„Fuck Putin!“, rief der britische Star auf seinem Konzert in Leipzig. Die Zuschauer in der sächsischen Arena reagierten unwirsch.
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In Leipzig ausgebuhtWie groß ist der Graben, den nicht einmal Rod Stewart überbrücken kann?

Rod Stewart während seiner „One Last Time“-Tour
Copyright: Torben Christensen/Ritzau Scanpix/AP
Bei allem Respekt vor Stachelfrisur und Reibeisenstimme: Rod Stewart ist so ziemlich der letzte Performer, von dem man erwartet, dass er irgendwo aneckt. Niemand wird ihn einen schlechten Sänger nennen, es gibt wenig bessere. Aber der Modelleisenbahn-Enthusiast ist kein Avantgardist und erst recht kein politischer Kopf. Seine Konzerte, erzählte uns Stewart im Gespräch, sollen das Publikum dazu ermutigen, den Abend zu genießen und die Politik für ein paar Stunden zu vergessen.
Doch das war vor fünf Jahren, als man die gesellschaftlichen Fliehkräfte noch für kurze Zeit aufheben konnte. Zum Beispiel, indem man gemeinsam Rod Stewart lauscht. Vor ein paar Tagen hat der Konsenskünstler („Do Ya Think I’m Sexy“) mächtig Kontra gekriegt, wurde in der Leipziger Arena vom eigenen Publikum ausgebuht.
Stewart hatte seinen Song „Rhythm of My Heart“ der Ukraine gewidmet, hatte sich in den Landesfarben des überfallenen Landes gekleidet und ein bodenständiges „Fuck Putin!“ in die Halle gerufen. Den von Dudelsack-Pfeifen begleiteten Song hatte er bereits 1991 als Klage eines Soldaten interpretiert, der sich nach seinem Zuhause, nach seiner Liebsten, nach einem Ende des Krieges sehnt.
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Vor anderthalb Jahren hatte Stewart einer geflüchteten ukrainischen Familie ein Haus gemietet. Ein Update mit dem der Ukraine aufgezwungenen Überlebenskampf macht also Sinn. Nicht jedoch in den Augen des sächsischen Publikums. Das heult und pfeift. Erst recht, als auf der LED-Wand ein Bild von Wolodymyr Selenskyj erscheint und Stewart davor salutiert. Einige applaudieren auch, aber sie können sich hörbar nicht durchsetzen.
In Leipzig wird Rod Stewart ausgebuht und ausgepfiffen
Frieden, das bedeutet in Leipzig offensichtlich, vor dem jeweils Stärkeren und Ruchloseren einzuknicken. Frieden, das bedeutet, Diktatoren und Mördern nach dem Maul zu reden. Schaut man sich den Ausschnitt an, weiß man nicht, ob es Schames- oder Zornesröte ist, die einem heiß zu Kopf steigt.
„Danke, dass sie so freundlich waren“, nuschelt der sichtlich mitgenommene Sänger noch. Er hat das Ende des Konsenses erreicht, mitten in Deutschland, damit hatte er nicht gerechnet. Im AfD-blauen Osten ist eine deprimierend große Zahl an Menschen wild dazu entschlossen, zivilisatorische Errungenschaften wutschäumend aufzugeben, sei es die wehrhafte Demokratie, die Methodik der Wissenschaft oder die grundlegenden Gebote menschlichen Anstandes.
Am 25. Juni tritt Rod Stewart in der Kölner Arena auf. Wir können nicht voraussagen, wie seine rheinischen Fans auf „Fuck Putin!“ reagieren werden, aber wir tippen mal auf Jubel und Applaus.
Kennen Sie noch das Cover von Stewarts „Atlantic Crossing“-Album? Auf weißen, hochhackigen Discostiefeln schreitet der überlebensgroße gemalte Sänger darauf in krasser Untersicht weit in Richtung Manhattan aus, als hätte King Kong lange Supermodel-Beine. Der Graben zwischen Ost und West ist breiter als der Atlantik und die Verwerfungen sind so tief, dass selbst ein Rod Stewart unweigerlich von ihnen politisiert wird.