Popsongs von Plastic Bertrand und David Bowie bilden den Soundtrack in der Frauenwelt, während die Männer mühsam gegen einen stürmischen Soundwall ansprechen müssen. Nastassja Pielartzik bedient bewusst Klischees im Gegensatz der Geschlechter, um dann aber mit den Rollenmustern zu spielen. Die Abwesenheit des jeweils anderen Geschlechts eröffnet ungeahnte Räume für neue Verhaltensweisen. Unterkühlte Männlichkeit weicht dem Bedürfnis nach Nähe und Liebe.

Alles läuft auf den großen Knall hinaus. Wie erfahrene Zuschauer wissen, wird jede Waffe, die im Verlauf einer Handlung auftaucht, auch abgefeuert. Dass dies nicht nur fürs Theater gilt, sondern erst recht für die Welt da draußen, ist der bittere Unterton, der bei dieser kurzweiligen Geschlechterkomödie noch nach dem Schluss in den Ohren klingt.


Termine: „Hexe-Heldin-Herrenwitz“, 19. + 20.4. (ausverkauft), 21.4., 18 Uhr, 13., 14.5.; Bum Bum Bäng, 30.4. , 2.5.