Vom Sonntag, dem 5. Februar, bis zum kommenden Mittwoch gibt Robbie Williams drei Konzerte in der Kölner Lanxess-Arena. Aber hat der britische Superstar es noch drauf? Seine großen Zeiten sind ja schon lange vorbei. Unser Kollege Christian Bos hat Ende August 2022 das Open-Air-Konzert von Williams im Bonner Hofgarten besucht. Und war angenehm überrascht. Lesen Sie hier seine Rezension.
Doch wirklich, sagt Robbie Williams, er schreibe immer noch neue Songs. Er singt auch gleich einen: „Lost“ heißt der und er handelt vom alten, verirrten Robbie. Vom armen, reichen Superstar, der seinen Platz im Leben verloren hat, den das Nichts begrüßt, für den jedes Mitgefühl nur nach Mitleid riecht.
„Hätte ich den 2002 veröffentlicht“, stellt Williams anschließend fest, „wäre das ein Riesenhit gewesen.“ An diesem Dienstagabend im Bonner Hofgarten ist es das einzige Lied, das niemand mitsingen kann.
Vor 20 Jahren war Robbie Williams der Größte, ein Weltstar. Wo immer er auftrat, die Massen folgten ihm. Außer in Nordamerika. Hier wollte der selbstironische Charme des singenden Clowns partout nicht verfangen und selbst eine unwiderstehliche Ballade wie „Angels“ stieß auf taube Ohren. War es die Musik, die ein wenig zu eifrig an Elton Johns Großtaten aus den 1970er Jahren anknüpfte? Oder die zersprungene Oberfläche?
Robbie Williams: Ein Mann aus tausend zerbrochenen Stücken
Als Spiegel seines Publikums konnte Williams nicht herhalten, zu einzigartig waren seine Erfahrungen: Mit 16 Jahren wurde der talentierte Tunichtgut aus dem stinklangweiligen Stoke-on-Trent ins Rampenlicht katapultiert, als Partyclown einer sagenhaft erfolgreichen Boyband. Williams war ein Discoball, ein faszinierendes Lichtspiel aus Tausend zerbrochenen Stücken.
In Bonn kokettiert er anfangs noch immer mit der volatilen Persönlichkeit seiner Jahre als „Bravo“-Starschnitt. Erzählt, wie er vor mittlerweile 32 Jahren Take That beitrat – seine Mutter hatte ihn auf eine Anzeige aufmerksam gemacht: Boyband sucht Sänger –, wie er das Quintett nach fünf hysterischen Jahren wieder verließ (tatsächlich wurde er wegen seines selbstzerstörerischen Verhaltens rausgeworfen), wie manche Leute immer noch sauer auf ihn seien, weil er damit das Ende von Take That eingeleitet und Millionen Fanherzen gebrochen hatte.
Er erzählt von den Drogen, mit denen er sich damals betäubt hat, davon, dass er nachtragend, verbittert und verdorben gewesen sei, „so full of Scheiße“, wie er anschließend seinen großen Bekenntnissong „Come Undone“ eindeutscht.
Ein Tarnmantel aus Selbst-Herabwürdigungen
Früher, da verbarg er das eigene Kaputtsein unter einem Tarnmantel aus Selbst-Herabwürdigungen, machte sich, wie im Skandal-Video zu „Rock DJ“ nackig bis unter die Haut und konnte sich auf diese Weise unverwundbar fühlen, wenigstens so lange er vor Menschenmassen auf einer Stadionbühne stand.
Aber das ist nicht mehr der Robbie, der hier im hübschen Hofgarten auftritt (wo man im Übrigen sehr viel besser sehen kann, als vor ein paar Tagen in München), der ist wie ein alternder Boxer im schwarzen Muskelshirt zum hohlen Pathos der „Carmina Burana“ auf die Bühne geschlendert und hat „Let Me Entertain You“ gesungen, als wäre es eine Bitte. Die Motive seiner Oberarm-Tattoos sind aus der Mode gekommen, seine Haare ergraut, aber immer noch zum Halbirokesen geschnitten – die Robbie-Frisur, die in den Nuller Jahren jeder Fußballer trug, und der er nun als Einziger treu geblieben ist.
Bonn, bin ich noch dein Sohn?
„Bonn, am I still your son?“, hatte er zuvor als Textbotschaft von der Leinwand gefragt. Die Antwort der 25.000 fällt eindeutig aus. Es ist, als ob es gestern gewesen wär, 20 Jahre im Schnelldurchlauf, und man wundert sich, wie groß die Kinder geworden sind, wie lange das her ist, dass man das letzte Mal tanzen war und wann genau man den Anschluss an die Popmusik verpasst hat.
Jetzt teilen Williams und sein Publikum endlich Erfahrungen, unter anderem die, dass man gar nicht mehr wirklich weiß, worüber man früher bloß so verzweifelt gewesen war.
Jetzt halten ihn seine alten Freunde den Rücken frei. Gary Nutall spielt immer noch die Sologitarre, Guy Chambers, der Co-Autor seiner größten Hits, steht hinterm Keyboard. Und Robbie gibt sich gelöst, nein, er ist es wohl wirklich. Ein selbstsüchtiger Arsch sei er früher gewesen, beichtet er den Bonnern. Und dass ihm gerade die Isolation der Covid-Jahre gezeigt habe, was für ein Geschenk das sei: ein Publikum, das einen durchs Leben begleitet.
Er hat auch reichlich Spaß mit seinen mitgealterten Fans. Bewirft sie mit T-Shirts, korrigiert das Englisch auf hochgehaltenen Schildern, lässt die Band kurz „Y.M.C.A.“ von den Village People anspielen, holt eine Anna auf die Bühne, weil diese Geburtstag habe und becirct sie auf einem bereitgestellten Sofa mit „Something Stupid“, verwuschelt ihre Haare und schlingt ihr, zum Höhepunkt einer wirklich sehr lustigen Sex-Choreografie, das linke Bein über die Schulter.
Aber wenn es drauf ankommt, kennt die Witzigkeit Grenzen: Dann spricht er über seine vier Kinder, zu denen er nach dem Konzert rechtzeitig zurückkommen will, um sie aufzuwecken. So betört man die Mütter im Hofgarten, man hört sie kollektiv aufatmen: Ein Mann wie ein Rührkuchen! Und dann wirft er sich auch noch mit völlig unironischer Inbrunst in diejenigen seiner Lieder, die man auf Hochzeiten oder Beerdigungen hören möchte.
Robbie Williams ist immer noch gut bei Stimme
Doch, Robbie ist noch sehr gut bei Stimme, auch wenn der 48-Jährige mit ihr ein wenig mehr haushalten muss, als in seinen verschwenderischen Jugendjahren. „Feel“ singt er und „She’s the One“ und zum tränentreibenden Abschluss endlich „Angels“. „Ich werde phänomenal sein“, hat er am Anfang des Konzerts versprochen. Wir haben nie an dir gezweifelt, Robbie.
Das Konzert ist schon zu Ende, Robbie Williams hat sich mitsamt elfköpfiger Band und Tänzerinnen verbeugt, da setzen die 25.000 noch einmal zum Refrain ein. Singen von Liebe, Schutz und Zuneigung. Und der Superstar, der einmal war, fällt fröhlich mit ein.