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Rihms „Dithyrambe“ in der PhilharmonieWenn aus dem Alinde Quartett ein vierköpfiges Biest wird

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Alinde Quartett

Alinde Quartett; Alinde Quartett

Das Alinde Quartett und die Kammerphilharmonie Bremen präsentieren profilstarke Partituren der Moderne in der Kölner Philharmonie.

Ein Biest mit vier Köpfen und vier Mündern - so beschreibt Wolfgang Rihm die Rolle des Streichquartetts, das er in seiner „Dithyrambe“ aus dem Jahre 2000 dem Orchester gegenüberstellt. Es ist ein starkes Bild, das die eindrucksvolle Komposition aber in jedem Takt einlöst: Mal lauert dieses Biest im Verborgenen, mal schnappt es unversehens zu, dann wieder läuft es dem Orchester einem plötzlichen Fluchtimpuls folgend davon.

Alinde Quartett zeigt die ganze Virtuosität von Rihms „Dithyrambe“

Das Alinde Quartett, in dieser Spielzeit Residenz-Ensemble der Kölner Philharmonie, ließ keinen Zweifel daran, dass es in diesen furiosen, prall gefüllten 25 Minuten Musik nicht um glanzvolle Virtuosität geht: Alle Bewegung, alle instrumentale Geschäftigkeit schien ins Manische, wenn nicht Panische übersteigert. Zugleich ist diese tönende Hetzjagd mit größter Raffinesse komponiert; da huschen Melodiefragmente durchs Orchester, werden Harmoniefelder gestreift, die sofort zerfallen: Eine Klangwelt im schnellen Vorlauf, von der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter Leitung von Duncan Ward mit gleißender Prägnanz in Szene gesetzt.

Szenen aus dem Dorfleben statt bunter Bilder vom Balaton

Wolfgang Rihm, der im vergangenen Jahr nach langer Krankheit starb, griff in diesem Werk auf zwei ältere Streichquartette zurück. Das schuf eine Verbindung zum Eingangsstück, Béla Bartóks „Bildern aus Ungarn“, die gleichfalls älteres Material (vorzugsweise aus Klavierstücken) verwenden. Was der Komponist selbst nur als einträgliches Gelegenheitswerk ansah, wurde in den Händen der Bremer Musiker zu einer ausgefeilten Spaltklang-Studie, die auch das Harte und Kratzige nicht scheute: Scharf beobachtete Szenen aus dem Dorfleben statt bunter Bilder vom Balaton.

Nachdem sie sich in diese profilstarken Partituren der Moderne vertieft hatten, waren das Orchester und der vitale Maestro offenbar geneigt, auch Beethovens zweite Sinfonie als Avantgarde des 18. Jahrhunderts vorzuführen. Damit lagen sie ja auch keineswegs falsch; als Ergebnis hörte man aber vor allem eine im Lautstärke-Spektrum weit aufgezogene, in den Tempi teils extrem angezogene Darstellung, wie sie im Zeichen einer „historisch informierten“ Aufführungspraxis üblich geworden ist. Rein technisch spielt die Deutsche Kammerphilharmonie zwar deutlich besser als die einschlägigen Ensembles der Originalklang-Szene, aber es blieb doch beim Eindruck einer Interpretation, die über ihren Energiereichtum und ihre agile Sportlichkeit hinaus wenig zu bieten hatte. Deutlich entspannter ging es in Edward Elgars „Salut d’amour“ zu, mit dem sich das Orchester für den reichen Beifall bedankte.