Robbie Williams ist für drei Konzerte in die Kölner Lanxess-Arena gekommen. Die Zerrissenheit alter Tage ist weg, aber der 48-Jährige ist noch immer ein großer Entertainer.
Konzert in KölnRobbie Williams spricht von Depressionen und Alkoholexzessen
Es gibt ein wunderbares Video bei Youtube, in dem Robbie Williams Fragen von Jungs und Mädchen im Grundschul-Alter beantwortet. Denen stellt er sich mit den Worten vor: „Ich bin ein mittelalter Popstar aus den 90ern, eure Großmütter werden mich kennen, eure Eltern vielleicht nicht.“ Und dann erzählt er den Sechs- bis Achtjährigen noch in aller Seelenruhe, dass er in diesem Jahrzehnt eigentlich permanent betrunken gewesen sei.
Vielmehr muss man eigentlich im Vorfeld seiner drei Konzerte, die er in dieser Woche in der Lanxess-Arena spielt, nicht wissen. Vor 33 Jahren startete die beispiellose Karriere des heute 48-Jährigen. Eine Dekade später war der Mann aus der nicht gerade als Musik-Metropole bekannten englischen Stadt Stoke-on-Trent einer der größte Popstar des Planeten – wenn man mal von den USA absieht.
Robbie Williams in Köln: Die höchsten Höhen, die tiefsten Tiefs
Doch während seine Karriere die höchsten Höhen erreichte, durchlebte Williams die tiefsten Tiefs. Davon erzählt er ausführlich in der Arena. „XXV Tour 2023 – 25 Years of Hits“ heißt seine Tour. Das ist nur konsequent. Denn seien wir ehrlich, niemand ist an diesem Abend hergekommen, um neue Songs zu hören. Hier geht es um Nostalgie, um die Sehnsucht danach, sich wieder jung zu fühlen und die gleichzeitige Erkenntnis, dass die Jahre an uns allen nicht spurlos vorübergegangen sind.
Auch nicht an Robbie Williams, dessen David-Beckham-Gedächtnisfrisur ergraut ist und dessen Lachfältchen man auch auf den Videowänden sieht, die mit ihren Rahmen an alte Fernseher erinnern. Ja, es ist vor allem ein Blick zurück.
Robbie Williams spricht über Depressionen und Alkoholmissbrauch
Doch wenn er nach der nicht erwähnenswerten Luftnummer der Vorband Lufthaus und einem kurzen musikalischen Vorgeplänkel – „Wow. Yeah. Clap Your Hands“ – im goldenen Glitzerfummel zu „Let Me Entertain You“ die Show eröffnet, ist alles da, was ihn einst groß machte. Seine immer noch bemerkenswert starke Stimme, vor allem aber seine erstaunliche Bühnenpräsenz. „I am Robbie fucking Willams“, ruft er – als müsse er sich seiner selbst vergewissern.
Williams wird in den folgenden zwei Stunden viel von seinen Dämonen sprechen, von den Stimmen, die ihm einredeten, wertlos und unfähig zu sein. „Für mich ist es eine Therapie, für euch ist es Unterhaltung.“ Auch wenn er die Einblicke in sein Seelenleben an jedem Abend dieser Tour mit den identischen Worten gewährt, sie wirken authentisch, nicht aufgesetzt. Und immer ist da auch Selbstironie, die dem Pathos seiner Worte die Schwere nimmt.
Die großen Gesten, die Blicke, das strahlende Lachen – Robbie Williams hat es alles noch drauf
Aber selbst in Zeiten schlimmsten Drogen- und Alkoholmissbrauchs und tiefster Depressionen verlor er eine Gewissheit nie: „Du bist ein guter Entertainer.“ Den Beweis tritt er in Köln eindrucksvoll an. Er bestreitet das Konzert mit einem Deutschland-Schal um den Hals, den ihm jemand aus dem Publikum gereicht hat. Und den er wie ein Fußballfan einige Mal über den Kopf schwenkt: „Ich liebe euch, Deutschland!“ Die großen Gesten, die Blicke, das strahlende Lachen – er hat es alles noch drauf.
Sein Charme und sein gutes Aussehen waren es, die ihn einst berühmt machten. 15 Jahre alt war der Schulversager, als er zum Casting für Take That ging, 16 als die Karriere einer der erfolgreichsten Boybands startete. Bei seiner Reise zurück erzählt er ausführlich über die Anfänge der Gruppe, er zeigt kurz ihr erstes Video, bei dem die fünf jungen Männer nackt auf dem Boden liegen und ein Model ihnen mit einem Wischmopp Wackelpudding vom Po wischt. „Am Anfang mussten wir ein bisschen Gay Porn machen“, sagt er. Nicht mal volljährig war er da. „Es war seltsam. Aber ich habe es geliebt und würde es morgen wieder tun.“
Es folgte ein phänomenaler Aufstieg. Doch in der Band sei es zugegangen wie bei „Herr der Fliegen“. Leadsänger und musikalischer Kopf war Gary Barlow. Der Jüngste, Robbie, sollte Teenie-Herzen erobern und ansonsten die Klappe halten. Doch 1995 war Schluss. Nach Drogen- und Alkoholexzessen flog Williams aus der Band. In Köln berichtet er, wie er damals beim Festival in Glastonbury mit den Jungs von Oasis feierte. Und covert gleich deren großes Versöhnungs-Mantra: „Don’t Look Back In Anger“.
Robbie Williams: Der Weg in die Solokarriere war hart
Doch damals war der Zorn groß, der Weg in die Solokarriere hart. Die Zusammenarbeit mit Guy Chambers brachte schließlich den Durchbruch. Mit ihm schrieb er die Songs, die auch in Köln die Massen bewegen. Vier Alben produzierten sie gemeinsam. Dann trennte sich Williams von ihm. Ein Fehler, den er später korrigierte.
Ob „Rock DJ“, „Feel“, „Strong“ (entstanden in Köln) oder „Eternity“, das er für Ex-Spice-Girl Geri Halliwell schrieb, wie erzählt. Die Hits aus der Blüte seiner Karriere funktionieren noch immer am besten. Er habe zwei Arten von Songs, analysiert Williams ganz richtig: „Nummer Eins: Ich bin super, und ihr könnt froh sein, im selben Raum zu sein. Nummer zwei: Ich bin allein, wollt ihr mich retten?“ Kein Lied fasst das besser zusammen als „Come Undone“: „So need your love, so fuck you all“.
Doch 2006 war die Kraft weg. Er ging – mit 32 Jahren – in den Ruhestand. „Aber ich sagte es niemandem.“ In einem Kaftan saß er auf dem Sofa, ließ sich einen Bart wachsen, sah nach eigenen Worten aus wie ein Serienmörder. Er fühle sich wertlos, hatte Selbstmordgedanken. „Warum soll ich auf der Welt bleiben, wenn es so sehr schmerzt?“
Die Liebe rettete Robbie Williams aus Sucht und Depressionen
Liebe war es, die ihn rettete, erzählt er. Aus der Sucht und aus den Depressionen. Die Liebe seiner Frau und seiner vier Kinder – und die Liebe seines Publikums. „Ihr kauft meine Musik und kommt zu der Show, lernt meine Texte und singt sie mit mir.“ So glücklich wie heute sei er noch nie gewesen.
Man gönnt es ihm von ganzem Herzen. Und trotzdem ist da auch Wehmut. Künstlerisch ist Zufriedenheit eben leider oft ein Hemmnis. Das beweist der bonbonbunte Song „Love My Life“ von 2016, zu dem in Köln Kinderzeichnungen gezeigt und Konfetti in die Luft geblasen werden. Da sind keine Brüche mehr, da ist keine Reibung. Da singt ein zufriedener, mittelalter Mann über sein glückliches Leben. Schön, vor allem aber schön langweilig.
Dass seine Show immer noch funktioniert, verdankt Williams wohl dem Wissen um diese Diskrepanz und seiner gesunden Einstellung zu dem ganzen Zirkus. Im August 2003 trat er im Rahmen seiner Welttournee an drei aufeinanderfolgenden Tagen live vor jeweils 125.000 Zuschauern im britischen Knebworth auf.
Damals knutschte er auf der Bühne zu „Come Undone“ mit einem Fan. Heute singt er in der Zugabe „She’s The One“ für Zuschauerin Heidi. Die freundliche, blonde Frau, die vermutlich wie Robbie um die 50 ist, habe ein so bezauberndes Lächeln. Und weiche Hände. Die Prioritäten haben sich eben geändert.
Nach dem Finale und seinem größten Hit „Angels“ geht er dann aber auch doch nicht sofort. A Capella stimmt er noch mal einige der größten Hits an. Das Publikum stimmt ein. Nein, er braucht die Bühne nicht mehr, um zu überleben. Aber er fühlt sich dort immer noch sehr wohl.