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Benefizkonzert „wir helfen“Da blieb das Publikum mucksmäuschenstill

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27.04.2025, Köln:Tabita Berglund (Dirigentin) und das Gürzenich Orchester.Foto:Dirk Borm

Tabita Berglund dirigiert das Gürzenich Orchester

Ein überragendes Konzert des Gürzenich-Orchesters mit Musik von Rachmaninow und Tschaikowsky.

Durch das Benefizkonzert „Herzenssache“ mit rein russischem Programm voll Schmerz, Sehnsucht, Schwermut, Trauer und Tod unterstützte das Gürzenich-Orchester den 1998 von Hedwig Neven DuMont ins Leben gerufenen Verein „wir helfen“ für in Not geratene Kinder und Jugendliche in Köln und Umgebung. Der geschäftsführende Direktor des Orchesters Stefan Englert konnte dem Veranstalter der Hilfsaktion, dem durch Chefredakteur Gerald Selch vertretenen „Kölner Stadt-Anzeiger“, einen Scheck von 15.000 Euro überreichen.

Unter Leitung von Tabita Berglund entfaltete das Orchester seine ganze Exzellenz als seelenvoll singender und vielfarbig schattierter Klangkörper. Die 1989 im norwegischen Trondheim geborene Dirigentin agierte ebenso grazil und schwungvoll wie energisch und präzise. Dank genauer Kenntnis der Partituren wirkte sie mit zahllosen Einsätzen und pointierten Gesten als allgegenwärtige Anwältin der Musik, ohne sich als Person in den Vordergrund zu drängeln. Die Konzentration und Intensität der Interpretationen zog merklich in Bann und ließ das Publikum der nahezu ausverkauften Philharmonie mucksmäuschenstill lauschen.

Der 23 Jahre junge russische Pianist Alexander Malofeev singt zart auf den Tasten

Den Anfang setzte freilich der gerade einmal 23 Jahre junge russische Pianist Alexander Malofeev mit Sergei Rachmaninows zweitem Klavierkonzert. Das Klavier beginnt ganz allein mit einem gegenstrebigen Motto. Beharrlich wiederholte Anschläge desselben Basstons insistieren auf Tiefe, Statik, Düsternis, während sich Akkorde von dieser Fesselung durch zunehmend gesteigerte Höhe und Breite zu befreien versuchen. Zwischen melancholischer Lähmung und leidenschaftlichen Ausbrüchen schwankt dann auch der gesamte Kopfsatz in der seit Beethoven „tragischen“ Tonart c-Moll. Wie der bipolare Anfang umreisen dann auch das berühmte Hauptthema der dunkel glühenden Streicher sowie das gesangliche Thema des langsamen Satzes jeweils Zentraltöne.

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Alexander Malofeev sang das „Adagio sostenuto“ so zart auf den Tasten, dass sich das Klavier zuweilen wenig vom Orchester abhob, während Flöte und Klarinette umso heller erblühten. Neben Ausdruckstiefe brillierte der Pianist sonst auch durch Anschlagkraft und virtuose Geläufigkeit. Die durch verschiedene Gemütszustände wandernde Solopartie umgab das Orchester als sympathetisch mit allen Regungen feinfühlig mitschwingender romantischer Seelenspiegel.

Das mitgerissene Publikum spendet spontanen Zwischenapplaus

Rachmaninow selbst hatte als damals 27 Jahre alter Komponist und Pianist die beiden letzten Sätze seines Konzerts im Dezember 1900 bei einem Wohltätigkeitskonzert erstmalig vorgestellt, bevor er das Werk ein Jahr später komplett uraufführte. Peter Tschaikowskys 1893 entstandene sechste Sinfonie interpretierten Berglund und das Gürzenich Orchester an der Schwelle von Spätromantik zur Moderne als ein Werk in Zeitgenossenschaft zu den ersten drei Sinfonien von Gustav Mahler. Der düsteren Adagio-Einleitung folgte ein auffallend hektisch genommener Allegro-Hauptsatz, der dann umso erschütternder mit der Soloklarinette ganz plötzlich verebbt, um nach diesem Nullpunkt mit dem dynamisch und klanglich forcierten „Allegro vivo“ der Durchführung umso heftiger wieder loszubrechen.

Die herausgestellten Extreme und besonders schroff knallenden Tuttiballungen und katastrophisch dröhnenden Paukenwirbel zeigen den wegen seiner Homosexualität angefeindeten Tschaikowskys als Ausdrucksmusiker par excellence, der auch in Briefen gestand, mit seiner „Pathétique“ ein durchaus persönliches Programm komponiert und bei der Arbeit oft bitter geweint zu haben.

Dem wehmütigen Walzer „Allegro con grazia“ im seltsam schwerelosen 5/4-Takt folgte der zackige dritte Satz. Das darin dominierende Marschthema steigerten die Interpreten zum manisch aufgekratzten Triumph, um den nachfolgenden Sturz in den depressiven Schlusssatz umso dramatischer zu gestalten. Den schicksalhaften Umschlag vereitelte allerdings das begeistert mitgerissene Publikum durch spontanen Zwischenapplaus.

Tschaikowsky war der erste Komponist, der eine Sinfonie mit einem langsamen Satz beendete. Sein finales „Adagio lamentoso“ ist ein Klage- und Abgesang. Alle Hauptlinien zieht es tiefer und tiefer, von Fagott über Horn und Streicher bis zu den todkündenden Posaunen und einem weichen Tamtam-Schlag als endgültigem Todessymbol.

Zum Schluss bleiben nur noch tiefe Celli in düsterem h-Moll und das ersterbende Herzpochen der Kontrabässe. Im Saal folgte minutenlang betroffene Stille – und dann stehende Ovation. Bravo!