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„Rocky Horror Show“ in KölnDieser Frank'n'Furter entlockt dem Publikum Lustschreie

Lesezeit 4 Minuten
Szene aus der "Rocky Horror Show" von ATG Entertainment

Szene aus der 'Rocky Horror Show' von ATG Entertainment

Noch bis zum Samstag gastiert das britische Kultmusical in der Lanxess-Arena. Unsere Kritik.

„Boring“, „langweilig“, „Geh' nach Hause“: Solche Beschimpfungen aus dem Publikum muss Sky du Mont als Erzähler der „Rocky Horror Show“ mit grandseigneurhafter Gleichmut ertragen. Die wahre Kunst besteht jedoch darin, diesen immer gleichen Zwischenrufen auf immer neue Art zu begegnen. Was dem elegantesten Fiesling der deutschen Film- und Fernsehlandschaft derart souverän gelingt, dass die letzte Wortmeldung aus dem Parkett vom üblichen „Boring“-Skript abweicht: „Eigentlich ganz cool“, lobt ein unbekannter Zuschauer du Mont. Das geht in diesem Kontext glatt als größtmögliche Anerkennung durch. Und die möchte man, ohne unnötige Relativierungen, der gesamten „Rocky Horror“-Produktion aussprechen, die derzeit in der Lanxess-Arena gastiert.

Der britische Regisseur Sam Buntrock hatte diese Tournee-Produktion für den europäischen Kontinent bereits vor rund 18 Jahren inszeniert, ihr vor drei Jahren eine gründliche Frischzellenkur verpasst – und beim Wiedersehen am Donnerstagabend hätte ich schwören können, es wären noch einmal etliche schöne Details dazugekommen. Wahrscheinlich trügt die Erinnerung. Wichtiger ist allemal der Eindruck, dass diese Version von Richard O'Briens Grusical so gegenwärtig wirkt wie 1973 auf der Studiobühne unter dem Dach des Londoner Royal Court Theatre. Obwohl sie sich – wie denn auch nicht? – der langen Mediengeschichte der „Rocky Horror Show“ bewusst ist.

Grob anzüglich und doch elegant

Die rechnet Buntrock mit ein, indem er die wilden Sexkapaden im Frankenstein-Haus mit Ausschnitten aus den Horror- und Science-Fiction-B-Filmen rahmt, die einst O'Brien zu seiner Revue inspiriert hatten, John Carradine als ausgeflippter Forscher, die dämonischen Ufo-Kinder aus „Das Dorf der Verdammten“, die mutierte Riesenspinne aus „Tarantula“. Und auch direkt ins Bühnengeschehen werden immer wieder kleine Filmschnipsel integriert. Sehr gelungen ist etwa der Übergang von einer Animation, die Rocky Horrors Geburt aus dem Reagenzglas zeigt, zum Realauftritt des titelgebenden Bodybuilder-Homunculus.

Noch schöner ist die Verführungsszene, in der Frank'n'Furter das junge Spießerpärchen Brad und Janet verführt, hintereinander, in der Gestalt des jeweiligen Partners: Der Regisseur zeigt das frivole Trio als Scherenschnitte im Stil der Silhouettenfilme Lotte Reinigers. Der visuelle Humor steht in grober Anzüglichkeit der berüchtigten Zelt-Sequenz aus dem zweiten „Austin Powers“-Film nur um wenig nach – und ist dabei doch von jugendfreier Eleganz.

Oliver Savile spielt Frank'n'Furter als blonde Sexbestie

Über Erfolg oder Misserfolg einer „Rocky Horror Show“ entscheidet am Ende aber das Ensemble und hier vor allem die Besetzung des sexpositiven Transvestiten vom Planeten Transexual aus der Galaxie Transylvania: Wie bereits auf der 2022er-Tour übernimmt Oliver Savile die Hauptrolle und bereits sein Entree als Frank'n'Furter raubt einem den Atem: Für einen Moment täuscht die schwarze Locken-Perücke eine weitere Tim-Curry-Kopie an, dann enthüllt Savile seine Platin-Kurzfrisur, wirft sich in Pose als muskelbepackte, blonde Sexbestie, so einschüchternd wie verführerisch, Pfiffe und Lustschreie aus der Halle provozierend. Nur um schließlich in tragischer Schönheit zu vergehen.

Es ist eine durch und durch schlüssige Interpretation, dazu noch überragend gesungen, vor allem in den lyrischen Passagen. Christian Lunns Riff Raff kann es an Stimmkraft locker mit seinem Meister aufnehmen, Melissa Nettleford ist eine weniger sarkastische als überenthusiastische Magenta. Rebecca D'Lacey, die am Donnerstagabend die Rolle der Columbia übernahm, gewinnt mit einer herrlich albernen Sterbeszene die Gunst des Publikums, nicht weniger lustig fällt der Abgang Alexander O'Reilly als naiver Lustknabe Rocky aus. Er küsst sich zum Abschied noch einmal die Bizeps-Muskeln.

Rob Falconer verkörpert die traditionelle Doppelrolle des lobotomisierten Rockers Eddie und seines Onkels Dr. Scott. Für den Rollstuhl fahrenden Nazi-Wissenschaftler findet er viel Inspiration bei dessen filmischem Vorbild, dem von Peter Sellers gespielten Dr. Strangelove. Als in einer Szene Sky du Monts Erzähler neben ihm steht, erschrickt er sich, weil er ihn als heimlicher Deutscher aus „Der Schuh des Manitu“ kennt: „Santa Maria!“

Sydnie Hocknell und Jed Hoyle lassen sich als frisch verlobtes Normalo-Pärchen nur allzu bereitwillig von perversen Außerirdischen korrumpieren (das bleibt der beste Witz der „Rocky Horror Show“). Sie entpuppt sich als forsche Domina, er verliert sich in seinen neu erweckten Lüsten: Brad, der in der finalen Burlesk-Revue aus den Federbüschen, die Frank'n'Furter bedecken, auftaucht, um nach seiner Mami zu rufen, ist einer der besten Momente des Abends.

Die „Rocky Horror Show“ ist noch am 18. 1. in der Arena zu sehen (15:30, 19:30 Uhr), und am 24. und 25. 1. in Oberhausen mit Hugo Egon Balder als Erzähler